OMNIS – ein Spiel für Sehende und Blinde

by Wortklauberin Erika

„Blind ins Unge­wisse“ erhält eine ganz neue Bedeu­tung bei „Omnis“, dem Spiel für Sehende und Blinde. Wort­klau­be­rin Erika hat sich mit Verena und Mag­da­lena aus dem Ent­wick­ler­team getrof­fen, um über ihr Pro­jekt zu sprechen.

Das Spiel­brett sieht auf den ers­ten Blick ganz nor­mal aus: Vier Arten von Spiel­stei­nen, die mit unter­schied­li­chem Mate­rial beklebt sind, lie­gen ver­deckt auf dem Feld. Man bewegt die eigene Figur dar­über und sam­melt diese vier ver­schie­de­nen Ele­mente. Ziel des Spiels ist es, die „Omnistase“ zu errei­chen – die­selbe Anzahl jeder Art von Spiel­stein zu sam­meln – und damit auf das große Feld in der Mitte zu ziehen.

Das Spiel ist eigent­lich nicht als ein kom­pe­ti­ti­ves Spiel gedacht, aber irgend­wie doch, mer­ken die bei­den Spiel­ent­wick­le­rin­nen Verena und Mag­da­lena lächelnd an – sonst werde es schnell doch irgend­wie langweilig.

Ein Spiel wie kein anderes

Auch sonst ist „Omnis“ ein Spiel, das es in die­sem For­mat nicht gibt: Es wen­det sich an Sehende und Blinde glei­cher­ma­ßen, wobei sich Sehende, um rich­tig zu spie­len, die Augen ver­bin­den müssen.

Verena, Mag­da­lena und Debbie – die dritte im Bunde – sind in ihrer Recher­che zu Spie­len für Blinde schnell auf ein zen­tra­les Pro­blem gesto­ßen: Die meis­ten Spiele sind nicht auf die Bedürf­nisse von Blin­den abge­stimmt. Meis­tens wer­den Spiele für Sehende ein­fach adap­tiert. Hinzu komme, dass Spiele für Blinde häss­lich seien, erklä­ren Verena und Mag­da­lena in unse­rem Gespräch.

Debbie, Magda und Verena – eigent­lich Debbie Fry, Mag­da­lena Bock und Verena Edel­bauer – haben OMNIS als Schul­ab­schluss­pro­jekt begon­nen. Sie hat­ten an ihrer dama­li­gen Schule, der Wie­ner Gra­phi­schen, einen Schwer­punkt auf Design: Des­halb war es beson­ders wich­tig, ein gra­fisch und hap­tisch schö­nes Spiel zu entwickeln.

Ein ewi­ges „Work in Progress“

Dabei ist „Omnis“, das sei­nen Namen aus dem Latei­ni­schen ent­lehnt, noch ein „Work in Pro­gress“ (Stand: 2017). In der ers­ten Ver­sion war das Spiel noch kom­pak­ter und kom­pli­zier­ter, erzäh­len die bei­den Jung-Ent­wick­le­rin­nen: Alles war in einer Art ‚Schub­lade‘ geord­net, das Design stand im Vor­der­grund. Das Ent­wick­ler­team, das das Spiel noch in Schul­zei­ten begon­nen hat, hatte damals noch wenig Erfah­rung mit den vie­len Din­gen, die beach­tet wer­den müssen.

Zum Zeit­punkt unse­res Tref­fens ist das Spiel in sei­ner drit­ten Ver­sion und ver­än­dert sich wei­ter. Fra­gen, die diese Ver­än­de­run­gen bestim­men, sind etwa: Wie erken­nen Blinde, dass sie die Spiel­steine umdre­hen müs­sen? Ist das Spiel zu klein oder zu groß gehal­ten? Wel­che Mate­ria­lien füh­len sich unter­schied­lich genug an? Kann man Kar­ten mit Braille-Schrift ver­wen­den, oder lie­ber nicht?

Dabei spie­len die Ein­drü­cke von sehen­den und blin­den Spie­le­tes­te­rin­nen und ‑tes­tern eine große Rolle. Die aktu­elle Ver­sion besteht aus Holz­tei­len, die in Eigen­re­gie erstellt und ver­edelt wur­den: „Blinde mögen Plas­tik vom Anfas­sen her nicht so gerne“, ver­ra­ten Mag­da­lena und Verena.

Ein vol­ler Erfolg!

Die Idee der drei wurde schnell aner­kannt – so schnell, dass sie noch vor der Matura (dem öster­rei­chi­schen Abitur) als Teil des För­der­pro­gramms AWS First, das Jung­grün­de­rin­nen und ‑grün­der finan­zi­ell unter­stützt, geför­dert wur­den. Zugleich haben sich die drei mit „Omnis“ auch bei dem Wett­be­werb „Jugend Inno­va­tiv“ ange­mel­det und in der Kate­go­rie Design gewon­nen. Der Erfolg kam rasant – so rasant, dass die drei neben der Abschluss­prü­fung einen Mes­se­stand vor­be­rei­tet haben.

Trotz der uner­war­te­ten Hek­tik emp­fin­den die drei die ganze Erfah­rung als „super!“. Dabei haben sie nicht geglaubt, dass „Omnis“ auf so viel Inter­esse sto­ßen würde: Hin­ter dem Spiel steckt sehr viel, und es wurde auch schon ein Pro­to­typ an einen Spie­le­ver­lag gesen­det. Auch wenn der wirt­schaft­li­che Fak­tor nicht zu ver­nach­läs­si­gen sei, ver­fol­gen die drei nicht das Ziel, mit dem Spiel das große Geld zu machen.

Einen Pro­to­typ zum Ver­kauf gibt es lei­der nicht: Die Pro­duk­tion ist schwie­rig, die Aus­wahl der Mate­ria­lien beschäf­tigt die drei bis heute – es ist näm­lich wich­tig, dass sie nicht zu schnell ver­schlei­ßen, aber den­noch zusammenpassen.

Erfah­rung mit dem Blindsein

Die erste Ver­sion des Spiels war stär­ker auf das Design aus­ge­rich­tet, aber noch nicht auf Blinde. Des­halb haben sich die drei Spie­le­ent­wick­le­rin­nen mit Blin­den selbst zusam­men­ge­tan, um das Spiel für sie zu opti­mie­ren. Dabei sind sie auch auf unge­ahnte Her­aus­for­de­run­gen gesto­ßen. Die bar­rie­re­freie Gestal­tung der Web­seite etwa sei schwie­rig gewe­sen, da Lese­hil­fen Web­sei­ten anders erfas­sen als das Auge.

Im Kon­takt mit blin­den Spie­le­tes­te­rin­nen und ‑tes­tern haben sie außer­dem einige kuriose Ent­de­ckun­gen gemacht. Als die drei das erste Mal in einem Blin­den­zen­trum zu Besuch waren, ist ihnen ein Junge begeg­net. Seine erste Frage war: „Seid ihr Sehende? Ich suche meine Sport­ta­sche.“ Dane­ben sorg­ten einige Geräte für Erstau­nen: Smart­pho­nes für Blinde und Lese­ge­räte für Far­ben seien „sehr kurios“. Auch fan­den die drei ein Wür­fel­ge­rät sehr span­nend: Es sehe aus wie ein Walk­man, auf dem ver­schie­dene Pro­gramme aus­ge­wählt wer­den können.

Leben vs. „OMNIS“

Nach­dem das Team OMNIS als Abschluss­pro­jekt erar­bei­tet hat, kommt ihnen doch auch das Leben dazwi­schen. Die Koor­di­na­tion von „Omnis“ und dem Stu­dium – Mag­da­lena ist in Bel­gien, Debbie in der Schweiz und Verena in Öster­reich – ist manch­mal schwie­rig. Die totale Umstel­lung sei nach dem Schul­ab­schluss gekom­men. Es sei wich­tig für die drei, alle Beschlüsse gemein­sam zu fas­sen. Mit der räum­li­chen Ent­fer­nung und unter­schied­li­chen Stu­di­en­or­ten ist dies jedoch nicht immer ganz ein­fach. Des­halb haben die drei das große Pro­jekt „Omnis“ auch vor­erst eingestellt.

Und was für ein Buch wären die bei­den des Omnis-Teams?

Mag­da­lena: „Mein Lieb­lings­buch – Die Stadt der Träu­men­den Bücher.
Verena: „Shades of Grey von Jasper Fforde. Ich mag neue Wel­ten, die total lächer­lich wir­ken, aber in sich alles Sinn ergibt. Dann gibt es total viele Anspielungen.“

Ein Bei­trag zum Spe­cial #Kun­ter­bunt. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

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