Über Freundschaften und was ein Esel damit zu tun hat

by Satzhüterin Pia

Als Auf­takt zu einer neuen Reihe ist jüngst „Der kleine Esel Lie­ber­nicht“ erschie­nen. Ein bun­tes Bil­der­buch von Mar­tin Balt­scheit und Clau­dia Wei­kert, das Satz­hü­te­rin Pia nicht in allen Punk­ten über­zeu­gen konnte.

Die Tiere auf dem alten Bau­ern­hof sind trau­rig und besorgt: Ihre geliebte Bäue­rin Kathie hat ihre letzte Reise ange­tre­ten. Claire, die nach ihr auf den Hof kommt, fährt mit ihrem Cabrio vor und scheint nicht ein­mal Gum­mi­stie­fel zu besit­zen. Den­noch sind die Tiere vol­ler Hoff­nung, denn „wer so tüch­tig tele­fo­niert, ist bestimmt auch eine gute Bäue­rin.“ Nach und nach kom­men sie doch noch dahin­ter, dass das kein Umzugs­wa­gen ist, der kurz nach Claire vor­ge­fah­ren kommt, son­dern dass sie, die Tiere, abge­holt wer­den sol­len. Die grö­ßer wer­dende Unruhe auf dem Hof endet erst, als die Ese­lin ein klei­nes Esel­foh­len auf die Welt bringt. Claire ist sofort hin und weg und tauft das neu­este Mit­glied des Bau­ern­ho­fes „Lie­ber­nicht“. Denn weg­ge­hen möchte sie nun lie­ber nicht mehr.

The­men­pot­pourri …

Das Buch greift viele Aspekte auf – aber was genau ist nun das zen­trale Thema? Der Tod gleich zu Anfang sowie die Geburt des klei­nen Esels? Der Kon­trast von Stadt und Land durch Claire? Oder geht es um Schick­sal und unver­hoffte Neu­an­fänge? Oder ist am Ende die Freund­schaft das zen­trale Thema? Ich ten­diere zu Letz­te­rem und den­noch bleibt ein leicht über­la­de­ner Ein­druck – zumin­dest für ein Kin­der­buch auf 40 Sei­ten, das sich an Kin­der ab 4 Jah­ren rich­ten soll.

… und Figurensalat

Der namens­ge­bende kleine Esel Lie­ber­nicht spielt in dem Buch natür­lich eine tra­gende Rolle – denn er ist der­je­nige, der den Fort­be­stand des Bau­ern­ho­fes ermög­licht, wenn auch unwis­send –, den­noch erscheint er irri­tie­rend spät und erst im letz­ten Vier­tel des Buches. Sein Name soll daher rüh­ren, dass er sich Zeit damit ließ auf die Welt zu kom­men und Claire zudem nun „lie­ber nicht“ mehr vom Hof weg­ge­hen möge. Spä­tes­tens vor dem Hin­ter­grund der noch nach­fol­gen­den Titel wie „Der kleine Esel Lie­ber­nicht – Baden? Lie­ber nicht!“ wirkt dies arg konstruiert.

Figu­ren wie Linh – schein­bar eine Art hof­ei­gene Haus­halts­hilfe? – wer­den wie selbst­ver­ständ­lich inte­griert und nicht ein­mal durch einen Neben­satz irgend­wie ein­ge­ord­net. Stört dies auch Kin­der oder nur mich?

Die Sache mit dem Tod

Der Tod der Bäue­rin Kathie gleich auf den ers­ten Sei­ten wird nicht expli­zit benannt. Kathie merkt, dass sie sich von den Tie­ren ver­ab­schie­den muss, um gemein­sam mit einem alten Freund ihre letzte Reise anzu­tre­ten. Eine sehr blu­mige und indi­rekte Umschrei­bung für das Ster­ben und den Gevat­ter Tod, der für die vom Ver­lag ange­ge­bene Alters­gruppe kaum not­wen­dig gewe­sen wäre – immer­hin kom­men Kin­der mit dem Thema Tod oft­mals bes­ser zurecht als Erwach­sene. So könnte hin­ge­gen sogar Erklä­rungs­be­darf ent­ste­hen, wenn Kathie so plötz­lich geht und nur impli­zit verstirbt.

Lie­be­voll gestaltet

Das Bil­der­buch ist sehr lie­be­voll gestal­tet. Details wie die Hüh­ner beim Kaf­fee­kränz­chen erin­nern an „Pet­ters­son und Fin­dus“. Das große For­mat und die abwechs­lungs­rei­che Gestal­tung laden zum Betrach­ten und zum Ent­de­cken ein. Mal sind es viele Sze­nen ver­eint in einem Bild durch die mehr­fa­che Abbil­dung einer Figur, mal ist es nur ein gro­ßes ruhi­ges Bild, das die Bot­schaft des Tex­tes auf der Seite unter­malt. Einige Sze­nen dür­fen über die gesamte Dop­pel­seite wir­ken, andere Sei­ten und Text­blö­cke sind für sich illus­triert. Zum Betrach­ten und ins Gespräch kom­men laden auch die Umschlag­in­nen­sei­ten ein. Diese zei­gen vorne sim­pel skiz­ziert den Hof von Kathie – und mit der­sel­ben Skizze hin­ten den Hof von Claire. Kathies Name ist hier über­malt, was tat­säch­lich den Cha­rak­ter der Aus­tausch­bar­keit verstärkt.

Ins­ge­samt ist der erste Band „Der kleine Esel Lie­ber­nicht“ ein net­tes und unter­halt­sa­mes Bil­der­buch gewor­den, des­sen ins­ge­samt sehr idyl­li­sches Bau­ern­hofs­et­ting durch eine Mischung aus tra­gi­schen und oft auch komi­schen Ele­men­ten auf­ge­mischt wird. Die Alters­an­ga­ben des Ver­la­ges sind ver­mut­lich eher nach hin­ten zu kor­ri­gie­ren: Für 4‑Jährige ist der Text ten­den­zi­ell zu umfang­reich und eher zum Vor­le­sen für 6‑jährige Kinder.

Der kleine Esel Lie­ber­nicht. Text: Mar­tin Balt­scheit. Illus­tra­tio­nen: Clau­dia Wei­kert. Loewe. 2021. BK-Alters­emp­feh­lung: ab 6 Jahren.

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