Verfluchte Medien

by Geschichtenerzähler Adrian

Mit „Chan­nel Zero: Candle Cove“ bringt Regis­seur Craig Wil­liam Macn­eill eine der berühm­tes­ten Cree­py­pas­tas – eine neue Form der Urba­nen Legen­den – als sechs­tei­lige Serie ins Heim­kino. Die Hand­lung fokus­siert sich auf eine Fern­seh­se­rie, wel­che Kin­der dazu bringt, schreck­li­che Dinge zu tun. Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian hat sich dem Gru­sel gestellt.

Nach­dem sein Zwil­lings­bru­der ver­schwand, hat Mike Pain­ter sei­nen Hei­mat­ort ver­las­sen. Nun als Kin­der­psy­cho­loge tätig kehrt Mike, gespielt von Paul Schnei­der, nach 28 Jah­ren wie­der nach Iron Hill zurück, da ihn irgend­et­was zu rufen scheint. Hier trifft er nicht nur seine alten Kind­heits­freunde wie­der, son­dern muss sich auch sei­ner ver­stö­ren­den Ver­gan­gen­heit stel­len: Die mys­te­riöse Fern­seh­se­rie „Candle Cove“ – ein Pup­pen­thea­ter, das sich um die Aben­teuer des Pira­ten Percy dreht – wird erneut aus­ge­strahlt. Schon vor 28 Jah­ren hat diese Serie für einige Todes- und Ver­miss­ten­fälle unter den Kin­dern der Klein­stadt gesorgt und nun geht es erneut los.

Mike macht es sich zur Auf­gabe, nicht nur das Ver­schwin­den sei­nes Zwil­lings­bru­ders end­lich auf­zu­klä­ren, son­dern auch die Aus­strah­lung von Candle Cove zu stop­pen. Jedoch gerät auch er ins Faden­kreuz der Ermitt­lun­gen, denn nie­mand glaubte ihm, dass eine Fern­seh­se­rie Kin­der ver­schwin­den las­sen könnte.

Was ist eine Creepypasta?

Wie bereits erwähnt, basiert „Chan­nel Zero: Candle Cove“ auf einer soge­nann­ten Cree­py­pasta. Dies ist ein Inter­net­phä­no­men, das sich aus der Form der urba­nen Legen­den her­aus ent­wi­ckelt hat – ein bekann­ter Ver­tre­ter die­ses Phä­no­mens ist etwa der Slen­der­man. Hier­bei wer­den Gru­sel­ge­schich­ten im Inter­net ver­brei­tet, wel­che von ver­fluch­ten Video­spie­len, Seri­en­kil­lern, Mons­tern, Geis­tern und vie­len ande­ren fürch­ter­li­chen Gestal­ten han­deln. Auch viele pop­kul­tu­relle Ein­flüsse spie­len in diese mit rein. Häu­fig wer­den Medien wie Fern­se­hen, Inter­net, bezie­hungs­weise all­ge­mein Com­pu­ter in die Geschichte mit eingewebt.

So basiert die Grund­ge­schichte von Candle Cove bei­spiels­weise auf einem Foren­blog, in dem meh­rere User über ihre Erleb­nisse mit der unheim­li­chen Fern­seh­se­rie berich­ten. Meist wer­den Cree­py­pas­tas von ande­ren Usern wei­ter­ge­spon­nen und durch „eigene Erfah­run­gen“ ergänzt, sodass sich bald ein klei­nes Uni­ver­sum um eine Figur ent­spinnt – ein Bei­spiel hier ist auch die Geschichte um Seri­en­kil­ler Jeff.

Wer mehr über das Thema der Cree­py­pas­tas erfah­ren möchte, kann ent­we­der in hun­derte davon auf You­tube hin­ein­hö­ren – Stich­wort „Cree­py­pasta“ – oder wird unter die­sem Link fündig.

Sehr nah an den Wurzeln

Was Ken­nern von Cree­py­pas­tas recht früh in der Serie auf­fällt, ist, dass sich die Geschichte von Candle Cove gut an das Kon­zept die­ser Art von Hor­ror­ge­schich­ten hält. So sind Cree­py­pas­tas meist von Per­so­nen geschrie­ben, der weder eine umfang­rei­che schrift­stel­le­ri­sche Aus­bil­dung, noch viel Erfah­rung in der Buch­bran­che haben. Es sind meis­tens Jung­au­toren, wel­che nicht zum Geld­ver­die­nen schrei­ben, son­dern aus Spaß am Gruseln.

Dadurch bringt „Chan­nel Zero: Candle Cove“ die Cree­py­pasta gut rüber, wirkt aber nicht zu über­pro­fes­sio­nell, sodass man als Zuschauer glaubt, dass diese Geschichte von einem uner­fah­re­nen Erwach­se­nen geschrie­ben wurde. Auch fin­den sich in der Serie hin und wie­der Wort­fet­zen, die aus der Grund­ge­schichte über­nom­men wurden.

Die Ruhe vor dem Grusel

Da Jump-Sca­res – auch als BUH!-Effekt beim Erschre­cken bekannt – in geschrie­be­nen Geschich­ten nicht funk­tio­nie­ren, haben Autoren von Cree­py­pas­tas zwei Mög­lich­kei­ten, Gru­sel in ihren Geschich­ten zu erzeu­gen: Ent­we­der über die Atmo­sphäre oder Gore – also gaa­anz viel Blut.

„Chan­nel Zero: Candle Cove“ bedient sich Ers­te­rem und ver­zich­tet (fast) kom­plett auf Jump-Sca­res. Mit lang­sa­men Bil­dern wird hier Gru­sel und Span­nung auf­ge­baut, wel­che den Zuschau­ern die­ses unan­ge­nehme Gefühl in der Magen­grube besche­ren. Die­ser Span­nungs­auf­bau sorgt ebenso dafür, dass wei­ter­ge­guckt wer­den will. Man will wis­sen, was als nächs­tes pas­siert, da auf Erlö­sung von die­ser Anspan­nung gehofft wird.

Bekann­tes Verhalten

Schaut man sich Mike Pain­ter als Prot­ago­nist genauer an, so ist er mehr Kind geblie­ben, als er erwach­sen gewor­den ist. Er ist fest davon über­zeugt, dass die Serie „Candle Cove“ für die mys­te­riö­sen Vor­fälle ver­ant­wort­lich ist. Ihm gegen­über steht der Klein­stadt­po­li­zist Gary Yolen, gespielt von Shaun Ben­son, der die Ver­gan­gen­heit am liebs­ten begra­ben will, es jedoch nicht schafft loszulassen.

Manch­mal erin­nert diese Kon­stel­la­tion an einen die­ser alten Kata­stro­phen­filme, in dem es einen Wis­sen­schaft­ler gibt, der ver­sucht, alle von der nahen­den Kata­stro­phe zu war­nen, dem jedoch nie­mand glaubt. Die Rolle des Wis­sen­schaft­lers hat hier Mike, wäh­rend Gary eher den stoi­schen Bür­ger­meis­ter mimt, der den Strand trotz wei­ßen Hais geöff­net las­sen will. Wäh­rend beide fest an ihren Posi­tio­nen fest­hal­ten, bleibt Gary im Ver­gleich zu Mike ein eher ein­di­men­sio­na­ler Cha­rak­ter. Mike ist im Gegen­satz dazu einer­seits ein lie­ben­der Vater und erns­ter Lai­en­er­mitt­ler, ande­rer­seits aber auch ein ego­is­ti­scher, nai­ver Sturkopf.

Zu erwäh­nen ist auch die wun­der­bare schau­spie­le­ri­sche Leis­tung von Mikes Mut­ter Marla, die von Fiona Shaw gespielt wird, wel­che die meis­ten wohl als Tante Petu­nia aus den Harry Pot­ter-Fil­men ken­nen dürften.

Ein Mus­ter­bei­spiel in sei­ner Kategorie

„Chan­nel Zero: Candle Cove“ ist genau das, was man von einer Seri­en­um­set­zung einer Cree­py­pasta erwar­tet. Ruhi­ger, gru­se­li­ger Span­nungs­auf­bau, teils gro­teske Figu­ren und Mons­ter und genug pro­fes­sio­nelle Nai­vi­tät, sodass die Geschichte nicht durch zu starke Ernst­haf­tig­keit ins Lächer­li­che abrutscht, aber den­noch seine Idee glaub­haft rüberbringt.

Wer eher auf Main­stream- bzw. Pop­corn-Hor­ror, mit vie­len Jump-Sca­res steht, wird sich bei „Chan­nel Zero: Candle Cove“ eher lang­wei­len. Fans von Atmo­sphä­ren­hor­ror und Cree­py­pas­tas kom­men hier jedoch voll auf ihre Kosten.

Im Sep­tem­ber (20.09.) die­sen Jah­res kommt mit Slen­der­man eben­falls die Ver­fil­mung einer der bekann­tes­ten Cree­py­pas­tas ins Kino. In Ame­rika sind bereits zwei wei­tere Staf­feln von „Chan­nel Zero“ – „No end house“ und „Butcher’s Block“ – auf dem Sen­der Syfy erschie­nen, wel­che sich eben­falls an bekann­ten Cree­py­pas­tas ori­en­tie­ren. Es ist auch schon eine vierte Staf­fel geplant.

Chan­nel Zero: Candle Cove Sea­son 1. Regie: Craig Wil­liam Macn­eill. Dreh­buch: Nick Antosca. Dar­stel­ler: Paul Schnei­der, Fiona Shaw, Shaun Ben­son, et al. Uni­ver­sal. 2018.

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