Von A wie Abhängigkeit bis Z wie Zucchini Deutscher Buchpreis 2019

by Worteweberin Annika

Mit „Der Große Gar­ten“ stand Lola Randl auf der Lon­g­list für den dies­jäh­ri­gen Deut­schen Buch­preis. Da Worte­we­be­rin Annika gerade unter die Klein­gärt­ner gegan­gen ist, kam der Roman, der sich stel­len­weise wie eine Gebrauchs­an­wei­sung fürs Gärt­nern (und Leben) liest, gerade richtig.

„Der Große Gar­ten“ spielt in einem klei­nen Dorf in der Ucker­mark und in sei­nen Gär­ten. Die­ser Gar­ten­streif­zug ist erfri­schend nüch­tern und ent­lar­vend. In ein­fa­chen Sät­zen und kur­zen Kapi­teln erklärt die Ich-Erzäh­le­rin sich und den Lese­rin­nen und Lesern die Welt von A wie Abhän­gig­keit bis Z wie Zuc­chini. Sie erzählt von den „neuen Men­schen“, die mit klei­nen Ruck­sä­cken bepackt aufs Land strö­men, um vega­nen Kuchen zu essen und ihr Glück zu fin­den und von dem, was dort auf einen war­tet: ein Mann zum Bei­spiel, der zum Steu­ern­spa­ren lie­ber eine GmbH grün­det als zu hei­ra­ten, oder ein Lieb­ha­ber in der Mid­life-Cri­sis, von dem bald alle im Dorf wissen.

Ein Gar­ten ist immer ein Kampf

Ja, das Pri­vat­le­ben der Erzäh­le­rin ist nicht ganz unkom­pli­ziert, immer­hin gibt es auch noch einen Psy­cho­ana­ly­ti­ker, der sie auf der Couch nicht ana­ly­siert, son­dern aus­zieht, eine The­ra­peu­tin, die da auch nichts mehr ret­ten kann, zwei Kin­der, die Nach­barn, die Japa­ner, die gärt­nernde Mut­ter… Zwar weiß die Erzäh­le­rin sich irgend­wie zu hel­fen, doch ist ihre Logik dabei überraschend:

„Damit der Mann ver­steht, wie prak­tisch es ist, wenn der Lieb­ha­ber gleich im Dorf wohnt, sorge ich dafür, dass wir häu­fig mal schwere Sachen zu tra­gen haben. Dann rufe ich ein­fach den Lieb­ha­ber an und sage ihm, dass er kom­men und uns hel­fen soll.“ (S. 50)

Um das ganze Chaos ein biss­chen zu ord­nen und acht­sa­mer zu wer­den, wie es die The­ra­peu­tin vor­schlägt, beginnt die Erzäh­le­rin damit, ein Gar­ten-Buch zu füh­ren. Alle hal­ten es für ihre neu­este Schnaps­idee, doch ein „Gar­ten ist immer ein Kampf zwi­schen den eige­nen Vor­stel­lun­gen und äuße­ren Gege­ben­hei­ten“, und damit ja fast genauso wie das echte Leben. Also arbei­tet sie sich ein ins Thema, mit eini­gen Abschwei­fun­gen zwar, aber doch lernt sie – und die Lese­rin­nen und Leser gleich mit – immer mehr über Regen­wür­mer, Maul­würfe und den Japa­ni­schen Knöterich.

Geduld gefragt

Ein­zi­ges Manko an die­sem toll erzähl­ten Roman: Die Erzäh­le­rin tritt auf der Stelle, da kön­nen auch The­ra­peu­tin und Ana­ly­ti­ker nicht hel­fen, und die Erzäh­lung tut es ihr gleich. Natür­lich kann man fast unend­lich viel schrei­ben über Schafe und Frucht­folge, doch nach der Hälfte des Romans brauchte ich davon erst ein­mal eine Pause. Aber ich habe viel gelernt durch „Der Große Gar­ten“ und bin nun bes­tens dar­auf vor­be­rei­tet, im nächs­ten Früh­jahr Kar­tof­feln und Salat zu pflan­zen und Rha­bar­ber und Zuc­chini (aber davon nicht zu viele). Manch­mal war ich unge­dul­dig mit die­sem Buch, doch auch dar­über konnte ich etwas lernen:

„Unge­duld ist das starke Ver­lan­gen, etwas sofort haben zu müs­sen. Es ist eigent­lich das natür­lichste Gefühl der Welt. Der ein­zige Grund, etwas nicht sofort haben zu wol­len, könnte sein, dass man aus Erfah­rung weiß, dass, wenn man es dann hat, das Glück, es zu haben, rela­tiv schnell wie­der vor­bei ist und man dann wie­der etwas Neues haben wol­len muss.“ (S. 63)

„Der Große Gar­ten“ ist wie ein Streif­zug durch die Natur. Um den Roman zu lesen, braucht man manch­mal die Geduld eines Gärt­ners, dafür fin­det man aber auch die ein oder andere Satz-Blume, Gärt­ner­wis­sen und wenn man auf­passt, kei­men hin­ter­her ver­blüf­fende Ein­sich­ten auf. Schön, dass es Lola Randl damit auf die Lon­g­list geschafft hat.

Der Große Gar­ten. Lola Randl. Mat­thes & Seitz. 2019.

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