Schneeflöckchen, weiß Röckchen

by Bücherstadt Kurier

Schnee­flöck­chen, weiß Röckchen

(Ich bin zu alt, um „lie­bes Tage­buch“ zu schrei­ben. Denke es dir bitte, mein treuer Begleiter.)

„Schnee­flöck­chen, weiß‘ Röck­chen“, was war wohl die erste Begeg­nung mit dem Schnee­kind für mich? Viel­leicht sind es meine wei­ßen Haare – auch die im Gesicht, die sich lang­sam aber sicher auch über mei­nen Bauch hin­un­ter­win­den – oder mein Gedächt­nis lässt mich tat­säch­lich schon im Stich. Ich kann mich nicht mehr erinnern.
Wir tre­ten immer zusam­men auf – Snjegu­rotchka, das Schnee­flöck­chen, und ich: Väter­chen Frost. Dabei kam sie ursprüng­lich aus einem ande­ren Land, aus einer ande­ren Zeit und aus einem etwas ande­ren Mär­chen zu mir. Ursprüng­lich war ein­mal ein altes Ehe­paar – sie beide müs­sen so graue Haare gehabt haben wie ich – das sich nichts sehn­li­cher wünschte als ein Kind. Sie hat­ten gebet­telt und gebe­ten, doch Gott hatte ihre Bit­ten nicht erhört, bis es zu spät war. So hat­ten sie sich damit abge­fun­den, die Nach­bars­kin­der vom Fens­ter aus beim Spie­len zu beob­ach­ten, ihnen beim Wach­sen und Gedei­hen zuzusehen.
Die Kin­der hat­ten ein gutes Ver­hält­nis zu ihnen: Pjotr, der jüngste der Nach­ba­rin, half gern, wenn es eine Regen­rinne zu rei­ni­gen galt. Eines Abends – ich hatte es gerade schneien las­sen – nahm der Alte eine Hand voll Schnee und kne­tete sie zu einem Ball. „Schau“, sagte er zu sei­ner Frau, „Hät­ten wir ein Töch­ter­chen wäre es genauso weiß.“
Die Alte jedoch winkte ab, schüt­telte die Kapuze aus und wandte sich zur Ein­gangs­tür. „Wo nichts ist, kann auch nichts sein“, erwi­derte sie. Der alte Mann nahm den Schnee mit hin­ein, legte ihn in einen Topf und deckte ihn zu – so wurde Trink­was­ser gewon­nen, wenn die Rohre ein­fro­ren. Am nächs­ten Mor­gen, als sie beide erwach­ten, blickte ein klei­nes Mäd­chen unter den Lum­pen her­vor. „Ich bin Snjegu­rotchka“, ver­kün­dete es, „aus dem Früh­lings­schnee gerollt, von der Früh­lings­sonne gewärmt und getötet.“

Oh, da ruft mich schon der kleine Wir­bel­wind. Ich muss wie­der wei­ter, die Berge tra­gen noch keine wei­ßen Zipfelmützen.

Text: Erika
Bild: Lara

Wie geht das Mär­chen von Snjegu­rotchka wohl wei­ter? Hier erfahrt ihr mehr.
Ein Bei­trag zum Lese­pro­jekt “Rus­si­sche Literatur”.

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