Über wahre Tapferkeit und (Über-)Mut

by Zeichensetzerin Alexa

„Der Über­fall“ gehört zu Leo N. Tol­s­tojs ers­ten Wer­ken. Es ist eine Erzäh­lung über fal­schen Mut und wahre Tap­fer­keit in Kriegs­zei­ten. Erschie­nen ist das Werk erst­mals im Jahre 1853. - Von Zei­chen­set­ze­rin Alexa

Es ist der 12. Juli, als der Kapi­tän den Ich-Erzäh­ler auf­sucht. „Ich komme soeben vom Ob.Ost. Mor­gen rückt unser Batail­lon aus.“ „Wohin?“, fragt der Erzäh­ler. „Nach Enden. Dort sol­len sich die Trup­pen sam­meln. […] Der Befehl lau­tet: Abmar­schie­ren.“ Der Erzäh­ler möchte mit­kom­men, wor­auf ihm der Kapi­tän rät, lie­ber nicht mit­zu­ge­hen. Die­sen Rat nimmt sich der Erzäh­ler jedoch nicht zu Her­zen, denn er war­tet schon lange dar­auf, ein Gefecht mit­zu­er­le­ben. Das wirft die Frage auf: Was ist Tap­fer­keit? Die bei­den begin­nen zu dis­ku­tie­ren. „Tap­fer ist, wer sich so benimmt, wie es sich gehört“, sagt der Kapi­tän. Der Ich-Erzäh­ler denkt dar­über nach, erin­nert sich an die Worte des Phi­lo­so­phen Pla­ton und kommt schließ­lich zu dem Schluss: „Tap­fer ist, wer nur das fürch­tet, was man fürch­ten muss und nicht das, was man nicht zu fürch­ten braucht.“

Am nächs­ten Tag zie­hen sie los und der Erzäh­ler beginnt von sei­nen Ein­drü­cken zu berich­ten. Er beob­ach­tet die Men­schen, die sich auf den Kampf vor­be­rei­ten und sich sehr dar­über freuen. Von Trauer und Angst keine Spur, als sei das, was sie vor haben zu tun, nur ein Spiel. Sie lachen und fei­ern und schei­nen über das, was kom­men mag, nicht wei­ter nach­zu­den­ken. Diese Sorg­lo­sig­keit bringt den Ich-Erzäh­ler zum Nach­den­ken. Er fragt sich, wie sich jemand dar­über freuen kann, ande­ren Men­schen Leid zuzu­fü­gen. Mor­gen schon könnte jeder von ihnen tot sein. Aber wahr­ha­ben will es schein­bar nie­mand. Der fal­sche Mut, der zu Über­mut führt, treibt schließ­lich so man­chen in den Tod. Und der Ich-Erzäh­ler fragt sich: Ist denn nicht genug Platz auf die­ser Welt für alle? Muss die­ser Krieg denn wirk­lich sein?

„Der Über­fall“ ist eine phi­lo­so­phi­sche Erzäh­lung, die einem zeigt, dass Tap­fer­keit und Mut nicht immer rich­tig sind und mit wel­chem Preis diese bezahlt wer­den müs­sen. Mar­kus Hoff­mann liest diese Geschichte so über­zeu­gend und ange­nehm, dass man sich trotz des schwie­ri­gen The­mas auf den Inhalt ein­las­sen kann. Seine ruhige Art zu lesen ermög­licht eine inten­si­vere Aus­ein­an­der­set­zung mit den Gedan­ken und Gefüh­len des Prot­ago­nis­ten, da man nicht durch über­trie­bene Arti­ku­la­tion unter­bro­chen wird. „Der Über­fall“ ist ein emp­feh­lens­wer­tes Werk, für alle, die gerne philosophieren.

Der Über­fall. Leo N. Tol­s­toj. Spre­cher: Mar­kus Hoff­mann. Argon. 2004. Erst­ver­öf­fent­li­chung: 1853.

Ein Bei­trag zum Lese­pro­jekt “Rus­si­sche Lite­ra­tur”. // Über Tol­s­tojs Erzäh­lung „Der Über­fall“ berich­te­ten wir bereits in der 12. Aus­gabe.

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1 comment

Leseprojekt: Russische Literatur | Bücherstadt Kurier 11. Oktober 2014 - 13:07

[…] Rah­men des Pro­jek­tes „Rus­si­sche Lite­ra­tur“ sind bereits fol­gende Bei­träge erschie­nen: „Der Über­fall“ von Leo N. Tol­s­toj „Die Dame mit dem Hünd­chen“ von Anton Tsche­chow „Die […]

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