Offenkundig, lieber Watson!

by Buchstaplerin Maike

An einem Mann kommt man in letz­ter Zeit ein­fach nicht vor­bei. Seien es Action-Filme, moderne TV-Serien oder neue Romane: Sher­lock Hol­mes hat die Medien fest im Griff. Und zwi­schen all den neuen Spiel­ar­ten um den größ­ten Detek­tiv aller Zei­ten hat Anthony Horo­witz mit „Das Geheim­nis des wei­ßen Ban­des“ einen ganz klas­si­schen Hol­mes auf den Buch­markt gebracht, der sich zu Recht im Unter­ti­tel „Der neue Sher­lock Hol­mes Roman“ nen­nen darf. – Von Buch­stap­le­rin Maike

Eng­land, wäh­rend des Ers­ten Welt­krie­ges: John Wat­son ver­bringt sei­nen Lebens­abend in einem Pfle­ge­heim und erin­nert sich noch ein­mal an seine auf­re­gen­den Zei­ten mit Sher­lock Hol­mes. Noch ein­mal einen Fall auf­schrei­ben – und zwar den skan­da­lö­ses­ten, den das Duo je erlebt hat…

Im Jahre 1890 kommt ein Kunst­händ­ler in die 221B Baker Street und bit­tet Hol­mes um Hilfe. Er glaubt, ein ame­ri­ka­ni­scher Ganove ist ihm nach Eng­land gefolgt und will nun Rache üben. So ein­fach, wie der Fall zunächst anmu­tet, ist er jedoch nicht. Als ein Stra­ßen­junge, der unter Hol­mes‘ Obhut steht, grau­sam ums Leben kommt, begin­nen die Stränge des Falls in alle Rich­tun­gen zu zer­fa­sern. Warum hat man der Lei­che ein wei­ßes Sei­den­band umge­bun­den? Und warum ver­setzt allein die Erwäh­nung des mys­te­riö­sen House of Silk Lon­dons höchste Kreise in Auf­ruhr? Als die Ermitt­lun­gen eska­lie­ren, steht Hol­mes plötz­lich selbst unter Mord­ver­dacht. Auf sich allein gestellt, muss Wat­son sich beweisen…

Wer einen ech­ten, auf gute Art alt­mo­di­schen Hol­mes sucht, wird hier fün­dig. Geschickt weiß Horo­witz, die Atmo­sphäre und die ganze Welt der Conan Doyle Geschich­ten ein­zu­fan­gen. Doch auch wenn die Spra­che den Ori­gi­na­len ange­nä­hert ist, wirkt sie nicht ver­staubt. Im Gegen­teil: Gerade Hol­mes‘ Per­sön­lich­keit und die geist­rei­chen Wort­ge­fechte zwi­schen Detek­tiv und Bio­gra­phen sind so gut dar­ge­stellt, dass dem Leser das ein oder andere Schmun­zeln ent­lockt wird. Auch das häu­fige Auf­grei­fen von Anek­do­ten aus ande­ren Geschich­ten aus Conan Doyles Feder lockern die Lek­türe auf und las­sen die Lek­türe noch authen­ti­scher wirken.

Dass mit die­sem Roman Hol­mes‘ und Wat­sons skan­da­lö­ses­ter Fall nie­der­ge­schrie­ben sein soll, gerade aus vik­to­ria­ni­scher Sicht, kann nur bejaht wer­den. Horo­witz ver­webt ein Grauen, das auch die zeit­ge­nös­si­schen Medien beherrscht, mit der Düs­ter­nis und der schein­hei­li­gen Moral Ende des 19. Jahr­hun­derts. Die Auf­lö­sung des Falls ließ mir bei­nahe das Blut in den Adern gefrie­ren. Denn wie­der ein­mal zeigt sich: die größ­ten Schre­cken lau­ern in den Abgrün­den der mensch­li­chen Seele.

Nicht umsonst hat der Conan Doyle Estate „Das Geheim­nis des wei­ßen Ban­des“ – bis zu die­sem Zeit­punkt als ein­zi­gen neuen Sher­lock Hol­mes – als Nach­fol­ger des Kanons auto­ri­siert. Ein klas­si­scher Hol­mes, aber den­noch sehr aktuell.

Wer sich also bis zur nächs­ten Staf­fel von BBC Sher­lock, dem nächs­ten Guy Rit­chie Film oder dem für 2015 ange­kün­dig­ten Film „Mis­ter Hol­mes“ mit Sir Ian McKel­len nicht gedul­den kann, kann sich mit „Das Geheim­nis des wei­ßen Ban­des“ sehr gut das War­ten ver­sü­ßen. Und selbst dann war­tet Horo­witz schon mit einem Nach­fol­ger auf…

Das Geheim­nis des wei­ßen Ban­des. Anthony Horo­witz. Über­set­zung: Lutz‑W. Wolff. Insel. 2013.

Mehr über „Sher­lock Hol­mes“ könnt ihr in der 10. Aus­gabe lesen!

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8 comments

Elvira 24. November 2014 - 19:13

Ich war kein gro­ßer Sher­lock-Fan, bis ich die in der Jetzt­zeit spie­len­den Fol­gen mit Bene­dict Cum­ber­batch in der Rolle des Detek­tivs gese­hen habe. Wenn ich nun die­ses Buch lesen werde, und das ich das werde, steht außer Frage, wird mir wohl die­ses Fern­seh­ge­spann durch die Sei­ten geistern.

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Bücherstadt Kurier 24. November 2014 - 20:15

Toll, dass ich dir Lust auf das Buch machen konnte. Bei mir hat die BBC Serie auch zum Auf­flam­men mei­ner Liebe zu Hol­mes (in allen Aus­prä­gun­gen) geführt. Der Hol­mes von Conan Doyle / Horo­witz ist natür­lich ein ande­rer als der von Moffat und co. – aber so manch­mal hat sich auch mir der neue Wat­son ins Kopf­kino geschli­chen. 😉 (Maike)

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Elvira 25. November 2014 - 17:31

Ich habe mir das Buch eben gekauft und bin sehr gespannt!

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Bücherstadt Kurier 1. Dezember 2014 - 10:11

Liebe Elvira, hast du das Buch schon gele­sen? Wie fin­dest du es? 🙂

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Elvira 1. Dezember 2014 - 10:24

Sorry, ich wollte ant­wor­ten und bin auf das „Gefällt Dir“ Stern­chen gekom­men. Nein, ich habe es noch nicht gele­sen, werde aber heute Abend mit der Lek­türe begin­nen. Und dann berichte ich natür­lich über meine Eindrücke.

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Das Böse stirbt zuletzt | Bücherstadt Kurier 2. Dezember 2014 - 19:12

[…] über Sher­lock Hol­mes schrei­ben? Das kann ja jeder! Anthony Horo­witz beweist im Nach­fol­ger von „Das Geheim­nis des wei­ßen Ban­des“, dass man auch den Napo­leon des Ver­bre­chens in den Fokus stel­len kann. Hier ste­hen die Ermittler […]

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Elvira 3. Dezember 2014 - 21:45

Ich habe das Buch an zwei Aben­den gele­sen. Es liest sich flüs­sig und ich brauchte kaum zwei, drei Sei­ten um mich ein­zu­le­sen. Nun habe ich ja schon geschrie­ben, dass ich kein Sher­lock Hol­mes Fan bin. Ich habe kei­nes der Bücher von Sir Arthur Conan Doyle gele­sen. Daher kann ich kein Urteil dar­über abge­ben, ob ihm die­ses Buch in Form und Stil gerecht wird. Mir fiel aber auf, dass Horo­witz Wör­ter benutze, die Doyle wahr­schein­lich so nicht gewählt hätte. Wobei es immer­hin auch mög­lich wäre, dass es an der Über­set­zung liegt. Ich habe lei­der keine Lese­zei­chen gesetzt und müsste noch ein­mal nach den genauen Stel­len suchen, erin­nere mich aber, dass ein­mal von einer „Live“ Bege­ben­heit gespro­chen wurde. Das ist ein heute im Deut­schen gän­gi­ger Begriff. Ansons­ten hat mich das Buch gut unter­hal­ten. Der Plot war gut, der Auf­bau stim­mig. Mir fehlte aber ein Quänt­chen Span­nung, die­ses Gefühl, ein Buch nicht aus der Hand legen zu kön­nen, es wei­ter lesen zu müs­sen gegen jeden Anflug der Müdig­keit. Wei­ter emp­feh­len kann ich es aber auf jeden Fall!

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Bücherstadt Kurier 4. Dezember 2014 - 13:53

Schön, dass auch ein Hol­mes-Muf­fel das Buch ver­schlun­gen hat 😉
Zur Spra­che: Natür­lich wird man nie ganz so schrei­ben kön­nen, wie 1890. Ich kann lei­der nicht viel dazu sagen, ob die Aus­drü­cke, die du erwähnst, auch in der Ori­gi­nal­aus­gabe aus dem Rah­men fal­len, oder ob das den Ent­schei­dun­gen des Über­set­zers zuzu­schrei­ben ist. Aber für mich ließ sich alles flüs­sig und ohne Stö­rung lesen. Sag gerne Bescheid, wenn du die Seite fin­dest – viel­leicht hab ich ja was über­le­sen? (Maike)

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