Von Bluttransfusion zu Blutextraktion #Todesstadt

by Wortspieler Nico

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In „Vam­pyr“, dem neu­es­ten Werk aus dem Hause Dontnod („Life is Strange“), las­sen wir uns nach Lon­don ins Jahre 1918 mit­neh­men. Wort­spie­ler Nico schlüpft für euch in die Rolle des Dr. Jona­than Reid, bri­ti­scher Kriegs­ve­te­ran und Feld­arzt, der als ein­zi­ger sei­nes Trupps aus Frank­reich zurück­kehrt. Doch dau­ert es nicht lange und der Biss eines Vam­pirs ver­än­dert unser gan­zes (fortan unto­tes) Leben.

Wir erwa­chen inmit­ten einer Masse von leb­lo­sen, ver­we­sen­den Kör­pern, die der Spa­ni­schen Grippe erle­gen sind. Sehr geschwächt tau­meln wir aus der Lei­chen­grube, um unse­ren Blut­durst zu stil­len. Wäh­rend wir eines unse­rer Opfer leer trin­ken, wer­den wir von einem der Fried­hofs­wär­ter beob­ach­tet. Die­ser schlägt direkt Alarm. Nun heißt es für uns Obacht, denn alle Vam­pir­jä­ger Lon­dons sind jetzt hin­ter uns her. Es ist uns selbst über­las­sen, ob wir uns mensch­li­che Opfer suchen, damit viel mehr Auf­se­hen erre­gen, jedoch auch sehr viel stär­ker wer­den oder ob wir unse­ren Durst nach dem roten Lebens­saft lie­ber mit dem der Rat­ten stil­len und damit eher im Hin­ter­grund blei­ben und uns nur lang­sam ent­wi­ckeln. Mit unse­rer Ent­schei­dung legen wir den Grund­stein für den Ver­lauf der Geschichte.

Auf der Suche nach unse­rem Erschaf­fer begeg­nen wir dem Direk­tor und lei­ten­den Arzt des Pem­broke Hos­pi­tal, einem Lon­do­ner Kran­ken­haus. Die­ser erkennt sofort, dass wir nicht mehr allein der auf Blut­trans­fu­sion spe­zia­li­sierte Arzt sind, der wir einst waren. Doch hat er nicht die Absicht uns zu ver­pfei­fen oder zu lyn­chen, eher ist er dar­auf aus, mit uns Lon­don von der Spa­ni­schen Grippe zu befreien. Er bie­tet uns nicht nur eine Stelle in sei­nem Kran­ken­haus an, die wir dan­kend anneh­men, son­dern unter­stützt uns auch auf der Suche nach dem­je­ni­gen, der für unser Schick­sal ver­ant­wort­lich ist.

Dank unse­rer neuen Stel­lung haben wir nun auch einen Unter­schlupf, an den wir am Tage zur Ruhe kom­men und unsere Fähig­kei­ten ent­wi­ckeln kön­nen. Ebenso haben wir dort die Mög­lich­keit, Impf­stoffe und Tink­tu­ren her­zu­stel­len, um damit der Bevöl­ke­rung und auch uns zu hel­fen. Denn das rei­nere Blut einer gesün­de­ren Bevöl­ke­rung bringt uns mehr Erfah­rungs­punkte, die wir wie­der in unsere Fähig­kei­ten inves­tie­ren kön­nen. In unse­rer Basis gibt es zudem noch eine Werk­bank, an der wir unsere gesam­mel­ten Waf­fen mit gefun­de­nen Gegen­stän­den aus Müll­ton­nen oder geplün­dert von erle­dig­ten Geg­nern ver­bes­sern und erwei­tern können.

Open World? Nicht wirklich!

Das, was wir in Lon­don erkun­den dür­fen, ist zwar nicht allzu viel, doch die vier Stadt­teile mit ihren Unter­be­zir­ken bie­ten ein sehr abwechs­lungs­rei­ches Bild. Es ist bei­spiels­weise schon an der Archi­tek­tur der Vier­tel zu erken­nen, ob wir uns durch eine geho­be­nere Gegend bewe­gen oder in ärm­li­che­ren Krei­sen ver­keh­ren. In allen Bezir­ken sind kleine Ver­ste­cke ver­teilt, in denen wir die­sel­ben Mög­lich­kei­ten haben wie in unse­rer Basis, dem Pem­broke Hos­pi­tal. Denn sonst müss­ten wir für jedes Mal, wenn wir Medi­zin her­stel­len wol­len, wie­der zurück­lau­fen, Schnell­rei­se­punkte suchen wir in die­sem Spiel näm­lich ver­geb­lich. Wäh­rend wir durch die Gas­sen Lon­dons lau­fen, wird uns meist eine Open World nur vor­ge­gau­kelt, denn viele Türen las­sen sich gar nicht oder nur umständ­lich von der ande­ren Seite öff­nen, wes­halb wir dann doch etwas län­ger brau­chen, um in einen neuen Bereich zu gelangen.

Gera­ten wir in den Stra­ßen Lon­dons doch ein­mal an einen Vam­pir­jä­ger oder einen dämo­ni­schen Gegen­spie­ler, haben wir meh­rere Mög­lich­kei­ten, unser unto­tes Leben zu schüt­zen. Wir sind im Besitz einer Haupt- und einer Neben­waffe. Wäh­rend wir in der Haupt­hand ein Schwert, eine Axt oder eine Säge füh­ren, hal­ten wir in der Neben­hand bei­spiels­weise einen Pflock oder einen Revol­ver, mit denen wir nicht nur Scha­den machen, son­dern unse­ren Geg­ner tau­meln las­sen und so den Moment nut­zen und zum blut­saugen­den Biss anset­zen kön­nen. Die­ser schwächt nicht nur unse­ren Gegen­spie­ler, son­dern gibt uns Blut­punkte, die wir für die Nut­zung von Spe­zi­al­fä­hig­kei­ten benö­ti­gen, wel­che Scha­den oder Hei­lung brin­gen. Wir kön­nen aller­dings auch auf Zweihand­waf­fen zurück­grei­fen. Mit die­sen kön­nen wir geg­ne­ri­sche Atta­cken parie­ren, sind in der Hand­ha­bung aller­dings lang­sa­mer, ver­ur­sa­chen dafür aber wesent­lich mehr Scha­den als eine Einhandaxt.

Soll­ten wir in eine grö­ßere Gruppe von Kon­tra­hen­ten kom­men, müs­sen wir unbe­dingt immer wie­der auf unse­ren Aus­dau­er­bal­ken ach­ten. Denn Angriffe und Aus­weich­ma­nö­ver ver­brau­chen unsere Aus­dauer und wir wer­den ein leich­tes Ziel. Dies lässt die Kämpfe aller­dings nicht lang­wei­lig wer­den. Ebenso bei Boss­kämp­fen: Hier soll­ten wir immer mit Bedacht rein­ge­hen, denn sonst haben wir keine Über­le­bens­chance. Sind wir doch ein­mal unauf­merk­sam und wer­den besiegt, bleibt nur zu hof­fen, dass der Check­point nicht zu ungüns­tig gesetzt wurde und wir nicht direkt wie­der über­rannt werden.

Syn­chro top, Gra­fik flop

Lon­don wurde nicht nur mit unzäh­li­gen Ant­ago­nis­ten Leben ein­ge­haucht, son­dern auch mit ins­ge­samt über 60 Per­so­nen, deren Hin­ter­grund­ge­schich­ten und Ver­bin­dun­gen zuein­an­der erforscht wer­den wol­len. Es ist nicht immer ein­fach, die Bezie­hun­gen, die sie zuein­an­der haben, zu ent­schlüs­seln, den­noch hat jeder die­ser Cha­rak­tere eine inter­es­sante und ein­zig­ar­tige Geschichte. Wir müs­sen uns durch Gesprä­che neue Hin­weise zu ande­ren Per­so­nen erar­bei­ten und kön­nen diese dadurch wie­derum in ein neues Gespräch ver­wi­ckeln. Dies kann so einige lange Dia­loge beinhal­ten und ist sehr zeit- und arbeits­auf­wen­dig. Die Dia­loge sind alle in eng­li­scher Ton­aus­gabe gehal­ten, wäh­rend wir uns nur die Spra­che des Unter­ti­tels aus­su­chen kön­nen. In die­sem fin­den sich aber hin und wie­der Recht­schreib­feh­ler und die Cha­rak­tere sind sich man­ches Mal nicht einig, ob sie uns duzen oder sie­zen wol­len. Die Sprach­aus­gabe macht dage­gen eini­ges her. Unter­hal­ten wir uns mit einem Iren, hat die­ser auch einen iri­schen Dia­lekt, tref­fen wir auf einen Rumä­nen, spricht die­ser mit Akzent.

Gra­fisch hätte das Spiel noch bes­ser wer­den kön­nen. Befin­den wir uns in einem Dia­log, zei­gen sich die Gesichts­züge unse­res Gegen­übers recht emo­ti­ons­los – trotz Motion Cap­ture – wäh­rend die Syn­chro recht auf­ge­regt klingt. Ton und Mimik gehen hier deut­lich aus­ein­an­der. Dazu kommt, dass in den Stra­ßen ganze Gebäude wie aus dem Nichts auf­tau­chen, weil sie nach­ge­la­den wer­den müs­sen oder eine Dampf­lok vor­bei­schwebt, weil die Brü­cke, auf der sie fah­ren soll, noch nicht gela­den wurde. Lade­zei­ten erwar­ten uns auch, wenn wir uns gesam­melte Schrift­stü­cke anschauen wol­len, des­sen Schrift zuerst unscharf ist und erst nach kur­zer Lade­zeit leser­lich wird.

Ein­mal in den Gas­sen Lon­dons gefan­gen, ist es trotz der gra­fi­schen Ein­bu­ßen schwer wie­der auf­zu­hö­ren, da durch die musi­ka­li­sche Unter­ma­lung die Syn­chro und die Geschichte vie­les wie­der wett­ge­macht wird. Trotz voll ange­ris­se­ner Hel­lig­keit in den Ein­stel­lun­gen, ist und bleibt die­ser Titel düs­ter – bild­lich und auch geschichtlich.

Vam­pyr. Ent­wick­ler: DONTNOD Enter­tain­ment. Publis­her: Focus Home Inter­ac­tive. 2018. PC, PS4, Xbox One. Action RPG. Ein­zel­spie­ler. Ca. 15 Stunden.

Ein Bei­trag zum Spe­cial #Todes­stadt. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

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