Nina Hundertschnee im Interview

by Worteweberin Annika

„Nor­mal“ gibt es. Denn – und hier möchte ich Richard von Weiz­sä­cker zitie­ren – „es ist nor­mal, ver­schie­den zu sein.“ Jeder Mensch ist etwas Beson­de­res und doch sind wir in vie­len Din­gen auch gleich.

Mit „Leopeule“ hat Nina Hun­dert­schnee ein Bil­der­buch über das Anders­sein geschrie­ben. Anläss­lich des Welt­tags des Down-Syn­droms am 21. März hat sie Worte­we­be­rin Annika ver­ra­ten, was für sie „nor­mal“ bedeu­tet, wie man Vor­ur­teile abbaut und wel­che Rol­len Eulen für sie spielen.

Bücher­stadt Kurier: Mögen Sie sich unse­ren Lese­rin­nen und Lesern kurz vorstellen?

Nina Hun­dert­schnee: Ich bin Nina Hun­dert­schnee, Schrift­stel­le­rin, 41 Jahre alt, komme aus Ber­lin und lebe dort mit mei­nem Mann, mei­nen bei­den Kin­dern und ganz vie­len Büchern.

BK: Gerade wurde Ihr Bil­der­buch „Leopeule“ ver­öf­fent­licht. Worum geht es denn in der Geschichte und wie kamen Sie auf das Thema?

NH: Leopeule ist eine kleine Eule, die anders als ihre Geschwis­ter zur Welt kommt. Ihre Federn sind mit unzäh­li­gen Punk­ten über­sät und all das, was die ande­ren Eulen­kin­der kön­nen, fällt ihr schwer. Auf­grund ihres Anders­seins traut sie sich selbst nichts zu – bis sie ent­deckt, dass auch sie ein ganz beson­de­res Talent besitzt.

2016 ist meine Toch­ter mit Behin­de­rung zur Welt gekom­men. Die Ärzte sag­ten uns nach der Geburt vor­aus, was unsere Toch­ter vor­aus­sicht­lich alles nicht kön­nen wird. Vie­les davon hat sich als unzu­tref­fend her­aus­ge­stellt. Statt Sta­tis­ti­ken zu trauen, sollte man auf sein Herz hören und unvor­ein­ge­nom­men sein. Das bedeu­tet nicht, das Anders­sein nicht wahr zu neh­men. Es bedeu­tet, einem Men­schen, ganz gleich, wie er auf die Welt gekom­men ist, mit Liebe und einer posi­ti­ven Erwar­tungs­hal­tung zu begeg­nen: Näm­lich der, dass in ihm etwas Wert­vol­les steckt.

BK: Auf die kleine Leopeule im Buch reagie­ren die ande­ren Vögel zuerst mit Über­ra­schung. Die Eltern ver­su­chen, sie zu waschen, damit sie wird wie die ande­ren Eulen. Waren die Reak­tio­nen in Ihrem Umfeld ver­gleich­bar, als Ihre Toch­ter mit Tri­so­mie 21 gebo­ren wurde?

NH: Über­ra­schung ist ja eigent­lich etwas Nor­ma­les in so einer Situa­tion, gerade, wenn Eltern erst nach der Geburt erfah­ren, dass ihr Kind mit einer Behin­de­rung zur Welt gekom­men ist. Leopeu­les Eltern ver­su­chen die Fle­cken abzu­wa­schen, da sie zunächst nicht recht glau­ben kön­nen, was sie sehen. Trotz­dem lie­ben sie Leopeule. Nach der Geburt mei­ner Toch­ter hat mein direk­tes Umfeld toll reagiert, uns zur Geburt unse­rer Toch­ter beglück­wünscht und sie wie jedes andere Kind behan­delt. Genau das wün­sche ich mir auch vom wei­te­ren Umfeld.

BK: Viele Reak­tio­nen haben sicher­lich ihren Ursprung in Vor­ur­tei­len. Wie kann man die abbauen?

NH: Der beste Weg ist sicher zu zei­gen, dass man nicht unter sei­nem Anders­sein „lei­det“. Wenn man sich selbst und sein Leben so akzep­tiert, wie es ist und eine posi­tive Lebens­ein­stel­lung hat, strahlt diese auch auf andere aus und bewirkt einen Wan­del. Es gibt viele tolle Blogs, die Vor­ur­teile abbauen, zum Bei­spiel not​jus​t​down​.com oder made​for​motti​.de.

BK: Am Ende erken­nen alle Vögel im Wald, dass die Leopeule „genau wie wir ein ganz beson­de­res Tier“ ist. „Nor­mal“ hin­ge­gen gibt es gar nicht. Wie prägt das Ihren Familienalltag?

NH: Oh, doch, „nor­mal“ gibt es. Denn – und hier möchte ich Richard von Weiz­sä­cker zitie­ren – „es ist nor­mal, ver­schie­den zu sein.“ Jeder Mensch ist etwas Beson­de­res und doch sind wir in vie­len Din­gen auch gleich. Genau so ist auch unser Fami­li­en­all­tag: Ganz nor­mal mit ein paar Besonderheiten.

BK: Ken­nen Sie andere Kin­der­bü­cher zum Thema Tri­so­mie 21 oder Anders-Sein und Diver­si­tät, die Sie unse­ren Lese­rin­nen und Lesern ans Herz legen können?

NH: Ich mag die Bücher von Lau­ren Child sehr gerne, weil sie Viel­falt in humor­vol­len Geschich­ten aus dem kind­li­chen All­tag ver­packt. Zu Tri­so­mie 21 kann ich Birte Mül­lers Buch „Pla­net Willi“ und „Flo­rian lässt sich Zeit“ von Adele San­sone empfehlen.

BK: In „Leopeule“ sind die Prot­ago­nis­ten Eulen und andere Vögel. Haben die eine beson­dere Bedeu­tung für Sie?

NH: Meine Mut­ter sam­melt Eulen, ich war meine ganze Kind­heit von ihnen umge­ben. Inso­fern war es nur eine Frage der Zeit, bis ich ein Buch schreibe, das sich um Eulen dreht.

BK: Wie kam es eigent­lich dazu, dass Sie Kin­der­buch­au­torin wurden?

NH: Ich habe mir schon als Kind Geschich­ten aus­ge­dacht, sie auf­ge­schrie­ben und an Freunde ver­schenkt. Für mich war schon früh klar: Ich werde Schrift­stel­le­rin. Dass ich für Kin­der schreibe, hat sich dar­aus erge­ben, dass mir ein­fach viele Geschich­ten für Kin­der ein­fal­len. Ich habe aber auch Ideen für eine ältere Ziel­gruppe. Ich schreibe ein­fach das auf, was mich fas­zi­niert und was „aus mir raus will“.

BK: Wel­che Pro­jekte haben Sie als nächs­tes geplant? Gibt es schon Ideen für neue Bücher?

NH: Als nächs­tes erschei­nen von mir eine Samm­lung mit Advents­ka­len­der­ge­schich­ten und ein neues Pixi-Buch von Albert Ein­schwein. Ich habe einen fer­ti­gen Roman in der vir­tu­el­len Schub­lade und eine Hand voll Ideen für neue Bücher. Eins davon ist für Erwachsene.

BK: Was lesen Sie selbst in Ihrer Frei­zeit denn eigent­lich am liebsten?

NH: Am liebs­ten lese ich gerade humor­volle Bücher.

BK: Und wie ist das mit Ihren Kin­dern – lesen Sie ihnen aus Ihren eige­nen Büchern vor, oder haben sie andere Favoriten?

NH: Wir gehen gerne in die Büche­rei und dort suchen sich meine Kin­der dann ganz alleine das aus, was ihnen gefällt. Außer­dem habe ich noch Bücher aus mei­ner Kind­heit, die ich toll fand, und die ich gerne vor­lese. „Pony, Bär und Apfel­baum“ und die Geschich­ten von Willi Wiberg zum Bei­spiel. Und natür­lich sind meine Kin­der die ers­ten, die meine Geschich­ten hören dürfen!

BK: Unsere typi­schen, bücher­städ­ti­schen Fra­gen dür­fen natür­lich nicht feh­len: Wel­che Frage haben Sie sich schon immer für ein Inter­view gewünscht und was ist Ihre Ant­wort darauf?

NH: Die nächste Frage finde ich groß­ar­tig und für die Ant­wort musste ich nicht lange überlegen.

BK: Und zum Schluss: Wenn Sie selbst ein Buch wären, wel­ches wäre das dann?

NH: Ganz klar: Die Unend­li­che Geschichte.

BK: Vie­len Dank für das Interview!

Foto: Hoffo­to­gra­fen Berlin

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