Plötzlich Ungeziefer

by Zeichensetzerin Alexa

Eigent­lich wollte Herr Kafka nicht, dass wir seine Werke zu Gesicht bekom­men. Sein letz­ter Wunsch: all sein Werk sollte ver­nich­tet wer­den. Nur dachte sein Freund nicht daran und ver­öf­fent­lichte es. Noch zu Leb­zei­ten erschien „Die Ver­wand­lung“. – Von Zei­chen­set­ze­rin Alexa

Scha­ben, Kaker­la­ken, Unge­zie­fer – allein die Vor­stel­lung ruft einen Ekel in mir her­vor. Diese klei­nen Wesen mit haa­ri­gen Bei­nen und einem glän­zend schwarz­brau­nen Rücken. Dabei sind es auch nur Lebe­we­sen. Keine Ali­ens, die plötz­lich rie­sig wer­den und einen auf­fres­sen – wobei: in Kaf­kas Erzäh­lung ver­wan­delt sich der Prot­ago­nist in ein Unge­zie­fer, das so groß ist wie ein Mensch: „Als Gre­gor Samsa eines Mor­gens erwachte, fand er sich in sei­nem Bett zu einem unge­heu­ren Unge­zie­fer ver­wan­delt. Er lag auf sei­nem pan­zer­ar­tig har­ten Rücken. Sein von bogen­för­mi­gen Ver­stei­fun­gen geteil­ter Bauch war gewölbt und braun, und seine kläg­lich dün­nen Beine flim­mer­ten vor sei­nen Augen.“

Was ist nur mit ihm gesche­hen? Ein Traum – so stellt Gre­gor bald fest – ist es nicht. Seine Lebens­welt ist unver­än­dert: das Zim­mer, in dem er liegt, genauso wie seine Fami­lie, die sich zu sor­gen beginnt, als Gre­gor keine Anstalt macht, das Zim­mer zu ver­las­sen. Doch wie nur soll er sich in einer sol­chen Gestalt bli­cken las­sen? Irgend­wann glaubt er, keine Wahl zu haben, öff­net die Tür und seine Fami­lie erblickt das Unge­zie­fer. Ent­setzt über die­sen Anblick wird Gre­gor zurück in sein Zim­mer ver­trie­ben. Die Fami­lie berät sich über das wei­tere Vor­ge­hen und beschließt abzuwarten.

Der All­tag nimmt sei­nen Lauf und nun sind die Eltern gezwun­gen, eine Arbeit auf­zu­neh­men, um für die Fami­lie sor­gen zu kön­nen. Zuvor war Gre­gor es, der das Geld nach Hause gebracht hat. Die finan­zi­el­len Sor­gen kön­nen soweit gelöst wer­den. Doch wie soll es mit Gre­gor wei­ter­ge­hen? Eines Abends eska­liert die Situa­tion, als Gre­gor sein Zim­mer ver­lässt und sich vor den Unter­mie­tern bli­cken lässt. Die Schwes­ter for­dert: „Wir müs­sen ver­su­chen, es loszuwerden!“

Die bild­li­che Umset­zung von Horne gibt die dunkle Stim­mung der Erzäh­lung wider. In den Illus­tra­tio­nen domi­niert die Farbe schwarz: die Farbe des Unge­zie­fers, das dunkle Zim­mer, die Schat­ten, die selbst bei Tag groß sind. Bild­in­for­ma­tio­nen sind nur ange­deu­tet, auf Details und far­bige Abstu­fun­gen wird ver­zich­tet. Mit die­ser Methode fängt der Illus­tra­tor die Atmo­sphäre der Erzäh­lung ein, wel­che sich hier eng an den Ori­gi­nal­text hält.

Und wer – genauso wie ich – einen Ekel ver­spürt, wenn er ein Unge­zie­fer sieht, der sei an die­ser Stelle beru­higt: In die­ser Gra­phic Novel ist das Tier so detail­arm dar­ge­stellt, dass man sich schnell an sei­nen Anblick gewöhnt. Dies soll also kei­nes­wegs ein Hin­der­nis sein, die­ses Buch zu lesen.

Die Ver­wand­lung. Franz Kafka, Eric Cor­bey­ran. Illus­tra­tion: Richard Horne. Über­set­zung: Kai Wilksen. Kne­se­beck. 2010.

Klei­ner Tipp für Hör­buch­fans: Auf vor​le​ser​.net gibt es so man­che Erzäh­lung Kaf­kas. Wer also lie­ber hören statt sehen will, dem sei „Die Ver­wand­lung“ als Hör­buch emp­foh­len. Mehr über Kafka und sein Werk „Eine kleine Frau“ könnt ihr am 20.09. bei den Feuil­le­tö­nen erfah­ren. Hört doch mal rein!

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3 comments

nettebuecherkiste 19. September 2015 - 11:49

„Plötz­lich Unge­zie­fer“ ist klasse! 😀

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Zeichensetzerin Alexa 19. September 2015 - 14:42

Hehe! Diese Reak­tion habe ich mir erhofft. Danke für die Rückmeldung! 😀

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Kafkasches Labyrinth | Bücherstadt Kurier 19. September 2015 - 20:07

[…] Bespre­chung zu „Die Ver­wand­lung“ fin­det ihr hier. Mehr über Kafka und sein Werk „Eine kleine Frau“ könnt ihr am 20.09. bei den Feuilletönen […]

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