Selbstfindung mit dem Degen

by Geschichtenerzähler Adrian

Wie fin­det man sich wie­der, wenn einem die Kon­trolle gewalt­sam weg­ge­nom­men wurde? Quen­tin Zut­tion, der sowohl Autor als auch Zeich­ner ist, zeigt in dem Comic „En Garde!“ wie die drei Frauen Lucie, Tamara und Nicole ihre Leich­tig­keit wie­der­fin­den. Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian hat sie dabei begleitet.

Lucie, Nicole und Tamara könn­ten nicht unter­schied­li­cher sein. Lucie ist geschie­den und teilt sich das Sor­ge­recht um ihren klei­nen Sohn mit ihrem Ex-Mann. Nicole kann auf­grund eines chro­ni­schen Rücken­lei­dens nicht mehr als Köchin arbei­ten und unter­hält sich mit ihrem Hund, wäh­rend Tamara ihr Leben mit Dro­gen und Alko­hol auf der Tanz­flä­che verbringt.

Jedoch ver­bin­det eine Sache diese drei Frauen: Sie wur­den alle Opfer sexu­el­ler Gewalt. So wurde Tamara als Kind von ihrem Bru­der miss­braucht, Nicole in ihrer Jugend von einer Gruppe Mit­schü­ler und Lucie ist Opfer ihres gewalt­tä­ti­gen Ex-Man­nes. Nun tref­fen diese drei See­len auf­ein­an­der, nach­dem sie sich bei einem the­ra­peu­ti­schen Fecht­kurs ange­mel­det haben, der ihnen hel­fen soll, in ihrem Leben wie­der Halt zu finden.

Ein schwe­res Thema leicht erzählt

Quen­tin Zut­tion inter­es­sie­ren Men­schen und ihre Schick­sale. In dem Comic „Nennt mich Nathan“ beleuch­tet er bei­spiels­weise das Leben eines Jun­gen, der im Kör­per eines Mäd­chens steckt. Auch in „En Garde!“ hat Zut­tion wie­der Figu­ren erschaf­fen, in deren Lebens­welt er ein­taucht und sie für die Betrach­ten­den des Comics offenlegt.

Mit sexu­el­lem Miss­brauch wurde hier eine sehr schwere und teil­weise auch tabui­sierte The­ma­tik gewählt. Zut­tion legt den Fokus dabei nicht auf die Opfer­rolle, son­dern auf das lang­same Wie­der­erstar­ken der Figu­ren. Somit strahlt der Comic viel Posi­ti­ves und Lebens­be­ja­hen­des aus. Auch die sich ent­wi­ckelnde Freund­schaft die­ser drei so unter­schied­li­chen Frauen und deren Zusam­men­spiel sind sehr erfrischend.

Starke, wei­che Bilder

Quen­tin Zut­ti­ons Zeich­nun­gen sind sehr fein. Er zeich­net seine Figu­ren mit dün­nen Linien und ergänzt dies durch eher blasse Far­ben, die seine Cha­rak­tere bei­nahe zer­brech­lich wir­ken lässt – ähn­lich sehr fei­nem Por­zel­lan. Umso stär­ker unter­streicht dies den Kon­trast zur Bot­schaft, die der Comic erfolg­reich sen­det: die eigene Stärke wie­der­fin­den, obwohl man so schein­bar gebro­chen wurde.

Wenn die Frauen in ihren Fecht­an­zü­gen ste­cken, ver­di­cken sich die Linien und nur noch ihre Sil­hou­et­ten heben sich von den rah­men­lo­sen Panels ab. Ihre Anzüge wir­ken wie ein Pan­zer, der sie schützt. Ande­rer­seits unter­streicht jener wei­che Zei­chen­stil auch die Ver­letz­lich­keit der Figu­ren und erzeugt so ein Gefühl von Empa­thie für die Protagonistinnen.

Mit „En Garde!“ hat Quen­tin Zut­tion eine schöne Geschichte über drei Frauen geschaf­fen, die ihre Kraft wie­der­fin­den und sich wie­der hoch­kämp­fen. Der Comic ist ange­nehm zu lesen und lädt bei vie­len Panels zu län­ge­rer und erneu­ter Betrach­tung ein.

En Garde!. Text und Zeich­nun­gen: Quen­tin Zut­tion. Über­set­zung: Anne Thies. Split­ter. 2020.

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