Sieben Mann auf des toten Manns Kiste #Todesstadt

by Worteweberin Annika

Als die Marry Rus­sel 1828 im Hafen von Cove in Irland anlegt, liegt fast die gesamte Mann­schaft tot unter Deck. Hat die Besat­zung eine Meu­te­rei geplant oder ist der Kapi­tän wahn­sin­nig gewor­den? Worte­we­be­rin Annika hat die „Sie­ben Lich­ter“ aus Alex­an­der Pech­manns Roman beobachtet.

Eher zufäl­lig erfah­ren der Ich-Erzäh­ler und sein frisch­ge­ba­cke­ner Schwa­ger Wil­liam Scoresby von den unheim­li­chen Gescheh­nis­sen, als sie im Hafen am Schiff des Grau­ens vor­bei­fah­ren. Unwei­ger­lich füh­len sie sich von der Geschichte ange­zo­gen und bege­ben sich an Bord, um mehr zu erfah­ren. Auf der Marry Rus­sel bie­tet sich ihnen ein Bild des Schre­ckens – unter Deck lie­gen sie­ben schlimm zuge­rich­tete Leichen.

Die Aus­sa­gen von Besat­zung und Kapi­tän Wil­liam Ste­wart wider­spre­chen sich – wäh­rend er sich von einer Meu­te­rei bedroht fühlte, kei­nen ande­ren Aus­weg als die sie­ben Morde sah und schließ­lich floh, hal­ten ihn die Über­le­ben­den für wahn­sin­nig. Der Fall lässt die bei­den Prot­ago­nis­ten bis zur Gericht­ver­hand­lung nicht los, und auch danach hän­gen ihnen die Geschichte und die sie­ben Lich­ter, also die sie­ben Toten nach.

Echte See­fah­re­rer­in­ne­run­gen

Pech­manns Roman „Sie­ben Lich­ter“ beruht auf einem wah­ren Kri­mi­nal­fall, der im 19. Jahr­hun­dert für Auf­se­hen sorgte. Wäh­rend der Ich-Erzäh­ler eine unschein­bare Gestalt ist, stellt der zweite Prot­ago­nist Wil­liam Scoresby eine gut doku­men­tierte, wenn auch inzwi­schen ver­ges­sene Figur dar. Der See­fah­rer und spä­tere Theo­loge berich­tete in sei­nem Buch „Memo­ri­als of the Sea“ tat­säch­lich über die Gescheh­nisse der Marry Rus­sel. Wer mehr über die Hin­ter­gründe des Romans erfah­ren möchte, bekommt nicht nur dort, son­dern auch im Nach­wort des Autors viele Infor­ma­tio­nen und Anhaltspunkte.

Da es sich um einen tat­säch­li­chen Fall han­delt, der im Roman beschrie­ben wird, erge­ben sich zwangs­läu­fig auch Ein­schrän­kun­gen für das Erzäh­len der Geschichte. So kann das Ende des Romans unter Umstän­den etwas unbe­frie­di­gend wir­ken, wenn man auf eine lücken­lose Auf­klä­rung des Kri­mi­nal­falls hofft. Doch ist es gerade das Unsi­chere, Ambi­va­lente, das uns auch im rich­ti­gen Leben begeg­net und das die beson­dere Stim­mung von „Sie­ben Lich­ter“ aus­macht. Bei die­sem Roman heißt es: zurück­leh­nen, gru­seln und die Stim­mung genießen!

Den Ton getroffen

Pech­manns Roman erin­nert – wie im Klap­pen­text ange­kün­digt – an die gro­ßen See­fah­rer- und Pira­ten­ge­schich­ten von Robert Louis Ste­ven­son oder Her­man Mel­ville. Auch sprach­lich passt der Erzähl­text her­vor­ra­gend in diese Zeit, ohne ange­staubt oder bemüht zu wir­ken. Hier zah­len sich mit Sicher­heit die aus­führ­li­chen Recher­chen des Autors aus, aber auch, dass er Texte von Ste­ven­son, Mel­ville, Mary Shel­ley und ande­ren ins Deut­sche übersetzte.

Her­vor­zu­he­ben ist auch die beson­ders gefäl­lige Aus­stat­tung von „Sie­ben Lich­ter“, das vom Steidl Ver­lag neben der anspre­chen­den Umschlag­ge­stal­tung einen grif­fi­gen Lei­nen­ein­band und sehr hoch­wer­ti­ges Papier erhal­ten hat, das man ein­fach gerne umblät­tert. Wenn es dann noch mit einer so stim­mungs­vol­len, span­nen­den Geschichte bedruckt ist, natür­lich umso lieber.

Sie­ben Lich­ter. Alex­an­der Pech­mann. Steidl Ver­lag. 2017.

Ein Bei­trag zum Spe­cial #Todes­stadt. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

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1 comment

Alexander Pechmann im Interview – Bücherstadt Kurier 21. Oktober 2019 - 18:05

[…] als Über­set­zer und Her­aus­ge­ber im Lite­ra­tur­be­trieb tätig ist, hat er mit „Sie­ben Lich­ter“ (2017) und „Die Nebel­krähe“ (2019) inzwi­schen zwei Schauerromane […]

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