Unterschiedlich sein, trotzdem Freunde sein

by Zeichensetzerin Alexa

Der mit dem Leip­zi­ger Lese­kom­pass aus­ge­zeich­nete Titel „Sorum und Anders“ ver­bin­det zwei wich­tige The­men: Freund­schaft und Viel­falt. Zei­chen­set­ze­rin Alexa hat das Werk aus päd­ago­gi­scher Sicht betrachtet.

„Sorum ist groß, Anders ist klein. Sie ist aus Watte, er ist aus Stein.“ Dass die bei­den Freunde sehr unter­schied­lich sind, ist von Beginn an klar. Schließ­lich ver­rät bereits der Klap­pen­text, dass es hier­bei um Viel­falt geht. Sorum und Anders sehen aber nicht nur ver­schie­den aus, sie haben auch unter­schied­li­che Stär­ken und Schwä­chen. Die­ser Aspekt macht die­ses Papp­bil­der­buch bereits lesens­wert. Den­noch erscheint das Buch in Inhalt und Bild sehr pla­ka­tiv und unter einem kri­ti­schen Blick an eini­gen Stel­len etwas ungeschickt.

So heißt es auf einer Seite: „Sorum ist mutig, Anders nicht sehr. Sie ist ganz leicht, er ziem­lich schwer.“ Hier­bei wird Sorum mit einer Stärke dar­ge­stellt – was aber kann Anders beson­ders gut, außer ziem­lich schwer zu sein? Und an ande­rer Stelle lau­tet der Text: „Sorum sein ist voll okay. Anders sein tut auch nicht weh.“ Ist es – laut Text – daher bes­ser, Sorum zu sein? Gerade der zweite Satz weckt auf­grund der darin ent­hal­te­nen Wer­tung die­sen Eindruck.

Schaut man über diese Text­stel­len hin­weg, bie­tet das Papp­bil­der­buch einen schö­nen Anlass, mit den Kin­dern über die Viel­falt und Unter­schied­lich­keit zu spre­chen. Beson­ders gelun­gen ist hier das Auf­bre­chen von Rol­len­kli­schees, zum Bei­spiel indem Anders, obwohl er ein Junge ist, ein Kleid trägt, und Sorum eine Hose. Auch das Gegen­über­stel­len von Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten und Vor­lie­ben kann zu Gesprä­chen anre­gen. Die Unter­schiede, wel­che die Freunde aus­ma­chen, wer­den dabei ver­glei­chend dar­ge­stellt: „Sorum isst Möh­ren, die mag Anders nicht. Milch­reis mit Zucker ist sein Leibgericht.“

Inter­es­sant ist hin­sicht­lich der Gegen­über­stel­lung auch die Text­struk­tur: Jede Text­seite beinhal­tet vier Zei­len, von denen – bis auf die letzte Seite – die jeweils zweite und vierte Zeile einen Kreuz­reim ent­hält. Da der Text fast durch­ge­hend in der ers­ten Zeile mit „Sorum“ beginnt, fällt der Reim stets auf die Zei­len, in denen es um Anders geht. Das Ver­glei­chen bezie­hungs­weise Gegen­über­stel­len fin­det daher nicht nur auf der inhalt­li­chen Ebene statt, son­dern auch auf der sprach­li­chen. Erst am Ende ver­mischt sich die Text­struk­tur und die Regeln, die zuvor gal­ten, wer­den durchbrochen.

„Sorum und Anders“ bie­tet trotz der Kürze viel Raum zur Inter­pre­ta­tion. Die Betrach­tung und Deu­tung kann je nach eige­ner sub­jek­ti­ver Wahr­neh­mung erfol­gen und zu kri­ti­schen Fra­gen anre­gen. So kön­nen bestimmte Zei­len unter­schied­lich gewer­tet wer­den: Ist der „Quatsch“, den Anders baut, etwas Nega­ti­ves oder Posi­ti­ves? Was bedeu­tet es, wenn „Anders nicht sehr“ mutig ist? Allein auf­grund die­ser indi­rek­ten Auf­for­de­rung zur Selbst­re­fle­xi­vi­tät ist die­ses Papp­bil­der­buch schon eine Emp­feh­lung wert. Es mag nur ein kur­zes Werk sein, aber es ver­ste­cken sich so viele große Fra­gen darin!

Sorum und Anders. Text: Yvonne Her­gane. Illus­tra­tion: Chris­tiane Pie­per. Peter Ham­mer Ver­lag. 2017.

Ein Bei­trag zum Spe­cial #Kun­ter­bunt. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

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