Newt Scamander und der verunglückte Schnitt Im Kino

by Geschichtenerzähler Adrian

Mit „Phan­tas­ti­sche Tier­we­sen: Grin­del­walds Ver­bre­chen“ von Regis­seur David Yates läuft der zweite Film von J.K. Row­lings Wizar­ding World zur­zeit in den Kinos und bil­det den Nach­fol­ger des 2016er Films „Phan­tas­ti­sche Tier­we­sen und wo sie zu fin­den sind“. Ob der zweite Teil der Reihe eine Kino­emp­feh­lung ist, ver­ra­ten euch Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian und Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina.

Der zweite von fünf geplan­ten Tei­len der „Phan­tas­ti­sche Tierwesen“-Reihe setzt kurz nach den Ereig­nis­sen des ers­ten Teils an. Der Magi­zoo­loge – ein For­scher für magi­sche Tier­we­sen – Newt Sca­man­der, gespielt von Eddie Red­mayne, hat, nach der Zer­stö­rung New Yorks, mit einem Aus­rei­se­ver­bot des Lon­do­ner Magie­mi­nis­te­ri­ums zu kämpfen.

Nach­dem ein wei­te­rer Ein­spruch Newts gegen die­ses Ver­bot abge­lehnt wird, setzt ihn der junge Direk­tor der Zau­ber­schule von Hog­warts Albus Dum­ble­dore, hier ver­kör­pert von Jude Law, erneut auf einen Auf­trag an, wel­cher ihn nach Paris führt. Die­ses Mal ist es kein Tier­we­sen, son­dern er soll den von Ezra Mil­ler gespiel­ten Credence fin­den und vor den Machen­schaf­ten des Schwarz­ma­gi­ers Gel­lert Grin­del­wald (Johnny Depp) beschützen.

Newt appa­riert zusam­men mit sei­nem Mug­gel-Freund Jacob, dar­ge­stellt durch Dan Fog­ler, nach Paris. Dort wol­len sie Jacobs feste Freun­din Quee­nie (Ali­son Sudol) fin­den, wel­che wegen eines Strei­tes nach Paris ent­flo­hen ist. Grin­del­wald, der wäh­rend sei­ner Über­füh­rung von Ame­rika nach Groß­bri­tan­nien sei­ner Haft ent­kam, setzt seine Welter­grei­fungs­pläne in Paris fort, wozu er auch den jun­gen Credence, bezie­hungs­weise seine Fähig­kei­ten, braucht.

Credence, der zusam­men mit der Male­dicta Nagini – wer jetzt an Vol­de­morts Schlange denkt, liegt rich­tig –, gespielt von Clau­dia Kim, vor Kur­zem aus einem Wan­der­zir­kus ent­kam, wan­dert nun durch die Stra­ßen der fran­zö­si­schen Haupt­stadt, auf der Suche nach sei­ner Iden­ti­tät. In Paris tref­fen Newt und Jacob Quee­nies Schwes­ter Tina (Kath­rine Water­stone) wie­der, wel­che eben­falls nach Credence sucht.

Zu… viele… Charaktere

Wer nach die­sem Über­flie­gen der Rah­men­hand­lung des Films durch­ein­an­der ist, dem sei gesagt, dass dies viel­leicht gerade so fünf­zig Pro­zent der Cha­rak­tere sind, denen man in die­sem etwas mehr als zwei­stün­di­gen Film irgend­wie eine Cha­rak­ter­ent­wick­lung geben will. Und das gleich­zei­tig. Fragt man sich nun, ob das über­haupt funk­tio­niert, dann ist die Ant­wort: Nein, tut es nicht.

Über­schlägt man es grob, ver­sucht Dreh­buch­au­torin und Wizar­ding World-Schöp­fe­rin J.K. Row­ling hier einen Ein­blick in die Gefühls­welt von circa zehn Cha­rak­te­ren zu geben und die­sen soweit eine Ent­wick­lung zu ermög­li­chen, dass ihre Geschichte die Zuschauer emo­tio­nal packt.

Hier fällt auf, dass Row­ling eher Buch- als Dreh­buch­au­torin ist, denn mit solch einer Viel­zahl an Figu­ren zu han­tie­ren, ohne, dass wel­che hin­ten über­fal­len, ist viel­leicht in sie­ben Büchern – wie bei Harry Pot­ter – zu bewerk­stel­li­gen, aber kaum bis gar nicht im Film. All­ge­mein fal­len Row­lings Ursprünge als Buch­au­torin hier sehr auf, denn der Film wirkt eher so, als hätte es ein Buch sein sol­len, wel­ches für das Kino zusam­men­ge­kürzt wer­den musste.

Mehr Kon­text, Baby!

Neben so viel Cha­rak­ter­ent­wick­lung auch noch eine durch­dachte und kon­sis­tente Geschichte zu erzäh­len, scheint da schier unmög­lich, sodass auch immer wie­der Ver­wir­rung und Kon­text­lü­cken auf­tau­chen. Am prä­gnan­tes­ten merkt man diese Lücken etwa bei sze­ni­schen Übergängen.

Als Bei­spiel die Szene, wel­che dem Film noch die Berech­ti­gung gibt, warum im Titel „Phan­tas­ti­sche Tier­we­sen“ steht. So sind, zusam­men mit Credence und Nagini, meh­rere Tier­we­sen aus dem Zir­kus aus­ge­bro­chen und wan­dern nun durch Paris. Dar­un­ter ist ein chi­ne­si­sches, kat­zen-hund-dra­chen­ar­ti­ges Wesen, das eine Spur der Zer­stö­rung hinterlässt.

Haben sich die drei Hel­den Newt, Tina und Jacob in einer vor­he­ri­gen Szene noch aus einem Gefäng­nis in der Kana­li­sa­tion befreit, so sind sie nach einem Schnitt mit­ten im Gesche­hen und in der Inter­ak­tion mit dem Tier­we­sen. Zwar ist das Appa­rie­ren – Tele­por­ta­tion – hier die wahr­schein­lichste Erklä­rung, doch obwohl diese Hand­lung nur eine Sekunde dau­ert, wird sie nicht gezeigt und es kommt zu einem unan­ge­neh­men Hardcut.

Hier wird sicht­bar, wie der Film bei­nahe lose zusam­men­ge­schnit­ten wirkt, denn obwohl die­ses Tier­we­sen spä­ter noch kurz wich­tig wird, macht diese Szene den Ein­druck, im Hand­lungs­ver­lauf kom­plett „out of con­text“ zu sein. Es hätte bes­sere Momente gege­ben, dies in die Hand­lung einzubetten.

Für Mug­gel teil­weise geeignet

Ein gro­ßer Plus­punkt an den „Harry Potter“-Filmen war, dass man als Zuschauer mit Harry zusam­men die magi­sche Welt und ihre wun­der­vol­len Eigen­hei­ten ken­nen­ge­lernt hat. Es kam nie das Gefühl auf, dass Harry mehr über die Welt wusste als der Zuschauer selbst. So war es mög­lich, Teil die­ses Uni­ver­sums zu wer­den, ohne als Außen­sei­ter dazustehen.

Die neuen Filme der Wizar­ding World neh­men da nicht gerade Rück­sicht auf Ver­luste. Wo Harry noch die rich­tige Aus­spra­che ler­nen musste – es ist Win­gar­dium LiviOsa, nicht Livio­saaaaa – wer­den Zau­ber neu­er­dings nur noch sel­ten wirk­lich aus­ge­spro­chen und auch ihre Effekte muss man sich irgend­wie zusammenreimen.

Ein­zig Newt Sca­man­der scheint noch Wert dar­auf zu legen, dass der Zuschauer in der Welt mit­kommt. Taucht ein neues Tier­we­sen auf, so ver­mit­telt er einen kur­zen, prä­gnan­ten und hilf­rei­chen Über­blick über des­sen Her­kunft und Lebens­weise. Zieht Row­ling die­ses Schema wei­ter durch die kom­men­den drei Filme, so wer­den höchs­tens wahre Potter­heads noch das kom­plette Aus­maß eini­ger Ent­schei­dun­gen und Hand­lun­gen begreifen.

Wie Star Trek nur mit weni­ger Klingonen

Auch wenn der Film „Phan­tas­ti­sche Tier­we­sen 2“ inhalt­lich eher mau aus­fällt, sind die Effekte, wie im ers­ten Teil, beein­dru­ckend und para­dox rea­lis­tisch – para­dox daher, da das Unrea­lis­ti­sche (Magie) so rea­lis­tisch und glaub­haft erscheint.

Im direk­ten Ver­gleich „Phan­tas­ti­sche Tier­we­sen“ und „Harry Pot­ter“, ist das Star Trek-Uni­ver­sum ein pas­sen­des Eben­bild. So wirkt die Tech­nik in den heu­ti­gen Fil­men und Serien des Si-Fi-Klas­si­kers bei wei­tem bes­ser und weni­ger dilet­tan­tisch als damals, obwohl die meis­ten die­ser neuen Werke meh­rere Jahr­hun­derte vor ihren Vor­la­gen spielen.

Im Wizar­ding World-Uni­ver­sum wirkt nun die Magie in Hog­warts zu Harry Pot­ters Schul­zeit eher wie eine abge­speckte Demo-Magie-Ver­sion gegen das, was in den neue­ren Fil­men – die eigent­lich vor der Zeit Harry Pot­ters spie­len – prä­sen­tiert wird.

#name­drop­ping

Ob nun gut oder schlecht, das soll wohl jeder für sich ent­schei­den, setzt J.K. Row­ling, neben dem Aus­bau von grö­ße­ren, bekann­ten Cha­rak­te­ren – wie etwa Albus Dum­ble­dore – ebenso auf teils schlecht durch­dach­ten Fan-Ser­vice. Bei­spiels­weise taucht hin­ter­gründ­lich in Hog­warts die aus den Harry Pot­ter-Fil­men bekannte Leh­re­rin Minerva McGo­na­gall auf. Ihr Auf­tau­chen ist jedoch nur durch irgend­eine Art von Zeit­reise zu erklä­ren, denn zu die­ser Zeit wäre eben jene Minerva McGo­na­gall noch gar nicht geboren.

Auch die Rolle, die der Alche­mist Nico­las Fla­mel im Film spielt, hätte einer der ande­ren Cha­rak­tere leicht über­neh­men kön­nen. Was die­sem in sei­ner oder ihrer Cha­rak­ter­ent­wick­lung gut getan hätte. Für die paar Sze­nen, in denen Fla­mel auf­taucht, wäre es echt nicht wich­tig gewe­sen, ihn als noch einen wei­te­ren Cha­rak­ter einzuführen.

Vom Dreh­buch gefesselt

Auch wenn viele Johnny Depp als Grin­del­wald im ers­ten Teil eher skep­tisch gegen­über­stan­den, ist zu sagen, dass er hier eine wirk­lich gute Per­for­mance ablegt. Ebenso mimt Eddie Red­mayne Newt erneut auf eine wun­der­bare Weise. Ihm scheint diese Rolle des tier­lie­ben, nai­ven Zau­be­rers wie auf den Leib geschnit­ten zu sein. Das große Pro­blem liegt hier wohl beim Dreh­buch, wel­ches die Schau­spie­ler so sehr ein­engt, dass selbst das ver­suchte Um-das-Dreh­buch-Her­um­spie­len eini­ger Schau­spie­ler nur teil­weise gelingt.

Selbst Regis­seur David Yates, der mit den Harry Pot­ter-Fil­men vier bis acht bewie­sen hat, dass er diese Welt gut insze­nie­ren kann, scheint hier vom Dreh­buch stark ein­ge­schränkt zu sein. J.K. Row­lings Hand­habe über die Geschichte der Wizar­ding World scheint in vie­len Aspek­ten Fluch und Segen zugleich zu sein.

Wenigs­tens die Tier­we­sen sind fantastisch

Kon­zen­trierte sich der erste Teil der „Phan­tas­ti­schen Tier­we­sen“ noch auf eine Hand­voll Cha­rak­tere, so ist „Grin­del­walds Ver­bre­chen“ schier über­la­den damit, was logi­sche und nach­voll­zieh­bare Cha­rak­ter- und Welt­ent­wick­lun­gen bei­nahe unmög­lich macht.

Der Kino­be­such lohnt sich hier eher für die gran­dio­sen Effekte und für das Ein­tau­chen in die Welt. Wer ein­fach wis­sen will, wie die Geschichte wei­ter­geht, für den ist es eher rat­sam, sich die DVD/­Blu-ray mal auszuleihen.

Phan­tas­ti­sche Tier­we­sen: Grin­del­walds Ver­bre­chen. Regie: David Yates. Dreh­buch: J.K. Row­ling. Dar­stel­ler: Eddie Red­mayne, Johnny Depp, Jude Law u.a. War­ner Bros. Pic­tures. 2018.

Bild: War­ner Bros.

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