Outlast 2 – verdrängt und verfolgt

by Bücherstädter Peter

„Out­last“ steht seit dem ers­ten Teil für Dun­kel­heit, Panik indu­zie­rende Fluch­ten, expli­zite Gewalt und manch­mal durch­aus auf­ge­legte Schock­mo­mente. Code­jä­ger Peter hat sich auf dem Weg durch die Todes­stadt ver­irrt und musste sich dem alp­traum­haf­ten Wahn­sinn stellen.

„Out­last“ kommt mit sei­nem Hor­ror­set­ting, einer außer Kon­trolle gera­te­nen Irren­an­stalt, in der ver­rückte Ärzte und eine mys­te­riöse Firma Expe­ri­mente an den Insas­sen durch­füh­ren, sehr tra­di­tio­nell daher. Im Ver­gleich hierzu bedient sich „Out­last 2“ mit sei­nem fana­tisch reli­giö­sen Hin­ter­welt­ler­dorf zwar ähn­lich klas­si­scher Umge­bung, jedoch ver­birgt sich hin­ter der blu­ti­gen Fas­sade eine Reihe inter­es­san­ter und düs­te­rer Thematiken.

Sexu­el­les Trauma und Repression

Irgendwo in der Wüste von Ari­zona, in einer dünn besie­del­ten Gegend, deren Bewoh­ner wenig bis kei­nen Kon­takt zur Außen­welt haben, taucht eine ster­bende und schwan­gere Frau am Rand eines High­ways auf. Wochen spä­ter über­fliegt eine Repor­te­rin, beglei­tet von ihrem Ehe- und Kame­ra­mann (unser Spiel­cha­rak­ter) mit einem Nach­rich­ten­hub­schrau­ber die Gegend, um eine Repor­tage über die Ereig­nisse zu dre­hen. Gerade als sie dem Spie­len­den ver­rät, sie sei schwan­ger, kommt es wie es kom­men muss: Der Heli­ko­pter stürzt ab.

Wir erwa­chen in abso­lu­ter Dun­kel­heit, nur mit einer Kamera mit Nacht­sicht­funk­tion und begrenz­tem Bat­te­rie­vor­rat aus­ge­stat­tet. Von da an irren wir auf der Suche nach unse­rer Frau durch Wüs­ten, Wäl­der, Dör­fer und Tun­nel, stän­dig ver­folgt von fana­ti­schen Zelo­ten, einer per­ver­tier­ten Erlö­ser­fi­gur oder defor­mier­ten unter­ir­di­schen Geschöp­fen. Unter­bro­chen wird all das von Schleich­pas­sa­gen, dem Lesen ver­streu­ter Briefe, Noti­zen und umge­dich­te­ter Bibel­verse vol­ler Gewalt­phan­ta­sien und – am wich­tigs­ten – dem Auf­kei­men trau­ma­ti­scher Erin­ne­rung aus der Schul­zeit in einer katho­li­schen Privatschule.

Wir schlei­chen durch die nächt­li­chen Kor­ri­dore der Schule und wer­den dabei mit ver­dräng­ten Erin­ne­run­gen kon­fron­tiert. In diese drän­gen sich meta­pho­ri­sche Alb­träume, wel­che den Schre­cken der Wahr­heit in sich tra­gen. Und genau in sol­chen Sequen­zen liegt die Offen­ba­rung der eigent­li­chen The­ma­tik des Spiels: sexu­el­les Trauma und Repres­sion. Dabei hal­ten der Wahn­sinn und die Gewalt der Dorf­be­woh­ner mit ihren sich bekrie­gen­den Frak­tio­nen dem Prot­ago­nis­ten einen schmut­zi­gen Zerr­spie­gel sei­ner eige­nen Innen­welt vor. Seine stän­dige Flucht und die Unmög­lich­keit offe­ner Kon­fron­ta­tion sind die Sym­ptome einer im Kin­des­al­ter erfah­re­nen Machtlosigkeit.

Geteil­ter Wahn (Spoiler­war­nung)

Die Hand­lung wird umso kon­fu­ser je näher wir uns dem Ziel des Aben­teu­ers, der Ret­tung unse­rer schwan­ge­ren Frau, nähern. In glei­chem Maße zeich­net sich jedoch das Bild des Trau­mas immer kla­rer ab und bricht mehr und mehr in den schein­bar rea­len Alb­traum her­ein. Tat­säch­lich ver­steckt sich in der Spiel­welt, in Form einer Notiz in einem Schlaf­sack weit ent­fernt vom eigent­li­chen Weg, eine inner­fik­tio­nale Erklä­rung für den schein­bar anste­cken­den Wahn­sinn der Dorf­be­woh­ner und den Grund für die geteil­ten und ver­meng­ten Halluzinationen.
Das Dorf ist Opfer eines Expe­ri­ments jener Firma, die wir bereits aus dem ers­ten Teil ken­nen. Sie ver­sucht mit­hilfe von Radio­wel­len geteilte Hal­lu­zi­na­tio­nen bei den Men­schen aus­zu­lö­sen. Diese Erklä­rung ist zwar erlö­send für all jene, die keine Leer­stel­len in einer Erzäh­lung ertra­gen kön­nen, ändert aber mit ihrer Ent­mys­ti­fi­zie­rung nichts an Bot­schaft und Thematik.

Bald schon kön­nen wir unse­rer eige­nen Rea­li­tät nicht mehr trauen, immer flüs­si­ger gehen Gegen­wart und Ver­gan­gen­heit inein­an­der über, bis sich das eine Bild immer mehr aus­franst, wäh­rend das andere kon­kre­tere Form annimmt. Das Mons­ter aus Hän­den und Zun­gen, das uns durch die Schul­kor­ri­dore jagte, wird zum Ver­trau­ens­leh­rer, der eine Schuld­freun­din miss­brauchte. Die Schuld, von all dem gewusst zu haben, jedoch nicht in der Lage gewe­sen zu sein, ein­zu­schrei­ten, mani­fes­tiert sich in der unend­li­chen Flucht und der Unmög­lich­keit, die Bes­tien der Gegen­wart auch nur anzu­se­hen. Die inzes­tuöse und gewalt­tä­tige Welt des Dor­fes nimmt das Trauma des Prot­ago­nis­ten in den kol­lek­ti­ven Wahn auf und ver­sucht die schwan­gere Frau aus einer plötz­li­chen Angst vor der Geburt eines Kin­des, das sie als den Anti­christ anse­hen, zu opfern. Auch die Regeln der Welt schei­nen außer Kraft gesetzt zu sein. Absurde Raum- und Zeit­struk­tu­ren herr­schen, neun Monate Schwan­ger­schaft ver­ge­hen in eini­gen Stun­den, als das Kind gebo­ren wird ist nicht ein­mal sicher, ob es über­haupt existiert.

„Out­last 2“ ist ein Spiel, an des­sen Ende man sich unwohl fühlt. Noch unwoh­ler als wäh­rend der Hor­ror­se­quen­zen selbst. Die Gna­den­lo­sig­keit der Gewalt­dar­stel­lung und dräu­ende Ahnung einer noch viel schlim­me­ren Wahr­heit, die in das Game­play ein­flie­ßen­den Motive von Schuld und Ver­drän­gung sowie die Idee eines geteil­ten Wahn­sinns, der alle Sor­gen, Ängste und Trau­mata einer Gesell­schaft Wirk­lich­keit wer­den lässt, ist so bedrü­ckend wie auf furcht­bare Weise faszinierend.

Out­last 2. Stu­dio: Red Bar­rels. Publis­her: Red Barrels/Warner Bros. Inter­ak­tive, 2017. Platt­for­men: Play­sa­tion 4, Xbox One, PC. Spiel­er­zahl: 1.

Ein Fund aus der Todes­stadt.

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