Rote Haare brennen nicht

by Bücherstadt Kurier

1989: Silke ist fünf­zehn Jahre alt, als ihre Mut­ter ihren jün­ge­ren Bru­der und einen Kof­fer nimmt und sie und ihren Vater ver­lässt. Der Bru­der ist nur mit­ge­gan­gen, sagt sich Silke gute zehn Jahre spä­ter. Die Mut­ter hat sie alleine gelas­sen. Mit Mageng­rum­meln macht sie sich auf die Suche nach der Spur des abwe­sen­den Teils ihrer Familie.

Die (Haar-)Farbe Rot spielt für Silke eine beson­dere Rolle. Sie fühlt sich Zeit ihres Lebens von Rot­haa­ri­gen fas­zi­niert und ange­zo­gen: Die rus­si­schen Adjek­tive „краcивый“ (schön) und „краcньый“ (rot) haben immer­hin den­sel­ben Wort­stamm, wie Nata­scha, eine Freun­din und Lieb­ha­be­rin des Vaters, erklärt. Auf­grund die­ser Ver­wandt­schaft müs­sen sie auch zusam­men­ge­hö­ren, oder? In „Rot ist schön“ zeich­net Rita König in Form von Rück­blen­den ein Leben in den Umbrü­chen der letz­ten Rot ist schönJahre der DDR und den ers­ten Jah­ren des neuen Deutsch­land. Die innen­po­li­ti­sche Unruhe spie­gelt sich in Sil­kes Fami­li­en­le­ben wider. Sie sucht in den neuen Frauen des Vaters, im Eltern­haus, im Beruf, in der sexu­el­len Bezie­hung, in Freund­schaf­ten nach der Sta­bi­li­tät, die der Fort­gang der Mut­ter ihr ent­zo­gen hat.

Die­ser Roman braucht vor allem eines: Zeit – um sich ein Leben erzäh­len zu las­sen. Silke ver­liert sich wäh­rend der Zug­fahrt zur Mut­ter, die sich über Stun­den hin­zieht, in ihren Erin­ne­run­gen und Gedan­ken, läuft einen Pfad der Erin­ne­rung nach dem ande­ren ab. Manch­mal wird dies anstren­gend ob wir­rer For­mu­lie­run­gen, manch­mal plät­schern die Gescheh­nisse vor sich hin, bis ein Stein aus der Gegen­wart in den Erin­ne­rungs­fluss ragt – das Umstei­gen von einem Zug in den ande­ren etwa.
Die Spra­che des Romans bleibt dabei sehr ein­fach, klar und ver­ständ­lich, wäh­rend sich vor Lese­rin und Leser die ver­gan­gene Welt der Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik in Rede­wei­sen und Gän­gen zum Lebens­mit­tel­la­den eröff­net. Dies ist tat­säch­lich ein abso­lu­ter Höhe­punkt des Romans: Die Auf­zeich­nung der ver­gan­ge­nen Welt der DDR, die sich die letz­ten zwei Genera­tio­nen nicht mehr vor­stel­len kön­nen. Im Gegen­satz dazu steht der wenig fass­bare Cha­rak­ter der Prot­ago­nis­tin. Wenn­gleich es Sil­kes Leben ist, das beschrie­ben wird, hat man als Lesen­der nicht das Gefühl, sich ihrer Psy­che anzu­nä­hern. Man bleibt gefan­gen in den auf­blit­zen­den roten Haa­ren in Sil­kes Umfeld, ohne wirk­lich zu ihr durchzudringen.

Erika

Rot ist schön. Rita König. Der Kleine Buch Ver­lag. 2015. www​.rita​-koenig​.de.

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