Petra Hammesfahr

by Zeichensetzerin Alexa

Ich lege mehr Wert dar­auf, einen Men­schen so zu beschrei­ben, dass man glaubt, ihn per­sön­lich zu kennen.

*Klick* Foto © Petra Ham­mes­fahr face​book​.com/​P​e​t​r​a​H​a​m​m​e​s​f​ahr

Petra Ham­mes­fahr ist 1951 in Titz gebo­ren. Sie begann früh zu schrei­ben, wurde von ihren Eltern jedoch nicht wei­ter unter­stützt und machte des­halb eine Lehre als Ein­zel­han­dels­kauf­frau. Das Schrei­ben ließ sie jedoch nicht los, und so ver­suchte sie es immer wie­der mit einer Ver­öf­fent­li­chung. Nach mehr als 150 Absa­gen wurde schließ­lich 1991 ihr ers­ter Roman „Wer zwei­mal lebt, ist unsterb­lich“ ver­öf­fent­licht. Eine Zeit lang schrieb sie auch Dreh­bü­cher, heute gilt ihre volle Auf­merk­sam­keit aber ihren Roma­nen. Einige ihrer Werke wur­den bereits ver­filmt, zum Bei­spiel „Der Pup­pen­grä­ber“ und „Die Lüge“. Im März 2012 ist ihr neuer Roman „Die Schuld­lo­sen“ erschie­nen, den der Bücher­stadt Kurier ein­mal genauer unter die Lupe genom­men hat.

Liebe Frau Ham­mes­fahr, wir freuen uns, dass Sie sich die Zeit für unser Inter­view genom­men haben. In die­sem Inter­view haben wir Fra­gen zu Ihrer Per­son und zu Ihrem neus­ten Roman „Die Schuld­lo­sen“ vor­be­rei­tet. Wir begin­nen nun mit einer Frage zu den Anfän­gen ihrer schrift­stel­le­ri­schen Karriere: 

Wie sind Sie über­haupt ans Schrei­ben gekom­men? Erin­nern Sie sich an Ihre erste, rich­tige Geschichte? Wenn ja, worum han­delte diese?

Die ers­ten Geschich­ten habe ich schon wäh­rend mei­ner Schul­zeit geschrie­ben, und noch mehr wäh­rend den Pau­sen auf dem Schul­hof erzählt. An die erin­nere ich mich heute nicht mehr. Den ers­ten Roman habe ich mit 17 begon­nen, das war „Der Engel mit den schwar­zen Flü­geln“. Ver­öf­fent­lich wurde er 1992.

Wie kamen Sie auf das Genre „Krimi“? Warum kein ande­res Genre?

Ich schreibe gar keine Kri­mis, ich werde nur meist die­sem Genre zuge­ord­net, manch­mal heißt es auch Thril­ler oder Psy­cho­thril­ler. Anschei­nend gibt es für Geschich­ten, wie ich sie schreibe, keine tref­fende Bezeich­nung. Mir sind die Opfer wich­tig, also erzähle ich ihre Geschich­ten, was ihnen wider­fährt und wie es dazu kommt. Für eine span­nungs­ge­la­dene Hand­lung ist es doch neben­säch­lich, ob eine Kom­mis­sa­rin kochen kann oder ein Ermitt­ler eine Bezie­hungs­krise hat. Detail­liert beschrie­bene Miss­hand­lun­gen oder Ver­stüm­me­lun­gen finde ich auch nicht span­nend, son­dern grau­sam und oft auch eklig.

Wann kam der Punkt, an dem Sie sag­ten: „Meine Geschichte soll ver­öf­fent­licht wer­den“? Was hat Sie dazu bewegt, es mit einer Ver­öf­fent­li­chung zu versuchen?

Ich wollte schon als Kind das Schrei­ben zu mei­nem Beruf machen, also musste ich dar­auf hin­ar­bei­ten, ver­öf­fent­licht zu werden.

Bevor der rich­tige Erfolg als Autorin kam, beka­men Sie viele Absa­gen. Bitte erzäh­len Sie unse­ren Lesern von Ihren Anfän­gen. Wel­che Tipps wür­den Sie Nach­wuchs­au­toren mit auf den Weg geben?

Da müsste ich bei mei­nem ers­ten Schul­tag begin­nen und bei mei­ner Ent­täu­schung, weil meine Tante mir erklärt hatte, in der Schule würde ich schrei­ben ler­nen. Geschich­ten habe ich schon als klei­nes Kind erzählt, und am ers­ten Schul­tag habe ich nichts gelernt.

Mit 17 konnte ich dann zwar schrei­ben und quoll über von Ideen, hatte aber lei­der kein Geld für Papier, auch keine Schreib­ma­schine zur Ver­fü­gung und – was am wich­tigs­ten ist, keine Ahnung, wie man eine Geschichte rich­tig erzählt.

Das habe ich in lan­gen Jah­ren gelernt, mit 28 besaß ich eine Schreib­ma­schine, saß jeden Tag 6 bis 8 Stun­den am Küchen­tisch – einen Schreib­tisch besaß ich noch nicht. Nach sie­ben abge­schlos­se­nen Roma­nen und zwei hal­ben, die ich nicht abschlie­ßen konnte, weil ich nicht wusste, wel­chem Ver­lag ich sie noch anbie­ten sollte, kam nach 159 Absa­gen mit 40 dann die erste Veröffentlichung.

Heut­zu­tage ist der Start ent­schie­den leich­ter. Wer kei­nen Ver­lag fin­det, stellt sein Werk ins Inter­net. Des­halb kann ich Nach­wuchs­au­toren nur einen guten Tipp geben: Über­ar­bei­ten, über­ar­bei­ten, über­ar­bei­ten. Es gibt keine gute erste Fas­sung. Und nicht aus jeder Idee lässt sich eine gute Geschichte machen.

Sie haben viele Romane und Erzäh­lun­gen geschrie­ben – woher neh­men Sie all ihre Ideen? Was inspi­riert Sie?

Wenn ich diese Frage beant­wor­ten könnte, würde ich meine Inspi­ra­tion zum Patent anmel­den. Ich habe sehr viel Phan­ta­sie, eine Menge per­sön­li­cher Erfah­run­gen und aus­rei­chend Kennt­nisse in Psy­cho­lo­gie, Medi­zin, Foren­sik, Kri­mi­nal­psy­cho­lo­gie und Kri­mi­nal­tech­nik – auch wenn ich keine Kri­mis schreibe, die Details müs­sen stimmen.

Was moti­viert Sie zum Schrei­ben? Haben Sie sich feste Ziele gesetzt, wel­che Sie errei­chen möchten?

Schrei­ben ist mein Beruf, ich setze mich mor­gens an den Schreib­tisch und lese erst ein­mal, was ich in den letz­ten Tagen, Wochen oder Mona­ten geschrie­ben habe. Dafür brau­che ich keine Moti­va­tion, ich lese eben gerne und finde auch meist noch etwas, das sich ver­bes­sern lässt. Ein fes­tes Ziel setze ich mir nicht, an man­chen Tagen läuft es gut, an ande­ren nicht. Und das große Ziel, das ich als Kind und Jugend­li­che vor Augen hatte, habe ich doch erreicht.

Vier Lite­ra­tur­preise, Über­set­zun­gen in mehr als 20 Spra­chen. Ich bin sogar in Eng­land und den USA ver­tre­ten, wo deut­sche Autoren nur schwer Fuß fas­sen. Und in Eng­land habe ich auch noch sehr gute Kri­ti­ken bekom­men. Mein Ziel ist ein­fach jeden Tag, mit dem nächs­ten Roman wie­der ein Buch zu bie­ten, das seine Leser ebenso beein­druckt und begeis­tert wie die vorherigen.

Im März 2012 ist Ihr Roman „Die Schuld­lo­sen“ erschie­nen. Bitte erzäh­len Sie uns kurz, worum es in dem Roman geht.

Um einen jun­gen Mann, der als Kind kein Junge sein durfte. Ein gan­zes Dorf hat zuge­schaut, wie er sich zum Schlä­ger ent­wi­ckelte, unter­nom­men hat nie­mand etwas. Erst als er wegen Mor­des ver­ur­teilt wird, regen sich alle über seine Mut­ter auf. Bei sei­ner Ver­ur­tei­lung hat er der Haupt­be­las­tungs­zeu­gin gedroht, das werde sie bereuen. Des­halb ist die Auf­re­gung noch grö­ßer, als er vor­zei­tig aus der Haft ent­las­sen wird.

Die Frage nach der Schuld von Prot­ago­nist Alex fes­selt den Leser bis zur letz­ten Seite. Im Laufe des Buches erfährt man von Alex´ Ver­gan­gen­heit, sei­nen Vor­lie­ben, Wün­schen und Sehn­süch­ten. Kön­nen diese dar­über aus­sa­gen, wie ein Mensch „wirk­lich“ tickt? Wie wich­tig ist Ihnen die Beschrei­bung Ihrer Protagonisten?

Eine fun­dierte Beschrei­bung macht einen Cha­rak­ter aus, wobei mir Äußer­lich­kei­ten nicht so wich­tig sind. Jeder hat seine eigene Vor­stel­lungs­kraft von Schön­heit oder einer schi­cken Jeans. Diese Vor­stel­lungs­kraft möchte ich gar nicht beschnei­den, in dem ich zu viele Details prä­sen­tiere. Ich lege mehr Wert dar­auf, einen Men­schen so zu beschrei­ben, dass man glaubt, ihn per­sön­lich zu kennen.

Es gibt zu Ihrem Buch auch einen Trai­ler, wel­cher die Neu­gier des Betrach­ters weckt. Hat­ten Sie bei der Umset­zung ein Mit­spra­che­recht? Wie ist die­ser Trai­ler entstanden?

Ich habe den Haupt­dar­stel­ler aus­ge­sucht, mei­nen Alex, wie er in mei­nem Kopf exis­tiert. Die Her­stel­lung hat eine Pro­duk­ti­ons­firma übernommen.

Das Medium „Inter­net“ haben Sie auch für sich ent­deckt: Auf Face­book pos­ten Sie hin und wie­der Neu­ig­kei­ten, berich­ten von ihren Büchern und geben Ter­mine für Lesun­gen bekannt. Was den­ken Sie über das Thema „Face­book“? Wie wich­tig ist die­ses Medium in unse­rer Gesellschaft?

Ich habe lange gezö­gert, meine Face­book-Sei­ten ein­zu­rich­ten. Vor Jah­ren musste ich meine E‑Mail-Adresse ändern, weil immer mehr Anfra­gen von Schü­lern kamen, zu deren Unter­richts­stoff einer mei­ner Romane gehörte. Einer­seits machte mich das stolz, meine Töch­ter haben noch Kafka und Hesse inter­pre­tie­ren müs­sen. Ande­rer­seits hatte ich nicht die Zeit, all die­sen Kin­dern die Haus­auf­ga­ben zu machen.

Auf Face­book musste ich auch schon mehr­fach ant­wor­ten: „Tut mir leid, das geht nicht.“ Aber es ist schön, zu erfah­ren, dass meine Romane immer noch Thema an Schu­len sind. Vor Kur­zen bekam ich sogar eine Nach­richt aus Schwe­den, aller­dings keine Bitte um Hilfe, son­dern ein gro­ßes Lob von einem jun­gen Mäd­chen, das sich für das „Super­buch“ Die Sün­de­rin bedan­ken wollte.

Außer­dem kann man im Inter­net (u.a. You­tube) Videos, in denen Sie aus ihren Büchern lesen, fin­den. Wie kam es dazu?

Das war eine Idee mei­nes Man­nes, und eine gute, wie ich und einige hun­dert Nut­zer finden.

Vier ihrer Bücher wur­den bereits ver­filmt. Was ist das für ein Gefühl, die eige­nen Geschich­ten auf der Lein­wand zu sehen? Und: waren Sie mit der Umset­zung zufrieden?

Es sind sogar fünf ver­filmt wor­den. Und bei „Der stille Herr Genardy“ war es ein sehr gutes Gefühl. Das Dreh­buch hatte ich selbst geschrie­ben und sah die Bil­der aus mei­nem Kopf auf dem Bild­schirm, das war atem­be­rau­bend. „Die Mut­ter“, „Der Pup­pen­grä­ber“ und „Die Lüge“ sind gute Filme gewor­den, haben nur mit mei­nen Roma­nen nicht mehr viel gemein. Über Num­mer 5 wol­len wir hier lie­ber den Man­tel des Schwei­gens ausbreiten.

Sol­len wei­tere Ver­fil­mun­gen folgen?

Momen­tan sind keine geplant. Ich bin den Pro­du­zen­ten wohl zu anstren­gend und zu anspruchs­voll. Weil ich den Stand­punkt ver­trete, dass 400 Sei­ten Roman mehr als genug Vor­lage für einen Film bie­ten. Da sollte man nur über­le­gen, was man weg­las­sen kann, ohne zu viel zu ver­lie­ren. Aber man sollte nicht noch Dinge dazu dich­ten, die im Roman gar nicht vor­kom­men und meine Figu­ren in einem völ­lig ande­ren Licht zeigen.

Sie haben eine Zeit lang auch als Dreh­buch­au­torin gear­bei­tet. Was waren die Gründe, diese Tätig­keit ein­zu­stel­len? Wer­den Sie irgend­wann wie­der Dreh­bü­cher schreiben?

Meine Gründe, auf wei­tere Dreh­bü­cher zu ver­zich­ten, kann man im Roman „Der Schat­ten“ nach­le­sen. Mir ist es mit einem gro­ßen Pro­jekt so ähn­lich ergan­gen wie der Gabi im Roman. Und ich hatte keine Freun­din, die mir aus der Klemme hel­fen konnte.

Kön­nen Sie uns etwas über Ihren nächs­ten Roman ver­ra­ten? Wann kön­nen wir mit einer Ver­öf­fent­li­chung rechnen?

Im kom­men­den Früh­jahr wird das Taschen­buch „Hörig“ erschei­nen. Das ist eine über­ar­bei­tete Fas­sung des Romans „Die Augen Ras­pu­tins“, der 1993 erschie­nen ist. Es braucht also nie­mand mehr bei Ebay ein gebrauch­tes Exem­plar für 50 oder noch mehr Euro zu erstei­gern. Das Buch gibt es bald preis­wer­ter und besser.

Wenn Sie mal nicht schrei­ben, was machen Sie dann? Was sind Ihre Hobbies?

Wenn ich nicht schreibe, lese ich.

Haben Sie ein Lieb­lings­buch? Wenn ja, warum aus­ge­rech­net dieses?

Das Lieb­lings­buch von mei­nen eige­nen ist immer das, an dem ich gerade arbeite.

Und nun einige Fra­gen, bei denen Sie krea­tiv sein können:
Wenn Sie ein Buch wären, wel­ches wären Sie und warum?

So krea­tiv bin ich dann wohl doch nicht. Ich kann mich zwar in jeden Men­schen – sogar in einen Kin­der­schän­der – hin­ein­ver­set­zen, um die Figur authen­tisch zu schil­dern. Aber die Vor­stel­lung, ich wäre ein Buch, will mir ein­fach nicht gelingen.

Wel­che Frage haben Sie sich in einem Inter­view schon immer mal gewünscht und wie würde Ihre Ant­wort dar­auf lauten?

Da muss ich auch pas­sen. Ich bin in Inter­views schon so viel gefragt wor­den, dass ich das Gefühl habe, es gibt keine Frage mehr, die mir noch nicht gestellt wurde.

Wir dan­ken Ihnen für das Interview!

Alexa

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