Problematische Mutproben

by Zeichensetzerin Alexa

Cathe­rine Kuhl­manns ers­tes Bil­der­buch „DER CLUB der Muti­gen“ erzählt von Mut und Mut­pro­ben und dem Wunsch, dazu­zu­ge­hö­ren. Zei­chen­set­ze­rin Alexa weiß nicht recht, was sie von die­sen Mut­pro­ben hal­ten soll.

Ohne Frage: Die Illus­tra­tio­nen sind krea­tiv und phan­ta­sie­voll. Kuhl­mann spielt mit Per­spek­ti­ven, Dyna­mik und Far­ben. Als Leit­farbe sticht Rosa her­vor. Mal ist die Farbe nur dezent am Him­mel erkenn­bar, mal mar­kiert sie wich­tige Bild­ele­mente wie Tiere und mal sind es nur leichte Strei­fen. Es macht Spaß, die Details – feine Stri­che, kleine Mus­ter – im Bild zu ent­de­cken und diese in den Kon­text der gesam­ten Seite zu set­zen. „Min­des­tens 211 Bunt­stifte muss­ten dafür ihr Leben las­sen“, heißt es in der Vita am Ende des Buches. Das ist bedau­er­lich (für die Stifte) und beein­dru­ckend (für die Betrach­ten­den) zugleich!

Aber – das große Aber: Was soll die­ses Bil­der­buch auf inhalt­li­cher Ebene ver­mit­teln? Schließ­lich geht es um Mut­pro­ben und vor allem sind sol­che dabei, die gefähr­lich sein kön­nen. Zum Club der Muti­gen kön­nen aber nur Mutige gehö­ren. Also hat Janna keine Wahl und muss die erste Mut­probe, die ihr Bru­der Han­nes ihr auf­er­legt, anneh­men und auf den Baum klet­tern: „Und weil Janna schon immer zu einem super­s­treng gehei­men Club gehö­ren wollte, klet­terte sie. Es fühlte sich sehr gefähr­lich an, aber zum Glück ging alles gut.“ Und wenn es nicht gut gegan­gen wäre? Immer­hin wird die Aktion als „sehr gefähr­lich“ emp­fun­den. Wes­halb spielt das eigene Emp­fin­den und die Ein­schät­zung der Situa­tion keine Rolle? Die nächs­ten Mut­pro­ben wer­den auch nicht ein­fa­cher: Sie füh­ren durch den gru­se­ligs­ten Weg, den Han­nes kennt, und bestehen darin, einen Ele­fan­ten aus dem Zoo zu stehlen ...

Die Mut­pro­ben wer­den also immer ver­rück­ter – und damit wären wir beim Aber zum Aber: Die Geschichte ist so ver­rückt, dass man sie nicht wirk­lich ernst neh­men kann. Am Ende wir­ken die Beden­ken, die sich zu Beginn des Buches ein­ge­schli­chen haben, belang­los. Schließ­lich ist alles, was hier geschieht, fik­tiv! Und selbst die Mut­pro­ben schei­nen dem rei­nen Span­nungs­auf­bau zu die­nen. Dass diese (erwach­sene) Sicht­weise nicht deckungs­gleich mit der kind­li­chen Wahr­neh­mung sein muss, sollte beim Betrach­ten des Bil­der­bu­ches bedacht wer­den. Das, was hier ver­mit­telt wird (nur wenn Mut­pro­ben bestan­den wer­den, kön­nen Kin­der zu einer Gruppe, einem Club, gehö­ren), wird zur Wirk­lich­keit. Zwar gibt der Vater der Kin­der durch sei­nen Ein­wurf, dass sie nicht steh­len müss­ten, „um als mutig zu gel­ten“, Anlass zum Nach­den­ken, dies scheint jedoch keine Aus­wir­kun­gen auf das Ver­hal­ten der Kin­der zu haben. Hin­ter­her den­ken sie sich wei­tere Mut­pro­ben aus.

Die Sache mit den Mut­pro­ben wird in „DER CLUB der Muti­gen“ also etwas pro­ble­ma­tisch dar­ge­stellt. In jedem Fall bie­tet das Buch aber unter einer kri­ti­schen Betrach­tung aus­ei­chend Dis­kus­si­ons­stoff: Was ist Mut? Müs­sen Mut­pro­ben (mit)gemacht wer­den? Wann ist jemand wirk­lich mutig? Das, was hier fehlt, ist eine dif­fe­ren­zierte Aus­sage über indi­vi­du­el­len, sub­jek­tiv emp­fun­de­nen Mut und die Mög­lich­keit, Nein sagen zu kön­nen, wie es bei­spiels­weise in „mutig, mutig“ von Lorenz Pauli und Kath­rin Schä­rer der Fall ist.

Nichts­des­to­trotz ist „DER CLUB der Muti­gen“ ein lesens­wer­tes Werk mit phan­ta­sie­vol­len Illus­tra­tio­nen für Kin­der ab 3 Jah­ren, das als Anlass die­nen kann, über Mut zu spre­chen und Mut­pro­ben zu hinterfragen.

DER CLUB der Muti­gen. Cathe­rine Kuhl­mann. Bohem. 2017.

Weiterlesen

Leave a Comment

Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Nutzung unserer Website erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Erfahre mehr