So geht Weltgeschichte

by Zeilenschwimmerin Ronja

Welt­kar­ten sind meist fol­gen­der­ma­ßen auf­ge­baut: Nor­den ist oben und Europa liegt in der Mitte. Sie sind nur ein Aus­druck des­sen, was man Euro­zen­tris­mus nennt. Auch Geschichte wird häu­fig euro­zen­trisch erzählt. Mit „Die Geschichte der Welt“ ver­sucht Ewald Frie daran etwas zu ändern. – Von Zei­len­schwim­me­rin Ronja

Euro­zen­tris­mus ist der Fach­be­griff für eine Welt­an­schau­ung, die alles aus­schließ­lich aus europäischer/westlicher Per­spek­tive betrach­tet. Die groß­flä­chige Aus­brei­tung der euro­päi­schen Kul­tur, euro­päi­scher Werte- und Nor­men­vor­stel­lun­gen und die oft damit ein­her­ge­hende Unter­drü­ckung oder gar Aus­lö­schung ande­rer Kul­tu­ren führte dazu, dass wir heute in einer Welt leben, in der euro­pä­isch-west­li­che Welt­dar­stel­lun­gen, Kultur(en) und Lebens­wei­sen von einem Groß­teil der Welt (ins­be­son­dere von den west­li­chen Län­dern selbst) als Norm ange­se­hen werden.

Doch die Welt besteht nicht nur aus Europa und Nord­ame­rika. Die Mehr­heit der Welt­be­völ­ke­rung lebt in Asien. Im Schul­un­ter­richt habe ich nichts über die Geschichte Asi­ens gelernt. Nichts über die Geschichte Afri­kas oder Süd­ame­ri­kas. Es wurde ja nicht ein­mal the­ma­ti­siert, warum die Welt­kriege tat­säch­lich WELT­kriege waren, da der Fokus immer nur auf den Gescheh­nis­sen in Europa lag. Dabei sind alle Kon­ti­nente schon seit Urzei­ten durch Völ­ker­wan­de­run­gen, Kriege und Han­del mit­ein­an­der verknüpft.

„Der Aus­gangs­punkt der Welt­ge­schichte ist also gar kein Punkt. Er ist ein gro­ßer Raum vol­ler Nebel. Sehr unter­schied­li­che Dinge pas­sier­ten dort gleich­zei­tig, über die wir nicht viel wis­sen.“ (S. 14)

Ewald Frie hat sich eine gewal­tige Auf­gabe vor­ge­nom­men, die Welt­ge­schichte „neu zu erzäh­len.“ Selbst­ver­ständ­lich ist es unmög­lich einen voll­stän­di­gen Rund­um­blick, rein objek­tiv und aus­ge­wo­gen, zu erschaf­fen. Schon gar nicht auf knapp 470 Sei­ten. Aber darum geht es hier erst ein­mal nicht. Sinn und Zweck – so wie ich es ver­stan­den habe – ist es, ein Geschichts­buch anzu­bie­ten, das über den euro­päi­schen Rand hin­aus­schaut, Ver­knüp­fun­gen auf­zeigt und das Welt­bild der (euro­päi­schen) Lese­rIn­nen etwas mehr in die Waage bringt.

„Die Geschichte der Welt“ rich­tet sich dabei vor­nehm­lich an Laien, nicht an Geschichts­pro­fis, die vie­les darin ver­mut­lich ohne­hin schon wis­sen. Auch als wis­sen­schaft­li­ches Fach­buch kann es nicht ange­se­hen wer­den, da keine Fuß­no­ten ver­wen­det wer­den. Dafür bie­tet es zahl­rei­che far­bige Illus­tra­tio­nen von Sophia Mar­ti­neck, die dafür sor­gen, dass kein typi­sches (optisch) lang­wei­li­ges Geschichts­buch ent­stan­den ist. Trotz des eher kind­li­chen Stils der Illus­tra­tio­nen sehe ich das Publi­kum eher in Jugend­li­chen und Erwach­se­nen. Dar­über hin­aus lässt sich „Die Geschichte der Welt“ für ein Geschichts­buch erstaun­lich gut lesen, da sich die Menge an Daten meist in Gren­zen hält (ledig­lich im Kapi­tel zum römi­schen Reich hat sich Frie etwas hin­rei­ßen las­sen). Ganz ohne Daten kommt ein Geschichts­buch natür­lich nicht aus.

„So wie Cook soll­ten wir Welt­ge­schichte nicht als Staf­fel­lauf des Fort­schritts betrach­ten, son­dern als neu­gie­rige und vor­sich­tige For­schungs­reise.“ (S. 32)

Beson­ders ange­nehm ist die Auf­tei­lung der Kapi­tel, die jedes den Fokus auf einen ande­ren Kul­tur­raum legen. Dabei schrei­tet die Zeit von Kapi­tel zu Kapi­tel chro­no­lo­gisch voran, die Ver­bin­dun­gen unter­ein­an­der gehen jedoch nicht ver­lo­ren. Frie greift immer wie­der auf vorige Inhalte zurück, um Ent­wick­lun­gen, Kriege oder das Ver­schwin­den einer Kul­tur zu erklä­ren. Dadurch ent­steht ein deut­lich bes­se­res Ver­ständ­nis der Welt­ge­schichte und der Ver­schrän­kun­gen zwi­schen Natio­nen und Kul­tu­ren, die ihren Lauf viel­fäl­tig beeinflussen.

„Die Geschichte der Welt“ ist ein Geschichts­buch, das in chro­no­lo­gi­scher Rei­hen­folge einen guten Ein­stieg in die tat­säch­li­che WELT­ge­schichte bietet.

Die Geschichte der Welt. Neu erzählt von Ewald Frie. Illus­tra­tion: Sophia Mar­ti­neck. C. H. Beck. 2018.

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