Sich einen Namen machen – mit allen Mitteln!

by Buchstaplerin Maike

Fast so groß und schwer wie ein Block Mar­mor ist sie: Scott McClouds erste Gra­phic Novel. Die knapp 500 Sei­ten spren­gen nicht nur den Umfang, den man sonst von Comics gewohnt ist, son­dern erzäh­len auch meis­ter­haft eine moderne Fabel über Kunst, Erfolg und Liebe. – Von Buch­stap­le­rin Maike

New York: David Smith ist ein jun­ger Bild­hauer, der seine fünf­zehn Minu­ten Ruhm hin­ter sich hat. Ohne Inspi­ra­tion und neue Skulp­tu­ren drückt ihn sein gro­ßer Traum umso stär­ker nie­der: Sich einen Namen in der Kunst­welt machen. Die Wende kommt erst, als der talen­tierte Mann mit dem Aller­welts­na­men einen Pakt mit dem Tod abschließt. Er wird nur mit sei­nen Hän­den als Werk­zeuge alles for­men und erschaf­fen kön­nen, was er will. Im Gegen­zug hat er jedoch nur noch 200 Tage zu leben. Eine leichte Ent­schei­dung, wenn man vor dem Abgrund steht. Doch selbst mit sei­nen neuen Kräf­ten bleibt der Erfolg aus, und David muss sich fra­gen, was er wirk­lich will. Denn als er sich in die labile Meg ver­liebt, wird ihm klar, dass es im Leben mehr gibt als Kunst und Erfolg. Aber Davids Zeit läuft ab...

„Was wür­dest du geben für deine Kunst, David?“ – „Ich würde mein Leben geben.“

Bei einer Gra­phic Novel ist es nicht nur die Geschichte, die die Lesen­den fes­seln muss, son­dern auch die Bil­der. Die Zeich­nun­gen hal­ten sich farb­lich sehr zurück und unter­strei­chen die Geschichte genau rich­tig: Mal redu­ziert, mal vol­ler Details bil­den die schwarz-blau-wei­ßen Illus­tra­tio­nen die Atmo­sphäre per­fekt ab. Die Geschichte fließt ohne zu sto­cken und chan­giert von hell nach dun­kel, um Davids Stim­mung zu spie­geln. Und McCloud ver­steht es, mit und in den Panels die Geschichte zu erzäh­len, mal lang­sam und mal vol­ler Asso­zia­tio­nen. Für mich beim Lesen der viel­leicht erstaun­lichste Moment war die Abbil­dung des Unaus­sprech­li­chen – eine weiße Seite, so ein­fach, so genial.

Die Geschichte selbst ist ein solide kon­stru­ier­tes moder­nes Mär­chen, wie eine lineare Skulp­tur, an der man immer neue Details ent­deckt. Doch McClouds Stärke des Geschich­ten­er­zäh­lens ist auch seine Schwä­che: Davids 200 Tage fol­gen einem Mus­ter, das trotz eini­ger ori­gi­nel­ler Ideen teil­weise vor­her­seh­bar wirkt. Doch ohne Frage geht das Kon­zept auf. Die Span­nung baut sich immer wei­ter auf, wäh­rend die Zeit abläuft und David mit inne­ren und äuße­ren Kon­flik­ten zu kämp­fen hat.

Ins­ge­samt ist „Der Bild­hauer“ ein bit­ter­sü­ßer Kom­men­tar auf die moderne (Kunst-)Welt. Wie kann man sich einen Namen machen und erfolg­reich sein, ohne die eige­nen Ideale zu ver­ra­ten? Und was ist Ruhm letz­ten Endes? Für mich ist die erste große Gra­phic Novel von Scott McCloud, der vor allem für seine Sach­bü­cher zum Comic-Genre bekannt ist, eine kurz­wei­lige Über­le­gung zu Kunst und Iden­ti­tät – und nicht nur für Comic-Fans einen Blick wert.

Der Bild­hauer. Scott McCloud. Über­set­zung: Jan-Fre­de­rik Ban­del. Carl­sen. 2015.

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