Our house: Auerhaus

by Bücherstadt Kurier

Birth, school, work, death. Soll das etwa alles sein im Leben? Um sich das Gegen­teil zu bewei­sen, zie­hen die fünf jugend­li­chen Prot­ago­nis­ten aus Bov Bje­rgs neuem Roman „Auer­haus“ zusam­men in eine WG und ver­su­chen dort, das Leben ihres Freun­des Frie­der zu ret­ten. Wie ihnen das gelingt, hat Worte­we­be­rin Annika nachgelesen.

Warum will sich jemand umbrin­gen, noch bevor er über­haupt das Abitur in der Tasche hat? Das kann (oder mag) nicht ein­mal Frie­der selbst rich­tig erklä­ren, aber die Schlaf­ta­blet­ten hat er trotz­dem geschluckt. Jetzt lebt er aber noch und zieht des­we­gen nach einer Zeit im Heim in eine Wohn­ge­mein­schaft. Erst ein­mal sind sie zu viert: Frie­der, Cäci­lia, Vera und ihr Freund, der Ich-Erzäh­ler. Spä­ter kom­men noch Harry und Pau­line dazu. Die meiste Zeit ver­brin­gen sie damit, zu reden, damit Frie­der nicht wie­der auf dumme Gedan­ken kommt. Dann ist da natür­lich noch die Schule, und bald auch das Abitur, Par­tys, die erste Liebe und die Poli­zei, die nicht ganz damit ein­ver­stan­den ist, dass die Jugend­li­chen ihre Schränke mit geklau­ten Lebens­mit­teln füllen.
Trotz­dem füh­len sie sich frei und irgend­wie auch glück­lich im „Auer­haus“, denn so wird ihr Haus von den Dorf­be­woh­nern nach dem Song von Mad­ness benannt, der in der Küche rauf und run­ter läuft. Irgend­wann ist es damit aber doch vor­bei. „Wir hat­ten immer so getan, als ob das Leben im Auer­haus schon unser rich­ti­ges Leben wäre, also ewig. Frie­der sagte: ‚Du hast die Augen zu und treibst auf dei­ner Luft­ma­tratze, ein sanf­ter Wind weht und du denkst, geil, jetzt lebe ich für den Rest mei­nes Lebens hier in die­ser Lagune, in der Süd­see. Und dann machst du die Augen auf und merkst, es ist bloß ein Nach­mit­tag am Bag­ger­see, und zack ist der auch schon vorbei.‘“
Für die Jugend­li­chen ist das Auer­haus nur eine Epi­sode auf dem Weg zu so etwas wie dem „Erwach­sen­sein“. Plötz­lich ist jeder wie­der für sich, ist alleine. Wie das so funk­tio­niert, könnte man viel­leicht als „ambi­va­lent“ beschrei­ben, und damit ein Wort ver­wen­den, das für Höpp­ner manch­mal auch ein­fach „beschis­sen“ hei­ßen kann. Aber nicht muss.

Das Auer­haus steht in einer klei­nen Stadt, in den 80er Jah­ren, da, wo man noch vol­ler Angst die Ein­la­dung zur Mus­te­rung aus dem Brief­kas­ten zieht, wo die alten Nach­barn kein Wort Eng­lisch spre­chen, von wo aus man nach Ber­lin trampt, um ein­fach mal raus zu kom­men und wo man nichts Schlim­me­res anstel­len kann, als an Hei­lig­abend den Gemein­de­tan­nen­baum umzuschlagen.
Von jeder ein­zel­nen Seite in Bov Bje­rgs Roman schlägt einem die­ses Lebens­ge­fühl ent­ge­gen, ver­mischt mit dem Gefühls­wirr­warr der Jugend. „Auer­haus“ ist aber des­halb weder nur ein Buch für sol­che, die selbst aus den 80ern stam­men, noch nur für sol­che, die selbst grade mit den Pro­ble­men des Erwach­sen­wer­dens kämp­fen. Die klare, unver­blümte Spra­che holt einen beim Lesen direkt ab, und jeder, der selbst ein­mal 18 war, kann sich wohl in dem einen oder ande­ren Satz selbst wiederfinden.
Gleich­zei­tig ist der Ich-Erzäh­ler, den man nur unter sei­nem Nach­na­men Höpp­ner ken­nen­lernt, sehr sym­pa­thisch und authen­tisch. Da ver­zeiht man ihm auch gerne, dass er die Geschichte nicht von Anfang bis Ende erzählt, son­dern seine eigene Rei­hen­folge ein­hält. Oder, dass er erst ver­sucht, ein schö­nes Ende zu erfin­den, um dann aber doch fest­zu­stel­len, dass das rich­tige Leben kei­nen Auto­pi­lot hat. Da sind die Lan­dun­gen här­ter. Diese har­ten Lan­dun­gen kön­nen manch­mal sogar zu Trä­nen rüh­ren, selbst wenn in „Auer­haus“ nie absicht­lich auf die Trä­nen­drüse gedrückt wird. Wer also Lust hat auf einen Abste­cher zurück in die Jugend oder eben auf das rich­tige Leben, ohne Auto­pi­lot, der ist bei „Auer­haus“ genau richtig.


Auer­haus. Bov Bjerg. Blu­men­bar. 2015.
Mehr über Bov Bjerg und „Auer­haus“ erfahrt ihr am 05.12.15 bei den Feuil­le­tö­nen!

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1 comment

Auf Umwegen zum Auerhaus – Bücherstadt Kurier 28. Januar 2016 - 13:43

[…] man sagt, Bov Bje­rgs Com­ing-of-Age-Roman „Auer­haus“ habe in Deutsch­land ziem­lich abge­räumt, dann ist das wohl nicht über­trie­ben. Wäh­rend Bremens […]

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