Ungeschreiblich: Über wirklich schlechte Literatur

by Zeilenschwimmerin Ronja

Wir alle haben schon ein­mal von einem Buch behaup­tet, dass es schlecht ist. Zei­len­schwim­me­rin Ronja hat nun aller­dings in einer wage­mu­ti­gen Expe­di­tion den Boden der Schlech­tig­keit durch­bro­chen und ist in die Kel­ler­ge­wölbe hinabgestiegen.

Vor min­des­tens zwei Jah­ren, es kön­nen aber auch schon drei sein, schenkte mir jemand „Ein Licht in der Dun­kel­heit“ von Ste­pha­nie Rose. Meine Begeis­te­rung beim Anblick des Covers und nach Durch­sicht des Klap­pen­tex­tes hielt sich ehr­lich gesagt schon damals in Gren­zen, der Haupt­grund dafür, dass die­ses Buch so lange in mei­nem Sta­pel der unge­le­se­nen Bücher (SuB) gele­gen hat. Dort hätte es ver­mut­lich noch einige Zeit wei­ter geschlum­mert, bis es irgend­wann unge­le­sen in einem öffent­li­chen Bücher­schrank gelan­det wäre (diese Gefahr besteht bei geschenk­ten Büchern, so Leid es mir tut), wenn ich mir nicht vor­ge­nom­men hätte, die­ses Jahr mög­lichst viele SuB-Lei­chen zu lesen (Bücher, die län­ger als ein Jahr unge­le­sen sind). Und was wäre mir da fast entgangen!

Ein Para­de­bei­spiel schlech­ter Lite­ra­tur! Schlecht in gleich mehr­fa­cher Hin­sicht. Wenn es so schlecht ist, warum habe ich es den­noch durch­ge­le­sen? Aus schlich­ter, stumpf­sin­ni­ger Albern­heit. Mei­ner Mit­be­woh­ne­rin und mir war lang­wei­lig. Gedan­ken­los zog ich ein Buch her­vor und begann, vor­zu­le­sen. Nach weni­gen Sei­ten stand für uns fest, dass es bes­ser wäre, die­ses Buch zur Seite zu legen. Statt­des­sen packte uns der – nen­nen wir es mal – Ehr­geiz und aus unse­rer Ver­zweif­lung ange­sichts der Schlech­tig­keit ent­stand ein Trink­spiel der ande­ren Art: für jede der zahl­rei­chen, stän­dig wie­der­hol­ten Stan­dard­for­mu­lie­run­gen einen Schluck Was­ser. Nach zwei Kapi­teln (nicht ein­mal 40 groß­zü­gig bedruckte Sei­ten) hat­ten wir (jede für sich) bei­nahe drei Liter getrun­ken. Es muss nicht erläu­tert wer­den, warum die­ses Trink­spiel kei­nen Fort­be­stand haben kann.

Nach­fol­gend möchte ich (sehr aus­führ­lich) dar­le­gen, warum „Ein Licht in der Dun­kel­heit“ so schlecht ist, dass die­ses Urteil nicht mehr allein auf Geschmack oder eine gewisse Lese­er­fah­rung zurück­zu­füh­ren ist. Bevor ich anfange, möchte ich mich aber noch bei der Per­son ent­schul­di­gen, die mir das Buch geschenkt hat: Ich weiß das Geschenk trotz­dem zu schät­zen und es hat mir einige Stun­den – nicht Lese­ver­gnü­gen, das kann man nicht sagen – Lese­zeit beschert. Und deine Wid­mung war wirk­lich sehr nett.

Die for­male Schlechtigkeit

Das Cover wirkte auf mich, wie gesagt, bereits abschre­ckend. Lang­wei­lig und nicht son­der­lich hin­ge­bungs­voll gestal­tet (auch wenn die Illus­tra­tion durch­aus von jeman­dem mit grund­le­gen­dem zeich­ne­ri­schen Talent gefer­tigt wurde). Jetzt muss ich aller­dings sagen: Das Cover ist so ziem­lich das Beste am gan­zen Buch, gemein­sam mit der sta­bi­len Bin­dung. Der Klap­pen­text ist ziem­lich nichts­sa­gend, gibt die Gescheh­nisse falsch wie­der und noch dazu wird nur eine der Haupt­per­so­nen nament­lich erwähnt. Aber Klap­pen­texte sind ja häu­fig schlecht, hier steht er nur bereits sinn­bild­lich für den Rest des Romans.

Die for­male Schlech­tig­keit ent­steht vor allem durch das beschei­dene Lay­out und das noch beschei­de­nere Lek­to­rat (sofern es eines gab, was ich anzweifle). Das „Lay­out“ besteht aus Word-Stan­dard­ele­men­ten wie etwa den Über­schrif­ten, einem auto­ma­tisch gene­rier­ten Inhalts­ver­zeich­nis und Times New Roman in Schrift­größe 12. Das kann man grund­sätz­lich schon machen, aber bitte mit etwas Mühe dahin­ter! Bei so vie­len Zei­len­um­brü­chen ist der Block­satz kaum noch vom Flat­ter­satz zu unter­schei­den, geschweige denn, dass so viele Zei­len­um­brü­che über­haupt sinn­voll und not­wen­dig sind. Das­selbe gilt für die zahl­rei­chen über­flüs­si­gen Absätze, die die Erwar­tung wecken, dass nun ein Orts- oder Zeit­wech­sel folgt, was häu­fig nicht der Fall ist. Gleich­zei­tig feh­len andern­orts die Absätze, sodass eben jene Orts- und Zeit­wech­sel von einer Zeile zur ande­ren erfol­gen und erst ein­mal Ver­wir­rung stiften.

Das „Lek­to­rat“ scheint mir über­wie­gend aus der Recht­schreib­kor­rek­tur von Word bestan­den zu haben (wel­che ja mitt­ler­weile wirk­lich recht zuver­läs­sig ist) und den­noch sind noch einige grobe Schnit­zer drin. Mein Lieb­lings­feh­ler ist „unge­schreib­lich“, da er unge­wollt ein beschrei­ben­des Wort für den Roman her­vor­ge­bracht hat. Aber abseits von ver­zeih­li­chen Tipp‑, Recht­schreib- und Zei­chen­set­zungs­feh­lern (davor ist ja nie­mand ganz gefeit), hätte ein Lek­to­rat auch auf vie­les andere ach­ten müs­sen, auf das ich in den fol­gen­den Abschnit­ten ein­ge­hen werde. Aber was will man von einem Lek­to­rat erwar­ten, wenn nicht ein­mal die ange­häng­ten kur­zen Wer­be­texte für andere selt­same Bücher des Ver­lags (dazu spä­ter mehr) feh­ler­frei sind?*

Die sprach­li­che Schlechtigkeit

Kom­men wir nun zur For­mu­lie­rung und dem sprach­li­chen Stil, sofern man es Stil nen­nen möchte. Es ist aller­dings eher stil­los, wenn es zu solch sprach­li­chen Blü­ten wie „raub­vo­gel­ar­tige Vögel“ kommt. Vor allem aber ist das Voka­bu­lar, mit dem der Roman aus­kommt, ins­ge­samt sehr begrenzt. Der Gefühls­aus­druck der Figu­ren beschränkt sich weit­ge­hend auf fol­gende Reak­tio­nen: erschau­ern (alter­na­tiv auch erschau­dern geschrie­ben), betrübt, nicken, kopf­schüt­teln, zit­tern, errö­ten, lächeln, bli­cken, stirn­run­zeln, Augen zusam­men­knei­fen, rol­len­den Trä­nen und einem schnel­ler schla­gen­den Herz. Wenn sie ein­mal grin­sen, ist schon die höchste Varia­tion erreicht. Noch schwe­rer zu ertra­gen wer­den diese stän­di­gen Wie­der­ho­lun­gen dadurch, dass sie nicht sel­ten inner­halb von weni­gen Zei­len, manch­mal gar im sel­ben Satz aufeinanderfolgen.

Das glei­che gilt für zahl­rei­che alt­be­kannte Stan­dard­flos­keln (wie etwa „die Augen zu Schlit­zen zusam­men­knei­fen“). Dazu gesel­len sich wenig inno­va­tive Meta­phern („ihr Haar glänzte wie Ster­nen­licht“) und die über­mä­ßige und meist unnö­tige Nut­zung von Adjek­ti­ven. Anstatt die Taten oder Aus­sa­gen ihrer Figu­ren für sich spre­chen zu las­sen, schafft die Autorin stän­dig Dopp­lun­gen im Stil von: „Ja“, nickte sie zustim­mend. Dar­über hin­aus sind einige Wör­ter auch noch falsch ver­wen­det. Ich kann nicht sagen, wie häu­fig eine Figur ent­geis­tert war, obwohl sie viel­mehr genervt oder ledig­lich milde über­rascht hätte sein sol­len. Ent­geis­tert ist man im All­tag (und die Figu­ren erle­ben sehr viel All­tag) in der Regel nicht sehr häufig.

Platt und höl­zern fällt die wört­li­che Rede vor allem dadurch auf, dass sich die Autorin schein­bar nicht zwi­schen der alter­tüm­lich ange­hauch­ten Anre­de­form Ihr und Eurer und einer sehr umgangs­sprach­li­chen Rede ent­schei­den konnte. Beson­dere High­lights dabei sind: ok (immer wie­der auch okay geschrie­ben), cool und Kum­pel. Und bes­tes Bei­spiel für die unge­wollte Komik der wört­li­chen Rede ist ein „Böse­wicht“, der „Es war mir eine Freude, euch zu unter­wan­dern!“ sagt.

Die inhalt­li­che Schlechtigkeit

Die­ser Abschnitt muss noch wei­ter auf­ge­teilt wer­den, da die drei Aspekte, die hier bespro­chen wer­den sol­len, sehr umfang­reich sind. Zuerst soll es um die Figu­ren gehen, anschlie­ßend wer­den auch die phan­tas­ti­sche Welt und die Hand­lung an sich in den Fokus gerückt.

Die Schlech­tig­keit der Figuren

In ein oder zwei Ama­zon-Rezen­sio­nen zu die­sem Buch ist davon die Rede, dass es zu viele Cha­rak­tere gäbe und man sie dadurch häu­fig durch­ein­an­der bringe. Ich behaupte das Gegen­teil: Es sind nicht zu viele Cha­rak­tere (alles in Allem um die 15 Stück, das sollte man sich mer­ken kön­nen). Es sind eigent­lich gar keine Cha­rak­tere. Um diese Bezeich­nung zu ver­die­nen, müss­ten sie so etwas wie Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten besit­zen. Dafür sind jedoch sämt­li­che Figu­ren zu blass gezeich­net, und selbst blass ist noch zu hoch gegriffen.

Äußer­li­che Beschrei­bun­gen der Figu­ren beschrän­ken sich (sofern es über­haupt dazu kommt) auf Haar- und Augen­farbe, ab und zu noch mal ein Klei­dungs­stück. „Cha­rak­ter­li­che“ Beschrei­bun­gen wer­den meist von ande­ren Figu­ren in wört­li­cher Rede oder Gedan­ken vor­ge­nom­men, anstatt das Ver­hal­ten der Figu­ren für sich spre­chen zu las­sen. Auf diese Weise erhal­ten anfangs wenigs­tens man­che der Haupt­fi­gu­ren eine Eigen­schaft. Beson­ders her­vor­ge­ho­ben wird hier die „Müt­ter­lich­keit“ und Häus­lich­keit von Yvan­nie, die ihr tat­säch­lich auch kon­stant erhal­ten bleibt. Dafür ver­schwin­det ihre schwer­mü­tige, ver­ant­wor­tungs­volle (sinn­lose) Ernst­haf­tig­keit vom Anfang schein­bar über Nacht, sodass sie am Ende von einer ande­ren Figur um ihre „stän­dige Fröh­lich­keit“ benei­det wird. Das rest­li­che Per­so­nal hat zumeist keine ein­zige indi­vi­du­elle Eigen­schaft. Sie ver­hal­ten sich grund­le­gend gleich: Die Guten ver­mei­den Gewalt, lächeln viel, wei­nen viel, gera­ten kaum anein­an­der (und wenn, dann nur aus sehr faden­schei­ni­gen Grün­den) und die Bösen sind ein­fach böse, einen Grund braucht es dafür wohl nicht.

Dabei gibt es nicht ein­mal viele Figu­ren, die böse sind. Ins­ge­samt wer­den nur fünf „Böse“ ein­ge­führt, von denen eine von Beginn an zu den Guten über­lau­fen will, ein ande­rer auch schon mit einer anschei­nend ange­bo­re­nen Gut­mü­tig­keit „geschla­gen“ ist und zwei wei­tere durch Über­zeu­gungs­ar­beit, Magie und Ver­spre­chen auf die gute Seite über­lau­fen, sodass am Ende nur die böse Köni­gin als Geg­ner übrig­bleibt. Aber was will man auch von Böse­wich­ten erwar­ten, die sich als Spion unter Guten aus einer inkri­mi­nie­ren­den Situa­tion mit „Ich musste auf Toi­lette!“ her­aus­re­den? Das muss in der Tat ein sehr stil­les Ört­chen sein, auf dem man eine schrei­ende Men­schen­menge in der Nähe nicht hören kann. Aber gegen natür­li­che Zwänge kann man eben nichts tun.

Die Namens­ge­bung ist ein wei­te­rer Kri­tik­punkt. Wäh­rend die erste Hälfte der Figu­ren Phan­ta­sie­na­men erhal­ten hat, sto­ßen plötz­lich nur noch Leute mit all­täg­li­chen (eng­li­schen) Namen dazu (Chris, Ellias und Lau­ren). Genauso inkon­sis­tent ist ihr Alter. Es scheint so, als wäre sich die Autorin selbst nicht sicher, wie alt ihre Figu­ren sein sol­len. Figu­ren, die zu Beginn als „Mäd­chen“ beschrie­ben wer­den, sind spä­ter auf ein­mal alt genug, damit sich eine roman­ti­sche Bezie­hung zu einem „jun­gen Mann“ ent­wi­ckeln kann. Das gilt auch umge­kehrt: Ein Junge, des­sen Alter als ein­zi­ges kon­kret ange­ge­ben wurde (zwölf) ist spä­ter in die erwach­sene, böse Köni­gin ver­liebt (wel­che die Gefühle – zumin­dest dem Anschein nach – auch noch erwi­dert). Das kann mir nie­mand damit schön reden, dass er eine „alte Seele“ hat (dazu mehr im nächs­ten Themenbereich).

Wo wir gerade schon bei zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen sind: Die ent­wi­ckeln sich hier gene­rell sehr sprung­haft. Kaum ist jemand auf­ge­taucht, scheint es allen schon so „als wür­den sie sich ewig ken­nen.“ Ein gesun­des Miss­trauen Frem­den oder auf­fäl­li­gen Per­so­nen gegen­über, die ein­fach so im Nir­gendwo auf­tau­chen oder in den ungüns­tigs­ten Momen­ten plötz­lich auf die Toi­lette ver­schwin­den, scheint allen unbe­kannt zu sein. Genauso schnell schmei­ßen sie sich gegen­sei­tig an die Hälse, im wahrs­ten Sinne des Wor­tes. Es gibt fast keine Haupt­fi­gur (oder Neben­fi­gur), die nicht zu irgend­ei­nem Zeit­punkt mal wegen einer ande­ren Figur erschau­ert oder Gefal­len an jeman­dem fin­det. Dass am Ende keine große Mas­sen­hoch­zeit statt­fin­det, ist tat­säch­lich ein Wunder.

Es blei­ben aber immer noch genug Kli­schees, keine Sorge. Die tra­di­tio­nelle Rol­len­ver­tei­lung der Geschlech­ter ist gera­dezu par excel­lence abge­bil­det: Kochen und Spü­len ist Frau­en­sa­che, die Män­ner wer­den aus der Küche ver­jagt, die Frauen und Mäd­chen zit­tern stän­dig (ob vor Kälte oder Angst ist ganz egal) und die Män­ner müs­sen die armen, wehr­lo­sen Frauen natür­lich beschüt­zen. Daher ist es ganz selbst­ver­ständ­lich, dass auch nur die Män­ner der Rei­se­gruppe ein Schwert erhal­ten. Selbst die­je­ni­gen Frauen, die sich mit Magie zur Wehr set­zen könn­ten (und es gele­gent­lich auch mal tun), wer­den wei­ter­hin als wehr­los dar­ge­stellt und blei­ben oft bereit­wil­lig hin­ter den Män­nern zurück.

Zu all dem gesellt sich schließ­lich noch eine ermü­dende Pseudo-Emo­tio­na­li­tät. Über­all glit­zert gleich eine Träne im Auge oder platte, unlus­tige Bemer­kun­gen lösen eine wahre Lach­salve aus. Dabei wird dann auch noch die angeb­li­che Schick­sals­ge­schla­gen­heit der Figu­ren betont, aber nie­mals erklärt, was nun eigent­lich so furcht­bar an ihrer Ver­gan­gen­heit ist. Eine Figur etwa hat – wie im ers­ten Drit­tel stän­dig betont wird – ihre Eltern ver­lo­ren und hasst Regen (hassen, nicht nur „nicht mögen“). Hat der Tod ihrer Eltern eine Bedeu­tung? Wie sind sie gestor­ben? Hat ihr Hass gegen­über Regen damit etwas zu tun? Schein­bar nicht, es wird spä­ter nie wie­der ange­spro­chen, obwohl vor­her so ein Brim­bo­rium darum gemacht wurde.

Die Schlech­tig­keit des World Buildings

„Ein Licht in der Dun­kel­heit“ ist ein­deu­tig ein Fan­ta­sy­ro­man, der nicht in unse­rer Welt spielt. Es gibt Ein­hör­ner (mit lila Mähne!), Magie und eine aus­ge­dachte, sehr man­gel­hafte Spra­che (deren Klang sich aus der Schreib­weise rein gar nicht erschließt). Nun ergibt sich aller­dings das Pro­blem, dass über­haupt nicht deut­lich wird, wie man sich diese Welt vor­zu­stel­len hat. Eine Karte ist in die­sem Genre zwar häu­fig dabei, aber ja kein Muss. In die­sem Fall hätte sie vor allem auch gar nichts gebracht, da nur ein Land einen Namen hat und die Him­mels­rich­tun­gen manch­mal ein wenig durch­ein­an­der zu flie­gen schei­nen, wenn Figu­ren, die auf dem Weg nach Nor­den sind, auf ein­mal nach Wes­ten oder Osten gehen – ohne Angabe eines Grun­des. Land­schafts­be­schrei­bun­gen sind fast genauso spär­lich gesät wie Per­so­nen­be­schrei­bun­gen. Am aus­führ­lichs­ten wird noch ein See beschrie­ben, der immer ruhig und warm ist (warum, wird nicht geklärt), an des­sen Ufer eine spre­chende Weide steht (wieso sie spre­chen kann und vor allem, warum sie plötz­lich ein­geht, erfährt man nicht). Dane­ben gibt es noch ein Tal der Ein­hör­ner, eine Ein­öde, einen Sumpf und natür­lich Wäl­der. Einer davon beher­bergt beson­dere Bäume, deren See­len in men­schen­ar­ti­ger Gestalt umher­wan­dern kön­nen. Bloß wieso? Was sind das genau für Wesen? Wei­tere Fra­gen, die unge­klärt bleiben.

Genauso unge­wiss ist auch das gesamte Kon­zept der Magie, das die Grund­lage für den Roman ist. Es soll ein Gleich­ge­wicht zwi­schen Gut und Böse geben, das plötz­lich gestört wird. Schön und gut. Aber warum und von wem wurde es gestört? Warum gibt es eine Aus­er­wählte, die das Gleich­ge­wicht wie­der her­stel­len kann? Und wie schafft sie das? Noch ver­wir­ren­der wird die Stö­rung des Gleich­ge­wichts, als es plötz­lich heißt, dass für jeden Anhän­ger der dunk­len Magie, der auf die gute Seite wech­selt, jemand von den Guten zu den Bösen über­läuft. Wie kann dann das Gleich­ge­wicht gestört wer­den? Und noch wich­ti­ger: Wie kann am Ende das Gleich­ge­wicht wie­der her­ge­stellt sein, wenn das Böse voll­stän­dig besiegt wurde?

Blei­ben wir gerade noch ein­mal bei den Bösen. Diese wer­den kon­stant als Morva bezeich­net. Aller­dings schei­nen sie sich von Men­schen äußer­lich nicht wei­ter zu unter­schei­den, den­noch wer­den sie sofort als sol­che erkannt. Außer natür­lich der Meis­ter des Unter­wan­derns, Herr Ich-War-Auf-Der-Toi­lette, der sich tage­lang erfolg­reich als jemand ande­res aus­ge­ben kann. Dane­ben gibt es noch soge­nannte Gwa’ath, deren Gestalt äußerst unbe­stimmt bleibt. Sie schei­nen furcht­erre­gend aus­zu­se­hend – der Reak­tion der Figu­ren nach –, haben Arme (mit denen sie mit Vor­liebe dro­hend umher­we­deln) und kön­nen spre­chen. Doch nicht ein­mal die Gwa’ath sind unver­rück­bar auf der dunk­len Seite, am Ende lau­fen auch einige von ihnen über. Zumin­dest kurz­fris­tig. Das ist schon ein Kapi­tel spä­ter über­haupt nicht mehr rele­vant, obwohl dort die „große Abschluss­schlacht“ stattfindet.

Nun, wie ver­spro­chen, zu den „alten See­len.“ Fast sämt­li­che Haupt­fi­gu­ren sind wie­der­ge­bo­rene, uralte See­len, die sich alle aus ihrem frü­he­ren Leben ken­nen. Sie sind „die Wäch­ter.“ Aus­ge­löst durch das Auf­ein­an­der­tref­fen mit einer vor­erst schein­bar magie-unbe­gab­ten Per­son, erin­nern sie sich plötz­lich an ihr frü­he­res Leben. Diese Erin­ne­run­gen brau­chen bei den ers­ten Wäch­tern meh­rere Tage, wenn nicht gar Wochen (schwer zu sagen, wenn immer Voll­mond und nur eine Nacht Neu­mond ist), um wie­der­zu­kom­men. Bei fort­schrei­ten­der Hand­lung und jedem neu hin­zu­kom­men­den Wäch­ter keh­ren die Erin­ne­run­gen schnel­ler, bei­nahe augen­blick­lich, zurück. Pas­sen­der­weise kön­nen sie sich aber immer aus­ge­rech­net an die Dinge nicht erin­nern, die „unvor­her­ge­se­hene Ent­wick­lun­gen“ in der Hand­lung vor­weg­ge­nom­men hät­ten. Bei­spiels­weise die frü­here Affäre des (nun) zwölf­jäh­ri­gen Jun­gen mit der bösen Köni­gen, die sei­nen Ver­rat recht­fer­ti­gen soll, zuvor aber über­haupt nicht ange­deu­tet wurde. Was mich zu …

Der Schlech­tig­keit der Handlung

… führt. Ein gro­ßer Teil guter und erfolg­rei­cher Romane nutzt über­ra­schende Wen­dun­gen, um Span­nung auf­kom­men zu las­sen. Je nach­dem, wie viel man selbst schon gele­sen hat und wie aus­ge­fuchst die Wen­dung ist, ist die Über­ra­schung manch­mal nicht mehr ganz so groß, aber der Wille zählt, heißt es ja. Der Wille zu unvor­her­ge­se­hen Wen­dun­gen war auch bei Ste­pha­nie Rose vor­han­den, doch es fehlt etwas Ent­schei­den­des: der faire Ein­satz von Hin­wei­sen. Wenn eine Wen­dung, so wie hier des Öfte­ren, ein­tritt, ohne dass es auch nur eine Chance zum Mitra­ten gab, weil keine ein­zige Figur sich auf­fäl­lig ver­hält, dann ist sie nicht mehr unvor­her­ge­se­hen, son­dern unvor­her­seh­bar und damit keine Wen­dung mehr, son­dern Willkür.

Sicher­lich eben­falls in der Absicht, die Span­nung zu stei­gern, hal­ten auch meh­rere Figu­ren wich­tige Infor­ma­tio­nen (etwa über ihre eigene Per­son), den Lese­rIn­nen (und ande­ren Figu­ren) gegen­über, meh­rere Kapi­tel lang zurück, obwohl klar ist, dass sie sie ken­nen. Was einige Sei­ten ver­zeih­lich ist, wird schnell ner­vig. Wirk­lich ver­wir­rend wird es dort, wo die Kon­ti­nui­tät durch das Aus­las­sen von Infor­ma­tio­nen ver­lo­ren geht. Ganz plötz­lich befin­den sich Figu­ren an ande­ren Orten oder hat sich die Rei­se­gruppe getrennt, ohne dass man weiß, was dazwi­schen pas­siert ist. Manch­mal wer­den die Infor­ma­tio­nen nach­ge­reicht, doch ande­res fällt ein­fach unter den Tisch. So ver­schwin­den etwa die hilf­rei­chen, rie­si­gen „raub­vo­gel­ar­ti­gen Vögel“ von einer Seite auf die andere, ohne danach jemals wie­der erwähnt zu wer­den. Ver­mut­lich weil sie ein­fach jedes Pro­blem gelöst hät­ten, so wie in „Der Herr der Ringe“.** Diese Aus­las­sun­gen wer­den noch zusätz­lich ermü­dend, da die Autorin es tat­säch­lich durch­gän­gig schafft, aus­ge­rech­net die Stel­len mit ech­tem Span­nungs­po­ten­zial nicht zu erzäh­len: Herr Ich-war-Auf-Der-Toi­lette ver­zau­bert die ande­ren und führt einen Teil von ihnen fort – nicht berich­tet. Zwölf­jäh­ri­ger Junge tötet ein Mit­glied der Rei­se­gruppe und flieht anschlie­ßend – nicht berich­tet. Auf­fin­den der Lei­che am Mor­gen – nicht berichtet.

Statt­des­sen kommt die Hand­lung ein­fach nicht in den Gang. Auf­brü­che zur nächs­ten Rei­se­e­tappe wer­den immer wie­der aus lang­wei­li­gen Grün­den ver­scho­ben, die dann ganz aus­führ­lich in ellen­lan­gen Unter­hal­tun­gen wie­der­ge­ge­ben wer­den. Bis zur Hälfte des Romans ist eigent­lich noch nichts wirk­lich pas­siert und selbst danach ist Span­nung ein­deu­tig das fal­sche Wort. Sämt­li­che Hin­der­nisse, denen die Rei­se­gruppe begeg­net, kön­nen sie ohne grö­ßere Pro­bleme über­win­den. Der Grad ihres Zit­terns und ihrer Ver­zweif­lung ist immer grö­ßer als das eigent­li­che Hindernis.

Ein ernst­haf­ter Ein­wurf zur Zwie­lich­tig­keit des Verlages

Ein ganz eige­nes Thema ist auch noch der Ver­lag, der „Ein Licht in der Dun­kel­heit“ ver­öf­fent­licht hat: „Das Neue Licht Ver­lag“, ein Teil des „Jim Hum­ble Ver­lag“. Nun sind beide Namen nicht bekannt und dafür gibt es einige gute Gründe, von denen die lite­ra­ri­schen bereits ange­spro­chen wur­den. Wes­halb ich jedoch noch ein­mal beson­ders auf den Ver­lag ein­ge­hen möchte, erklärt sich aus der zwie­lich­ti­gen Wer­bung am Ende des Buches und den frag­wür­di­gen Waren, die auf der Web­site des Ver­la­ges feil­ge­bo­ten wer­den. Dort wird etwa für Trop­fen gewor­ben, die angeb­lich Was­ser von jeg­li­cher Ver­un­rei­ni­gung rei­ni­gen sol­len (und sie mei­nen wirk­lich jeg­li­che: Viren, Bak­te­rien, Schwer­me­talle, che­mi­sche Rück­stände und Plas­tik – wer nur etwas im Che­mie­un­ter­richt und in Bio­lo­gie auf­ge­passt hat, weiß, dass das bei so unter­schied­li­chen Krank­heits­er­re­gern und Stof­fen mit nur einem Mit­tel völ­lig unmög­lich ist).

Dazu gibt es dann gleich noch die pas­sen­den Fach­bü­cher, die die Anwen­dung eben jener Trop­fen für eine ganze Band­breite von Krank­hei­ten (inkl. AIDS) emp­feh­len (wohl­ge­merkt, es sind die­sel­ben Trop­fen, die auch Che­mi­ka­lien, Schwer­me­talle und Plas­tik ent­fer­nen sol­len – wohl bekomm‘s). Die Erklä­rung, warum ein sol­ches All­heil­mit­tel (gera­dezu eine Eier­le­gende-Woll-Milch­sau, nicht wahr?) nicht all­ge­mein bekannt ist, wird gleich mit­ge­lie­fert: Die Pharma-Indus­trie lässt das nicht zu. Die Grenze zwi­schen alter­na­ti­ver, ergän­zen­der Natur­heil­kunde und poten­zi­ell gesund­heits­ge­fähr­den­den Ver­schwö­rungs­theo­rien ist hier schon längst überschritten.***

Ein auf­mun­tern­des Schluss­wort: Es kann nur bes­ser werden

Ich habe schon bei eini­gen Büchern behaup­tet, dass sie schlecht sind, doch rück­bli­ckend muss ich sagen: So schlecht waren die meis­ten davon gar nicht. Man­che davon haben mich wenigs­tens wütend gemacht, andere hat­ten zumin­dest phan­ta­sie­volle, unge­wöhn­li­che Ideen oder eine ange­nehme Spra­che. „Ein Licht in der Dun­kel­heit“ hat mich völ­lig kalt gelas­sen. Nicht ein­mal die Schlech­tig­keit selbst hat mehr Emo­tion als Resi­gna­tion aus­ge­löst. Wenn ich also auf Teu­fel komm raus irgend­ei­nen posi­ti­ven Aspekt aus die­ser Lek­türe her­aus­zie­hen müsste, dann wäre es die Tat­sa­che, dass dadurch eine Menge ande­rer Bücher in deut­lich bes­se­rem – Hehe! – Licht dastehen.

* Von dem Gedicht, das an den Was-Danach-Geschah-Epi­log anschließt, des­sen posi­tive Eigen­schaft das Nicht­vor­han­den­sein von „Und sie leb­ten glück­lich bis an ihr Ende“ ist, will ich gar nicht erst anfangen.

** Dazu zwei Anmer­kun­gen: a) Ich möchte „Der Herr der Ringe“ kei­nes­wegs mit „Ein Licht in der Dun­kel­heit“ ver­glei­chen. Die zwei sind wie – auf­ge­passt, Wort­witz – Licht und Schat­ten. Aber da das plötz­li­che Ver­schwin­den der Rie­sen­vö­gel wohl dar­auf zurück­zu­füh­ren ist, dass die ganze Reise danach weg­fal­len würde, erin­nerte ich mich b) an die You­Tube-Videos von „How It Should Have Ended“ zur Herr-der-Ringe- und Hob­bit-Tri­lo­gie. Wer sie noch nicht kennt, sollte mal bei ihrem Kanal vorbeischauen.

*** Übli­cher­weise ist der Bücher­stadt Kurier kein Ort für der­lei mah­nende Hin­weise. Das hier ist mir jedoch ein per­sön­li­ches Anliegen.

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