Revolution in der Bananenrepublik

by Worteweberin Annika

Mit dem jun­gen Hor­ror­film­lieb­ha­ber Bruno ist Worte­we­be­rin Annika auf eine obskure Reise quer über eine namen­lose Insel­re­pu­blik am Rande einer Revo­lu­tion gegan­gen. Was Sascha Macht in „Der Krieg im Gar­ten des Königs der Toten“ aus­sa­gen möchte, ist ihr dabei aber nicht ganz klar geworden.

Bruno, der Ich-Erzäh­ler, ist sieb­zehn, lebt mit sei­nen Eltern im beschau­li­chen Dorf Kaja­goo­goo auf einer Insel, die sich in den 1940er Jah­ren nach Atom­waf­fen­tests aus dem Ozean erhob und Hei­mat für Alt-Hip­pies und Aus­stei­ger wurde. Eines Tages fah­ren Bru­nos Eltern mit dem Bus weg und kom­men nie wie­der. Bruno schlägt sich also alleine durch, indem er seine Tage von nun an mit Hor­ror­fil­men auf VHS füllt, die er im Laden des Schö­nen Hans meist sogar umsonst bekommt – sonst kann sich in Kaja­goo­goo nie­mand dafür begeistern.

Neben den Fil­men ist Bru­nos Leben fast inhalts­los: Seine Koch­künste sind beschei­den, dafür trinkt er viel und hat ein selt­sam stump­fes Ver­hält­nis zur Sexua­li­tät. Schon dadurch wirkt er nicht wirk­lich wie ein Junge sei­nes Alters, wobei ein Junge auf der Insel­re­pu­blik wahr­schein­lich auch ganz anders sozia­li­siert wird, als man das aus Europa kennt. Doch auch Bru­nos Spra­che erin­nert nicht wirk­lich an einen Teen­ager, denn meis­tens drückt er sich reich­lich kom­pli­ziert aus. Ein Hin­weis dar­auf ist ja auch schon der Titel „Der Krieg im Gar­ten des Königs der Toten“. Ver­bun­den mit sehr lan­gen Satz­kon­struk­tio­nen weiß man hier bald nicht mehr, wo vorne und wo hin­ten ist.

Träume und erste Unruhen

Unter­stützt wird das noch durch das unzu­ver­läs­sige Erzäh­len: Bru­nos Träume ver­men­gen sich mit den tat­säch­li­chen Ereig­nis­sen, die teil­weise ebenso skur­ril sind wie seine Träume. Noch mehr ver­schwim­men die Gren­zen durch das Feh­len von Anfüh­rungs­zei­chen. Ver­wir­rung und Ver­un­si­che­rung schei­nen hier beab­sich­tigt zu sein.

Damit zusam­men hängt wohl auch die Geschichte, die sich kaum zusam­men­fas­sen lässt: Bruno trifft in einer Kneipe auf den „Preu­ßen“, einen deut­schen Tou­ris­ten, mit dem er in die Pro­vinz­haupt­stadt Savan­nah fährt und dort Zeuge von Unru­hen wird. Als die bei­den die Stadt wie­der ver­las­sen wol­len, wird der Preuße von einer Stra­ßen­sperre auf­ge­hal­ten und bleibt in den Hän­den des Mili­tärs. Doch Bruno ist nicht lange alleine, bald trifft er auf Syl­vie und Johnny, die mit ihrem Sohn Liam mit dem Wohn­wa­gen unter­wegs sind. Die bei­den Doku­men­tar­fil­mer kom­men mit Bruno nach Kaja­goo­goo, um Rast zu machen. Bald sind sie jedoch wie­der ver­schwun­den, wahr­schein­lich zu den Repu­bli­ka­ni­schen Film­fest­spie­len in die Haupt­stadt, dafür ist der Mexi­ka­ner El Cora­zón plötz­lich im Wohn­zim­mer aufgetaucht.

Eine Revo­lu­tion

Bruno beschließt, Kaja­goo­goo zu ver­las­sen, um mit einer Rei­se­ta­sche vol­ler Video­kas­set­ten eben­falls zu den Film­fest­spie­len zu rei­sen, beglei­tet von El Cora­zón. Beim Tram­pen gelan­gen die bei­den an den She­riff und seine Fami­lie. Bei einer Rast wird die Rei­se­gruppe von Revo­lu­tio­nä­ren gefan­gen genom­men und Bruno und die ande­ren wer­den in ein Schloss ent­führt. Bruno lernt dort die Revo­lu­tio­näre ken­nen, die aber nicht wirk­lich orga­ni­siert zu sein schei­nen und nach und nach ver­schwin­den, bis Bruno mit dem ster­ben­den Anfüh­rer alleine bleibt.

Schließ­lich ent­kommt der Junge mit El Cora­zón, trifft unter­wegs auf den ver­wun­de­ten Preu­ßen, und gelangt in die Haupt­stadt. Nach einem wei­te­ren Zwi­schen­stopp schafft Bruno es gerade noch pünkt­lich zu den Film­fest­spie­len, reist dann mit Johnny und Liam wei­ter. Die wol­len Syl­vie ein­sam­meln, die die Revo­lu­tio­näre bei ihrer Macht­über­nahme an der Küste gefilmt hat. Unter­wegs muss Bruno fest­stel­len, dass sein Dorf bei den Umstür­zen zer­stört wurde und lan­det schließ­lich in der Küstenhauptstadt.

Eine skur­rile Bananenrepublik

Figu­ren tau­chen hier plötz­lich auf und ver­schwin­den wie­der, wodurch sie aus­tausch­bar erschei­nen. Nach dem Warum scheint man bei Bru­nos Rei­sen und Begeg­nun­gen gar nicht fra­gen zu brau­chen. Das alles pas­siert ein­fach. Die Leser wer­den zu blo­ßen Zuschau­ern und ehr­lich gesagt kann ich auch rück­bli­ckend noch nicht ver­ste­hen, wor­auf die Geschichte eigent­lich hin­ge­steu­ert ist, denn auch das Ende bleibt rätselhaft.

Natür­lich hat Sascha Machts Roman aber auch posi­tive Sei­ten, schließ­lich ver­steht der Autor etwas von sei­nem Hand­werk. Nach einem Abschluss am Deut­schen Lite­ra­tur­in­sti­tut Leip­zig hat Macht dort inzwi­schen einen Lehr­auf­trag und ist in der For­schung tätig. Abge­se­hen von den lan­gen Sät­zen im Nomi­nal­stil über­zeugt Machts Spra­che mit lus­ti­gen, über­ra­schen­den Bil­dern. Da wären außer­dem die skur­ri­len Ein­fälle, die zum Merk­mal der Gesell­schaft auf der Insel­re­pu­blik wer­den: eine Michael-Jack­son-Uni­ver­si­tät, fik­tive Hor­ror­filme mit den abge­dreh­tes­ten Hand­lun­gen, abwe­gige Figu­ren mit lus­ti­gen Hob­bys und Geschich­ten. Ansons­ten bleibt die Repu­blik im Vagen. Zwar erfährt man eini­ges über die poli­ti­sche Situa­tion, doch ich hätte gerne mehr über diese Insel gele­sen, die so unor­ga­ni­siert und irr­sin­nig erscheint, dass man sie gut und gerne als Bana­nen­re­pu­blik bezeich­nen kann.

Mehr aber auch nicht

Viel­leicht ist diese Skur­ri­li­tät auch der Grund dafür, dass man in der Hand­lung von „Der Krieg im Gar­ten des Königs der Toten“ gar nicht nach einem Sinn suchen sollte. Trotz­dem geht der Roman nicht ganz in die­ser Skur­ri­li­tät auf, denn irgend­wann ist es auch mal gut mit lus­ti­gen Ein­fäl­len – viel mehr kann ich aber in die­sem Roman nicht fin­den. Es steckt hin­ter dem, was wie ein Gedan­ken­ex­pe­ri­ment einer ganz ande­ren Gesell­schaft in End­zeit­stim­mung und Krieg anmu­tet, so scheint es, nicht beson­ders viel. Falls doch, dann kann zumin­dest ich es nicht ent­schlüs­seln. So kann „Der Krieg im Gar­ten des Königs der Toten“ lei­der weder beson­ders gut unter­hal­ten, noch gelingt es ihm, in sich stim­mig und auf­schluss­reich zu sein.
Wer sich aber mal gehö­rig ver­wir­ren las­sen möchte oder ein gro­ßes Inter­esse am Hor­ror­film hat, für den könnte „Der Krieg im Gar­ten des Königs der Toten“ genau das rich­tige Buch sein.

Der Krieg im Gar­ten des Königs der Toten. Sascha Macht. Dumont. 2016.

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