Sabine Wilharm

by Zeichensetzerin Alexa

„Das Schöne am Illus­trie­ren ist übri­gens, dass es ein künst­le­ri­scher Beruf ist und Künst­lern, auch hal­ben, wird ja mehr Frei­heit und Spon­ta­ni­tät zugestanden.“

Zei­chen­set­ze­rin Alexa im Gespräch mit der Illus­tra­to­rin Sabine Wil­harm.

BK: Zuletzt erschien das Bil­der­buch „Kann ich wohl!“ im Ala­din Ver­lag. Worum geht es da?

SW: Der Inhalt hängt im gewis­sen Sinn mit mei­ner Bio­gra­fie zusam­men, denn ich war die Jüngste zu Hause, die ande­ren waren mir immer vor­aus und konn­ten das, was ich nicht konnte. In die­sem Buch geht es um einen klei­nen Hund, des­sen ältere Geschwis­ter auch alles bes­ser machen, aber er behaup­tet stän­dig mit gro­ßem Selbst­be­wusst­sein „Ich kann das wohl!“, weil er mit­hal­ten will. Kann er natür­lich nicht, aber zum Schluss gelingt ihm etwas Wich­ti­ges für alle.

BK: Wie gestal­ten Sie Ihre Illus­tra­tio­nen? Wel­che Mate­ria­lien ver­wen­den Sie am liebs­ten und wie gehen Sie dabei vor?

SW: Die Zeich­nun­gen für Bücher ent­ste­hen in meh­re­ren Stu­fen. Zuerst gibt es Skiz­zen, sehr grob, sehr frei. Darin geht es vor allem um Idee und Kom­po­si­tion, also den Bild­auf­bau und etwas darum, wie Figu­ren am bes­ten zuein­an­der ste­hen. Ich arbeite dabei auch schon an Aus­druck und Stim­mun­gen. Wich­tig ist, dass die Skiz­zen grob und undeut­lich sein dür­fen, ich muss schnell von einer zur nächs­ten gehen kön­nen und nicht an Details kle­ben blei­ben, um Ideen schnell ein­zu­fan­gen und die Ahnung einer Zeich­nung zu bekommen.
Wenn ich das Gefühl habe, dass die Rich­tung stimmt, kom­men mehr Skiz­zen von Ein­zel­hei­ten dazu und irgend­wann ist gut, ich scanne die Skiz­zen in den Rech­ner und arbeite mit Pho­to­shop und ange­schlos­se­nem Zei­chen­brett wei­ter. Da feile ich an den Zeich­nun­gen bis ich finde, dass ich nichts mehr an ihnen ver­bes­sern kann und zum Schluss ent­steht die Rein­zeich­nung, schon mit Far­ben. Die wird dann auf Zei­chen­pa­pier aus­ge­druckt und mit Bunt­stif­ten und Acryl­far­ben bear­bei­tet, bis das Gefühl ent­steht, dass sie fer­tig ist. Ich muss eine Freude daran haben, dann kann ich sie aus der Hand geben.

BK: Was macht für Sie per­sön­lich eine gute Illus­tra­tion aus?

SW: Sie muss Leben haben.

BK: Woll­ten Sie schon immer Illus­tra­to­rin werden?

SW: Nein, frü­her wusste ich gar nicht, dass es den Beruf gibt, obwohl ich ja sel­ber illus­trierte Bücher besaß. Ich habe mir nicht klar gemacht, dass wirk­li­che, nor­male Men­schen Bücher machen kön­nen. Ich wollte eher freie Künst­le­rin wer­den, als ich in der Kunst­schule anfing, weil ich dachte, dass ich dort meine Ver­zweif­lung und Begeis­te­rung an der Welt zum Aus­druck brin­gen könnte. Aber dann wurde das Gebiet der Illus­tra­tion sehr span­nend und ich habe gemerkt, dass ich gerne etwas erzähle. Und auch, dass mir eine Leit­planke gut tut, ein Weg­wei­ser durch ein Thema. Die gibt mir ein Text. Inzwi­schen mache ich auch ohne Texte Zeich­nun­gen, aber frü­her habe ich jeden Strich ange­zwei­felt. Ich war fürch­ter­lich unsicher.

BK: Wie füh­len Sie sich heute, wenn Sie Ihre Illus­tra­tio­nen betrachten?

SW: Bei man­chen staune ich und weiß, dass ich sie so nicht mehr machen könnte, bei ande­ren ärgere ich mich über Feh­ler. Die fal­len mir immer stär­ker auf.

BK: Haben Sie in Situa­tio­nen gezeich­net, in denen Sie nicht soll­ten? Zum Bei­spiel im Unterricht?

SW: Selbst­ver­ständ­lich, wenn mir lang­wei­lig war. Inzwi­schen gibt es sol­che Situa­tio­nen nicht mehr, weil ich für mich weiß, wann es ange­bracht ist, zu zeich­nen und wann nicht. Zum Bei­spiel setze ich mich nicht hin und zeichne jeman­den so, dass er es merkt, ohne ihn zu fra­gen. Das ist eine sehr unan­ge­nehme Situa­tion für den ande­ren (und kann es darum mög­li­cher­weise auch für einen selbst wer­den), denn man dringt in gewis­sem Sinn in seine Pri­vat­sphäre ein. Wenn ich Men­schen, die ich sehe, zeich­nen möchte, ver­su­che ich, genau hin­zu­se­hen und ein paar Stri­che so zu set­zen, die mir hel­fen, aus der Erin­ne­rung her­aus die Zeich­nung fer­tig­zu­stel­len. Es kommt natür­lich etwas ande­res dabei her­aus, als wenn mir jemand Modell sitzt, aber trotz­dem ist es immer eine Zeich­nung, die ich aus dem Kopf so nicht hätte machen kön­nen und durch die ich etwas lerne.

BK: Gibt es Schwie­rig­kei­ten bzw. Her­aus­for­de­run­gen beim Illus­trie­ren von Kinderbüchern?

SW: Da ist schwer zu beant­wor­ten. Eine Her­aus­for­de­rung ist Illus­tra­tion eigent­lich immer, vor allem, dem Text mög­lichst gerecht zu wer­den. Der Autor ist ja in der Regel der erste, der weint, wenn eine Zeich­nung weit am Text vor­bei­zielt oder ihm die Figu­ren falsch vor­kom­men. Ein Leser, auch wenn er ein Kind ist, kann das Buch schließ­lich ein­fach zuklap­pen, wenn er es nicht mag. Es kommt bei Kin­dern sehr auf das Alter an. Es ist wich­tig, sie weder zu über- noch zu unter­for­dern. Kin­der sind in kei­ner Weise düm­mer als Erwach­sene, sie ken­nen nur, je nach Alter, weni­ger von der Welt und auch der Spra­che und haben in der Regel am Anfang mehr Ver­trauen in einen Text und Bil­der, als Erwach­sene, die ten­den­zi­ell kri­ti­scher an etwas her­an­ge­hen. Aber sie las­sen sich auch nicht lange hin­ters Licht führen.
Ich ver­su­che auf­zu­pas­sen, dass ich nicht zu viel vor­aus­setze, also mit Zeich­nun­gen zum Bei­spiel auf etwas anspiele, was Kin­der weder wis­sen kön­nen noch aus dem Text erfah­ren. Das wäre in gewis­sem Sinn über­heb­lich. Ande­rer­seits finde ich es für Leser jeden Alters gut, wenn Fra­gen durch ein Buch auf­tau­chen, also Unbe­kann­tes darin ist. Ich glaube, ich könnte diese Frage nur anhand von kon­kre­ten Büchern, die ich illus­trie­ren will, beantworten.

BK: In vie­len Ihrer Kin­der­bü­cher kom­men Tiere vor – Haben Sie selbst Haus­tiere? Wel­che Bedeu­tung haben Tiere Ihrer Mei­nung nach für Kinder?

SW: Ich habe kein eige­nes Haus­tier, aber eigent­lich jedes Tier, das ich wahr­nehme, inter­es­siert mich, Ten­denz zuneh­mend. Das bezieht sich inzwi­schen auch auf Flie­gen und Mücken, zum Bei­spiel, aller­dings zieht mich ein Säu­ge­tier oder ein Vogel immer noch mehr in den Bann. Fast auto­ma­tisch bekomme ich Vor­stel­lun­gen, wie das Tier, das ich da sehe, wohl lebt und seine Welt wahr­nimmt, was für es wich­tig ist, wodurch es sich wohl oder unwohl fühlt. Bio­lo­gisch gese­hen ist das Unsinn, ich stülpe ihm im Grunde meine Men­schen­vor­stel­lun­gen über. Aber ich würde zu gern für kurze Zeit die­ses Tier sein und erfah­ren, wie sich sein Leben anfühlt.
Ich weiß nicht, wel­che Bedeu­tung Tiere für Kin­der haben, da gibt es bestimmt keine Regel. Das Ein­zige, was mir ein­fällt, ist, dass Kin­der wie Tiere freier und direk­ter ihren Bedürf­nis­sen nach­ge­hen (wenn man sie lässt), so wie Tiere es tun (wenn sie kön­nen). Erwach­sene haben in der Regel die Erzie­hung ver­in­ner­licht, die in gro­ßen Tei­len darin besteht, Wün­sche auf­zu­schie­ben und sich sel­ber auf die Fin­ger zu klopfen.
Das Schöne am Illus­trie­ren ist übri­gens, dass es ein künst­le­ri­scher Beruf ist und Künst­lern, auch hal­ben, wird ja mehr Frei­heit und Spon­ta­ni­tät zuge­stan­den. Man darf unkon­ven­tio­nell sein, auch wenn man nicht mehr jung ist und sich in einem gewis­sen Maß ver­hal­ten, wie Erwach­sene sich nor­ma­ler­weise nicht zu ver­hal­ten haben.

BK: Das Thema die­ser Aus­gabe ist „Kunst“. Wel­che Bedeu­tung hat „Kunst“ für Sie persönlich?

SW: Eine schwie­rige Frage. Inzwi­schen ist Kunst so mit mei­nem Leben und All­tag ver­wo­ben, dass ich nicht wüsste, wie ich ohne sie wäre. Ande­rer­seits ist es mir kaum mög­lich zu sagen, was sie über­haupt ist. Ich sehe übri­gens einen Unter­schied zwi­schen Illus­tra­tion, der ange­wand­ten Kunst und freier Kunst, das nur neben­bei. Viel­leicht vor allem das Feld der Mög­lich­kei­ten, des Spiels mit Bedeu­tun­gen und ihren Umset­zun­gen. Ein Feld, in dem ich mich auf eine Art ken­nen­ler­nen kann, die mir sonst wohl nicht mög­lich gewe­sen wäre. Aber wie wäre ich ’sonst‘? Kunst von ande­ren ist für mich eine Mög­lich­keit, einen Teil des inne­ren Lebens eines Men­schen zu erfah­ren, ohne dass ich mich dazu ver­hal­ten muss. Eine klei­nere oder grö­ßere Essenz von Erfah­run­gen eines anderen.
Ich denke, es gibt für Men­schen ein paar wich­tige Grund­the­men, die sich in unend­lich viele Varia­tio­nen auf­spal­ten. Jeder Mensch hat seine eige­nen. Liebe, Tod, Neid, soziale Aner­ken­nung, Eifer­sucht, Angst – so ähn­lich. Alle Men­schen suchen dau­ernd bewusst oder unbe­wusst Lösun­gen für die Pro­bleme, die sich dar­aus erge­ben. In der Kunst wer­den diese Grund­the­men immer neu gelöst oder zumin­dest ver­ar­bei­tet. Und das in einer Weise, die es ande­ren ermög­licht, ihr Eige­nes damit ver­suchs­weise zu ver­bin­den. Inso­fern haben sich die Men­schen mit der Kunst ein Gebiet geschaf­fen, in dem sie in der Ima­gi­na­tion viel mehr erpro­ben kön­nen als real in ihrem kur­zen Leben. Im Guten wie im Schlechten.

BK: Haben Sie selbst Vor­bil­der oder Lieblingskünstler?

SW: Ganz viele, dau­ernd neue, es ist unglaub­lich, wie viele gute Künst­ler es gibt und es hört nicht auf. Und ich glaube, dass Künst­ler – auch ange­wandte – immer von­ein­an­der ler­nen. Nicht jeder von jedem, aber jeder von einigen.

BK: Und zu guter Letzt: Wenn Sie ein Buch wären, wel­ches wäre es?

SW: Was für eine Frage... Ein nicht sehr dickes, in dem jeder Satz eine gute Form mit dich­tem Inhalt hätte viel­leicht, das wäre schön.

Die­ses Inter­view erschien erst­mals in der 15. Aus­gabe des Bücher­stadt Kuriers.
Foto: Pri­vat

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