Tote Briefkästen oder: Berlin 1948 Kreatives Häppchen

by Bücherstadt Kurier

Lie­ber „Z“, bin ange­schos­sen, zum Glück kann ich noch schrei­ben. Die Sowjets sind mir auf den Fer­sen. Habe einen Jun­gen gebe­ten, für eine Packung Ziga­ret­ten diese Nach­richt zu depo­nie­ren. Bitte suche so schnell wie mög­lich den ande­ren toten Brief­kas­ten auf. Dort fin­dest Du zwei Sachen: eine Ziga­ret­ten­pa­ckung und einen Brief­um­schlag. Der Brief ist sehr wich­tig! Über­gib ihn dem Eng­län­der, er bringt ihn über die Sek­to­ren­grenze in den Wes­ten. Wo und wann Du den Bri­ten tref­fen kannst, steht auf einem Zet­tel, der in der Ziga­ret­ten­pa­ckung ist. Sei vor­sich­tig! Viel Glück, mach et jut, Dein „Hotte“.

„Z“ blickt stirn­run­zelnd auf, nach­dem er das Schrei­ben im Halb­dun­kel der Bahn­hofs­toi­lette ent­zif­fert hat. Zer­reißt es, spült die Papier­fet­zen weg, ver­lässt das Ört­chen und den Bahn­hof. Eilt davon durch die nächt­li­chen Stra­ßen, immer in Sorge vor Patrouil­len oder Strei­fen. Da ist der tote Brief­kas­ten. Ein Baum in der Nähe einer Park­bank. Ver­krüp­pelt, unverkennbar.

Der Brief und die Ziga­ret­ten­pa­ckung sind da! Schnell ein­ste­cken und dann weg! Wie­der auf einer Straße. Plötz­lich in der Mor­gen­däm­me­rung ein Mann. Unver­kenn­bare Uni­form, sowje­tisch. „Hast Feuer?“ „Z“ steckt sich auch eine an, beide rau­chen. Der Sowjet­russe wirkt gut­mü­tig. Fragt: „Was machen um diese Zeit?“ „Z“ holt die Dienst­mütze mit dem Post­horn aus sei­ner alten Akten­ta­sche und sagt, die Mütze auf­set­zend: „Post, wir ste­hen früh auf!“ Der Russe grinst mit brei­ter Zahn­lü­cke, legt die Hand zum Abschied an seine sowje­ti­sche Mili­tär­mütze, was „Z“, der Post­ler, erleich­tert imi­tiert. Dann macht er sich auf, um einen ganz bestimm­ten Brief „zuzu­stel­len“.

Stadt­be­su­cher Jür­gen Rösch-Brassovan

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