Schlaflos in Norwegen

by Zeilenschwimmerin Ronja

Seit vie­len Jah­ren liegt Anders Bortne nachts wach und kann nicht schla­fen, oft tage­lang am Stück. Auf sei­ner Suche nach einer Lösung ent­stand ein Sach­buch, bei des­sen Lek­türe Zei­len­schwim­me­rin Ronja sogar ihren Tee ver­ges­sen hat.

Ich hatte mir einen Tee gemacht, mich in mei­nen Lese­ses­sel gesetzt und wollte eigent­lich nur mal ein neues Buch anle­sen ... Als ich wie­der auf­tauchte, war mein Tee schon lange kalt. Ich leide zum Glück nicht unter Insom­nie. Wie andere Men­schen auch habe ich ledig­lich ver­ein­zelte Nächte oder kurze Pha­sen, in denen ich schlech­ter schlafe. Dabei habe ich meis­tens das Pro­blem, schlecht ein­schla­fen zu kön­nen. Nach mei­ner Lek­türe weiß ich nun, dass auch das schon zu den Schlaf­stö­run­gen zählt und ein Anzei­chen für Insom­nie sein kann. Die Beto­nung liegt hier auf „kann“! (Klei­ner Hin­weis für alle Selbstdiagnostiker*innen da draußen.)

„Bei Insom­nie geht es auch um Selbst-Bewusst­sein. Ein schlaf­lo­ses Gehirn ist ein Gehirn, das nicht auf­hö­ren kann, an sich selbst zu den­ken. Der Wunsch, den Schlaf kon­trol­lie­ren zu kön­nen, kann das genaue Gegen­teil bewir­ken.“ (S. 42)

Schlaf­ent­zug macht unauf­merk­sam, unkon­zen­triert und fah­rig. Anhal­ten­der Schlaf­ent­zug kann zu Hal­lu­zi­na­tio­nen und extre­men Stim­mungs­schwan­kun­gen füh­ren, ver­lei­tet zu unge­sün­de­rer Ernäh­rung, kann Depres­sio­nen aus­lö­sen. Kurz: Schlaf ist für uns Men­schen im wahrs­ten Sinne des Wor­tes lebens­wich­tig. Und den­noch ist Schlaf ein Bereich unse­res Lebens, der Wissenschaftler*innen und Ärzt*innen nach wie vor viele Rät­sel aufgibt.

„Wenn Sie die­ses Buch den­noch lesen, dann ler­nen Sie etwas über Schlaf und Schlaf­lo­sig­keit, machen sich selbst einen Reim und bekom­men eine Idee davon, wie es ande­ren schlaf­lo­sen Men­schen ergeht.“ (S. 10)

Bortne warnt im Vor­wort davor, dass sein Buch kei­nes ist, das „leicht­her­zig Tipps zum bes­se­ren Schla­fen gibt“ – wohl wahr. Von ober­fläch­li­chen Rat­schlä­gen gibt es tat­säch­lich keine Spur. Statt­des­sen bie­tet „Schlaf­los“ kom­plexe Ant­wor­ten mit offe­nem Ende auf kom­plexe Fra­gen. Mit Fuß­no­ten und Quel­len­an­ga­ben – etwas, das ich mir bei allen Sach­bü­chern wün­schen würde.

So habe ich viel dar­über gelernt, wie eng Schlaf und Schlaf­stö­run­gen mit unse­rem Tages­le­ben ver­knüpft sind. Stress, Trau­mata und Depres­sio­nen kön­nen Schlaf­stö­run­gen aus­lö­sen – oder umge­kehrt aus ihnen her­vor­ge­hen. Es geht um Früh­auf­ste­her und Nacht­eu­len, die Aus­wir­kun­gen von fal­schen Tablet­ten und die Aus­wir­kun­gen von Schlaf auf unsere Evolution.

Doch wie mein ver­ges­se­ner Tee zeigt: „Schlaf­los“ ist kei­nes­wegs ein tro­cke­nes Sach­buch. Vor allem ist es ein Erfah­rungs­be­richt. Ver­fasst von jeman­dem, der mit Spra­che umzu­ge­hen weiß. Leicht­her­zig mag es nicht sein, aber das bedeu­tet nicht, dass es nichts zum Schmun­zeln gibt.

„[Der Tag-Nacht-Rhyth­mus] ist tief in unse­rem Erb­ma­te­rial ver­an­kert, in allem, was lebt – bis eines Tages ein Exem­plar der zuneh­mend von sich selbst ein­ge­nom­me­nen, wider­sprüch­li­chen Gat­tung Mensch mit den Bei­nen hoch gegen die Wand gelehnt und sich durch fünf Kis­sen abstüt­zend in Nor­we­gen auf einer Yoga­matte liegt und denkt: Warum kann ich nicht schla­fen?“ (S. 66 f.)

„Schlaf­los“ ist kein Rat­ge­ber, der DIE Lösung prä­sen­tiert, son­dern ein Bericht, der keine Schwie­rig­kei­ten aus­lässt. Es gibt kein Erfolgs­ver­spre­chen, dafür aber jede Menge Infor­ma­tion, eine Prise Humor und – für alle, die Bort­nes Schick­sal oder ein ähn­li­ches tei­len – das Gefühl, ver­stan­den zu werden.

Zuletzt möchte ich noch ein Hoch auf die Umschlag­ge­stal­tung von Marion Blo­meyer aus­spre­chen. Ein Cover mit einem Halb­mond, der im Dun­keln leuch­tet: Wer nicht schla­fen kann, kann wenigs­tens etwas Coo­les anstarren.

Schlaf­los – Wie ich nach tau­send Näch­ten end­lich Ruhe fand. Anders Bortne. Aus dem Nor­we­gi­schen von Sabine Rich­ter. Mai­risch. 2020. Erhält­lich in der Buch­hand­lung eures Ver­trau­ens. // Cover: www​.mai​risch​.de

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