Tränen im Schnee

by Geschichtenerzähler Adrian

Mit sei­nem neuen Film „Wind River“ skiz­ziert Regis­seur Tay­lor Sheri­dan, der auch das Dreh­buch geschrie­ben hat, eine Sze­ne­rie aus Hoff­nungs­lo­sig­keit und skru­pel­lo­ser Unge­rech­tig­keit inner­halb der ame­ri­ka­ni­schen India­ner­re­ser­vate. Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian und Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina haben sich die­sen Thril­ler im Kino angeschaut.

Wäh­rend der Suche nach einer Puma­mut­ter und ihren bei­den Jun­gen, wel­che Nutz­vieh geris­sen haben, stößt der Jäger Cory Lam­bert, gespielt von Jeremy Ren­ner („Marvel’s The Aven­gers“, „Arri­val“), im „Wind River“-Indianerreservat im Schnee auf die Lei­che der indi­ge­nen, 18-jäh­ri­gen Nata­lie. Todes­ur­sa­che: Ertrun­ken an ihrem eige­nen Blut, da die Kälte ihre Lun­gen zum Plat­zen gebracht hat. Das Selt­samste ist jedoch, dass sie keine Schuhe trägt und meh­rere Mei­len vom nächs­ten Haus ent­fernt liegt.
Für die Ermitt­lun­gen ent­sen­det das FBI die junge und noch recht uner­fah­rene Agen­tin Jane Ban­ner, gemimt von Eliza­beth Olsen („Marvel’s The Aven­gers“), wel­che unvor­be­rei­tet in den Fall stol­pert. Ihr zur Seite steht das She­riff-Depart­ment, wel­ches für die­ses Reser­vat zustän­dig ist.

Da Ban­ner ebenso wie Lam­bert und die Poli­zis­ten alles Weiße sind, wer­den sie von den Reser­vat­sin­dia­nern als Außen­sei­ter ange­se­hen und dem­entspre­chend behan­delt, was die Ermitt­lun­gen ziem­lich erschwert. Nur Cory, wel­cher ehe­mals mit einer indi­ge­nen Reser­vat­s­be­woh­ne­rin ver­hei­ra­tet war, mit der er einen Sohn und eine Toch­ter hat, scheint eine Ver­bin­dung zu den India­nern zu haben. Mit­hilfe von Corys Jagd­kennt­nis­sen und Jane Ban­ners FBI-Marke kom­men die bei­den auf die Spur eines grau­sa­men Verbrechens.

Eine Geschichte, die unter die Haut geht

Zusam­men mit dem gran­dio­sen Fil­men „Sica­rio“ und „Hell or High­wa­ter“ kom­plet­tiert sich mit „Wind River“ die von Sheri­dan erdachte Ame­ri­can-Fron­tier-Tri­lo­gie. Die drei von­ein­an­der unab­hän­gi­gen Filme beschäf­ti­gen sich mit den Grenz­ge­bie­ten der USA und den dort herr­schen­den Pro­ble­men und Missständen.

In „Wind River“ etwa wird die Lage der ame­ri­ka­ni­schen Urein­woh­ner dar­ge­stellt und ihr Leben in den Reser­va­ten. Es wird immer wie­der auf die The­men Dro­gen, Alko­hol und Per­spek­tiv­lo­sig­keit sowie feh­lende Hand­lungs­frei­heit inner­halb der Reser­vat­s­gren­zen ein­ge­gan­gen und ver­deut­licht, wie wenig Respekt den Stäm­men der indi­ge­nen Bevöl­ke­rung Nord­ame­ri­kas ent­ge­gen­ge­bracht wird.

Eine sich ergän­zende Besetzung

Jeremy Ren­ner trans­por­tiert in sei­ner Rolle des Jägers Cory Lam­bert glei­cher­ma­ßen die Men­ta­li­tät eines mit­füh­len­den Fami­li­en­men­schen und die eines ein­sa­men Wol­fes. Er bewegt sich zwi­schen den Gren­zen der wei­ßen ame­ri­ka­ni­schen Bevöl­ke­rung und der indi­ge­nen. Auch Eliza­beth Olsen kann in ihrer Rolle als uner­fah­rene FBI-Agen­tin über­zeu­gen. Jane Ban­ner ist ste­tig damit beschäf­tigt der Ver­ant­wor­tung gerecht zu wer­den, wel­che ihr ihre Marke auf­er­legt. Gleich­zei­tig gerät sie immer wie­der in Situa­tio­nen, die sie hart an ihre nerv­li­chen Gren­zen bringen.

Neben Ren­ner und Olsen lie­fert auch der indi­gene Schau­spie­ler Gil Bir­ming­ham („Twi­light – Bis(s) zum Mor­gen­grauen“, „Hell or High­wa­ter“) eine glaub­haft emo­tio­nale Rolle als Nata­lies Vater Matin Han­son ab. Seine Fami­lie ver­kör­pert viele der Pro­bleme, wel­che der Film auf­zu­zei­gen ver­sucht. Der Vater, wel­cher an den alten aus­ster­ben­den Tra­di­tio­nen fest­hält, der Sohn, der aus Per­spek­tiv­lo­sig­keit den Dro­gen ver­fal­len ist, die Toch­ter, die einer grau­sa­men Gewalt­tat zum Opfer fällt, sowie die Mut­ter, wel­che das gan­zen Elend nur noch mit selbst­ver­let­zen­dem Ver­hal­ten ertra­gen kann.

Eine Atmo­sphäre von eis­kal­ter Schönheit

Sheri­dan schafft es mit dem Zusam­men­spiel von Bil­dern und Musik bezie­hungs­weise Geräu­schen die Hoff­nungs- sowie Trost­lo­sig­keit die­ses Ortes aus­drucks­stark zu trans­por­tie­ren. In man­chen Momen­ten hört man nur die Stille der Natur, das Kna­cken des Schnees unter den Füßen oder sehr mini­mal unter­legte Musik, die etwa von Nick Cave bei­gesteu­ert wurde. Wo bei den Kame­ra­auf­nah­men der unbe­rühr­ten Natur noch eine ange­nehme Ruhe mit­schwingt, kommt eine Schwere auf, wenn es um die her­un­ter­ge­kom­me­nen und bei­nahe get­toi­sier­ten Reser­vat­s­dör­fer geht.

Ein Fun­ken Kritik

Für kurze Ver­wir­rung sorgt eine über­ra­schende Rück­blende, auf wel­che der Film ansons­ten ver­zich­tet. Zwar ist der Über­gang von der Gegen­wart in die Ver­gan­gen­heit flie­ßend, trotz­dem sorgt dies für einen Moment der Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit. Zudem erscheint diese Rück­blende etwas fehl am Platz: Der Inhalt die­ses Sze­nen­wech­sels wurde anschlie­ßend erneut in kur­zen Sät­zen dar­ge­stellt, sodass die­ser Rück­blick den Film um meh­rere nicht not­wen­dige Minu­ten verlängerte.

Fazit

Mit fan­tas­ti­schen sowie emo­tio­na­len Bil­dern und einer authen­ti­schen Beset­zung zeigt „Wind River“, auf der Grund­lage eines Thril­lers, das Leben inner­halb der ame­ri­ka­ni­schen India­ner­re­ser­vate auf. Trotz des schwe­ren The­mas hat man nie das Gefühl, Sheri­dan würde mit sei­ner Geschichte mit einem schuld­zu­wei­sen­den Fin­ger auf einen zei­gen. Statt­des­sen geht man mit offe­ne­ren Augen aus dem Kino und wird zum Nach­den­ken ange­regt. Selt­sa­mer­weise ist der Film in Ber­lin, trotz der recht bekann­ten Beset­zung, nur in ver­ein­zel­ten, zum Teil recht klei­nen Kinos zu sehen.

Wind River. Regie und Dreh­buch: Tay­lor Sheri­dan. Dar­stel­ler: Jeremy Ren­ner, Eliza­beth Olsen, Gil Bir­ming­ham u.a. Wild Bunch Ger­many. 2017.

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