Über das Anderssein und den Krieg

by Zeichensetzerin Alexa

Kon­flikte, Unge­rech­tig­kei­ten, das Anders­sein und der Krieg – die­sen The­men wid­men sich die Bil­der­bü­cher „Wie ist es, wenn es Krieg gibt?“ und „Wie ist es, wenn man anders ist?“, zwei von vier Bil­der­bü­chern einer Reihe mit erns­ten The­men. Zei­chen­set­ze­rin Alexa hat einen kri­ti­schen Blick dar­auf geworfen.

Im ers­ten Moment erschei­nen die Titel und ihre Auf­ma­chung (zusam­men­ge­legt erge­ben die vier Bücher optisch ein Bild, in des­sen Mitte die Welt­ku­gel ist) sehr inter­es­sant und bedeut­sam. Denn es ist wich­tig, dass sich Kin­der mit The­men wie dem Anders­sein, dem Krieg, der Armut und der Flucht bei­spiels­weise mit­hilfe von Bil­der­bü­chern aus­ein­an­der­set­zen kön­nen. Viele brin­gen Fra­gen in diese Rich­tun­gen bereits mit, wenn sie ihre Umwelt wahr­neh­men. Sie mer­ken, dass andere Kin­der eine andere Haut­farbe haben, sie bekom­men mit, wenn plötz­lich ein neues Kind in die Kita kommt, das eine andere Spra­che spricht. Kin­der habe ich in die­ser Hin­sicht als sehr neu­gie­rig erlebt. Im Gegen­satz zu Erwach­se­nen haben sie keine Scheu, all ihre Fra­gen auch zu äußern, ohne einen Gedan­ken daran zu ver­schwen­den, ob ihre Fra­gen ange­mes­sen sind.

Mit die­sem päd­ago­gi­schen Hin­ter­grund bin ich an die zwei Sach­bil­der­bü­cher „Wie ist es, wenn es Krieg gibt?“ und „Wie ist es, wenn man anders ist?“ her­an­ge­gan­gen und habe sowohl Stär­ken als auch Schwä­chen ent­deckt. Schon ein­mal vorab: Es han­delt sich hier­bei um Bücher, die im Bücher­re­gal der Kita für Kin­der zugäng­lich auf­be­wahrt wer­den kön­nen – es sind also keine Bücher, die die Beglei­tung einer erwach­se­nen Per­son erfor­dern –, denn sie sind harmlos.

„Wie ist es, wenn man anders ist?“

In die­sem Bil­der­buch geht es um „kleine und große Unge­rech­tig­kei­ten“, wie auf dem Cover ange­kün­digt wird. Es wird ver­deut­licht, dass auf der Welt die unter­schied­lichs­ten Men­schen leben, die ver­schie­dene Inter­es­sen und Lebens­wei­sen haben. Viele leben in Frie­den zusam­men, man­che leh­nen Men­schen, die anders sind als sie, ab. „Wenn du unfair behan­delt wirst, weil du eine andere Haut­farbe hast oder aus einem ande­ren Land kommst, nennt man das Ras­sis­mus.“ (S. 6)

Es geht außer­dem um Into­le­ranz und Vor­ur­teile, aber auch darum, dass es Men­schen und Orga­ni­sa­tio­nen gibt, die ande­ren hel­fen, wenn sie in Not sind. Das Bil­der­buch spricht in jedem neuen Kapi­tel ein wich­ti­ges Thema an und ani­miert dazu, über Fra­gen, die die Kin­der beschäf­ti­gen, zu spre­chen, und sich wei­ter zu infor­mie­ren. Hilf­reich sind hier­bei die wei­ter­füh­ren­den Links am Ende des Buches.

Der Text ist in ein­fa­cher Spra­che ver­fasst und spricht Lese­rin­nen und Leser direkt an. Beson­ders posi­tiv fal­len die Sätze auf, die Empa­thie för­dern: „Wie wür­dest du dich füh­len, wenn dir das pas­siert?“ (S. 15) Die­ser Per­spek­tiv­wech­sel könnte auch der Grund dafür sein, dass die Illus­tra­tion im Kapi­tel „In der Schule“ zeigt, wie meh­rere Kin­der, die ein Kopf­tuch tra­gen, ein ande­res Kind (ohne Kopf­tuch) ausschließt.

Grund­sätz­lich fällt auf, dass die Illus­tra­tio­nen mehr erzäh­len wol­len, als im Text steht. Das gelingt mal mehr, mal weni­ger gut, da die Ansätze kei­nem durch­gän­gi­gen Kon­zept fol­gen. So ent­ste­hen Ver­wir­run­gen hin­sicht­lich der Aus­sa­gen – ist die Illus­tra­tion nun als Per­spek­tiv­wech­sel gemeint oder soll sie die Rea­li­tät abbil­den? Vor allem im Kapi­tel „Was ist Ras­sis­mus“, in dem es unter ande­rem auch um die Haut­farbe geht, ent­steht Ver­wir­rung, da in den Illus­tra­tio­nen keine PoC (People of Color) abge­bil­det werden.

„Wie ist es, wenn es Krieg gibt?“

Das Bil­der­buch „Wie ist es, wenn es Krieg gibt“ weckt trotz der wich­ti­gen, erns­ten The­men, die darin behan­delt wer­den, den Ein­druck, dass Krieg etwas Nor­ma­les und Unab­wend­ba­res ist. Ins­be­son­dere Aus­sa­gen dar­über, dass der Krieg nach bestimm­ten Regeln abläuft, rufen Skep­sis her­vor. Und auch Sätze wie „Die Wahr­schein­lich­keit, dass ein Ter­ro­rist dir oder dei­ner Fami­lie in irgend­ei­ner Weise weh­tun wird, ist aber sehr, sehr gering“ (S. 10), erschei­nen unrealistisch.

Nicht sel­ten fragte ich mich beim Lesen die­ses Bil­der­bu­ches, wel­che Ziel­gruppe hier kon­kret ange­spro­chen wird und ob Kin­dern nicht zuge­traut wird, die Wahr­heit zu erfah­ren. Es wird näm­lich an kei­ner Stelle aus­rei­chend ver­deut­licht, dass der Krieg etwas sehr Schlim­mes ist, dass Men­schen, die den Krieg mit­er­le­ben, alles ver­lie­ren kön­nen. Das, was im Bil­der­buch „Wie ist es, wenn man anders ist“ in Ansät­zen gut funk­tio­niert hat, näm­lich der Per­spek­tiv­wech­sel, geht in die­sem Buch ver­lo­ren. Am Ende bleibt das Gefühl der Igno­ranz und damit ver­bun­den der Ein­druck: Das, was außer­halb mei­ner fried­li­chen Lebens­welt geschieht, geht mich nichts an, es betrifft mich nicht.

Selbst­ver­ständ­lich sollte es gerade bei sol­chen The­men nicht darum gehen, Ängste her­vor­zu­ru­fen. Etwas zu ver­harm­lo­sen ist jedoch genauso kon­tra­pro­duk­tiv. Der beste Weg ist es, den rich­ti­gen Ton zu tref­fen und Kin­dern das Gefühl zu ver­mit­teln, dass sie ernst genom­men wer­den – und sie ver­tra­gen viel mehr Wahr­heit, als von vie­len Erwach­se­nen ange­nom­men wird.

Ein Fazit?

Beide Bil­der­bü­cher konn­ten mich nicht gänz­lich über­zeu­gen – „Wie ist es, wenn es Krieg gibt?“ ist dabei deut­lich schwä­cher als „Wie ist es, wenn man anders ist?“. Am Ende lie­ßen mich die Bücher etwas rat­los zurück. So fragte ich mich bei­spiels­weise, wes­halb alle Men­schen im Bil­der­buch „Wie ist es, wenn es Krieg gibt?“ weiß dar­ge­stellt sind, wenn Kon­flikte und Kriege doch auf­grund von Ras­sis­mus ent­ste­hen kön­nen. Mög­li­cher­weise wurde hier­bei ver­sucht, Neu­tra­li­tät her­zu­stel­len – als seien die Haut­farbe und Her­kunft für den Krieg irrele­vant –, was aller­dings voll­kom­men an der Rea­li­tät vorbeiführt.

Ich kann die Bil­der­bü­cher daher nur ein­ge­schränkt emp­feh­len; für eine erste Aus­ein­an­der­set­zung mit den darin behan­del­ten The­men sind sie geeig­net, für einen ernst­haf­ten Blick dar­auf bedarf es jedoch wei­te­rer Lite­ra­tur mit mehr Tiefe, Infor­ma­tion und Rea­li­täts­be­zug, der sich nicht nur an der fried­li­chen Lebens­welt der hier ange­spro­che­nen Ziel­gruppe orientiert.

Wie ist es, wenn man anders ist? / Wie ist es, wenn es Krieg gibt? Text: Louise Spils­bury. Illus­tra­tion: Hanane Kai. Über­set­zung: Jonas Bed­ford-Strohm. Gabriel Ver­lag. 2019. BK-Alters­emp­feh­lung: Ab 5 Jahren.

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