Von Edelgasen und Beziehungsstörungen

by Bücherstadt Kurier

In Laura Lack­manns Roman „Die Punkte nach dem Schluss­strich“ geht es um eine junge Frau, die zwang­haft nach der Liebe sucht. Was pas­siert, wenn man ohne Mann an sei­ner Seite nicht leben kann? Worte­we­be­rin Annika hat mit Lack­manns Prot­ago­nis­tin Luzy dar­über nachgedacht.

Die Punkte nach dem SchlussstrichSeit Luzy als Jugend­li­che ihre beste Freun­din Sophie für einen Jun­gen ver­setzt hat, han­gelt sie sich von einer Bezie­hung zur ande­ren: Apollo, Peter, Jonas. Alle ihre Freunde sind wie Edel­gase, die nur im Reagenz­glas eine Bezie­hung ein­ge­hen, aber eigent­lich am liebs­ten allein blei­ben. Luzy ver­sucht mit allen Mit­teln trotz­dem ein Mit­ein­an­der zu erzwin­gen. Das han­delt ihr schließ­lich eine Mau­so­le­ums-Woh­nung, Sozi­al­stun­den und eine einst­wei­lige Ver­fü­gung ein, doch Luzy hält schon die Augen nach dem nächs­ten Edel­gas-Mann offen.

„Ach, wie schön ist es, von einem rich­tig furcht­ba­ren, gemei­nen, abwei­sen­den Mann ‚fast‘ geliebt zu wer­den.“ (S.206)

Luzys Bezie­hungs­stö­run­gen kom­men, so scheint es, nicht von unge­fähr: Ihre Eltern leben getrennt, aber haben aus Faul­heit ein­fach eine Mauer mit­ten durch die Fami­li­en­villa gezo­gen. Luzy wan­derte dabei als Jugend­li­che in den unpar­tei­ischen Kel­ler. Seit der Tren­nung ver­sucht ihr Vater, sich mit einem mög­lichst unge­sun­den Lebens­stil das Leben zu neh­men, erfolg­los. Und ihre Mut­ter, ein ehe­ma­li­ger Porno-Star, kann ihr auch keine brauch­ba­ren Bezie­hungs­tipps lie­fern. Das ist eine Fami­li­en­kon­stel­la­tion, bei der sich Sig­mund Freud wahr­schein­lich die Fin­ger lecken würde. Luzy sehnt sich nach Liebe und ver­sucht, diese bei ihren Part­nern zu erzwin­gen – ohne zu ahnen, wie sie sich eigent­lich anfühlt. Woher soll sie auch wis­sen, ob nun Schmet­ter­linge oder gif­tige Mot­ten in ihrem Bauch rumo­ren? Vor­sichts­hal­ber ver­stellt sie sich und spielt eine Super-Freun­din, wobei sie sich selbst kom­plett aufgibt.

Abstieg in die Selbstreflexion

Luzy ver­sinkt über das alles in Selbst­re­fle­xion, seziert ihre Emo­tio­nen und ihr Ver­hal­ten, ihre Bezie­hun­gen zu den Män­nern. Im Prin­zip ist das auch schon die Hand­lung des Romans. Wo anfangs noch Mode, Musik und Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten eine Rolle spie­len, blei­ben irgend­wann nur noch Luzys Gedan­ken über die Män­ner. Auch wenn sie genau weiß, was sie alles falsch macht, kann sie trotz­dem nicht damit auf­hö­ren. Statt­des­sen läuft sie der Ver­gan­gen­heit immer wei­ter hin­ter­her. Die Ver­gan­gen­heit ist dabei vor allem Jonas, ihr Ex-Freund, dem sie sich nur auf 100 Meter Ent­fer­nung nähern darf und dem sie trotz­dem hin­ter­her spioniert.

„Es gibt kein Ende, hin­ter dem Schluss­strich fol­gen immer Punkte...“ (S.110).

Beim Lesen kann die stän­dige Ich-Refle­xion bis­wei­len anstren­gend wer­den, zu selbst­be­zo­gen ist die Prot­ago­nis­tin und zu wenig eigent­li­che Hand­lung fin­det außer­halb ihres Kop­fes statt. Manch­mal scheint es, als würde sich die Welt nur um Luzy dre­hen. Noch dazu fällt sie immer wie­der in alte Mus­ter zurück, anstatt sich zu ent­wi­ckeln. Auch am Ende, wenn man auf eine Bes­se­rung hofft und diese schon zum Grei­fen nah ist, streckt Luzy die Hand nur nach einem neuen Feh­ler aus. So macht sie dem Titel des Romans alle Ehre und lässt dem Schluss­strich Punkte fol­gen. Das ist wenigs­tens kon­se­quent. Gleich­zei­tig möchte man aber am liebs­ten die Hände über dem Kopf zusam­men­schla­gen, weil man die Geduld mit der Prot­ago­nis­tin ver­liert. Wer Spaß an Psy­cho­lo­gie hat, dem könnte aber gerade das gefallen.

Eine unge­schickte, lus­tige Erzählerin

Trotz­dem ist Luzy als Erzäh­le­rin auch sym­pa­thisch. Sie ist jemand, der selbst­be­wusst den „glei­chen“ und den „sel­ben“ Pull­over ver­wech­selt und teils sehr lus­tige Ver­glei­che fin­det. Ihre Spra­che ist jugend­lich, schnod­de­rig, manch­mal vul­gär. Damit trifft Laura Lack­mann einen Ton, den wahr­schein­lich viele aus Luzys Genera­tion wie­der­erken­nen. Wer weiß, viel­leicht gilt Ähn­li­ches in abge­mil­der­ter Form auch für Luzys Lebenssituation?
Illus­triert ist der Roman von Laura Tonke. Die Zeich­nun­gen erin­nern an unge­schickte Ver­su­che, am Com­pu­ter­bild­schirm Kunst­werke zu erschaf­fen. Auf ihre etwas höl­zerne, unge­lenke Art fügen sie sich gut in die Geschichte von Luzy ein, deren Ver­hal­ten ja ganz ähn­lich beschrie­ben wer­den kann.

Laura Lack­manns Roman­de­büt ist sicher­lich nicht im klas­si­schen Sinne schön, aber die Geschichte ist inter­es­sant, ver­packt in einen locker-lus­ti­gen Sprach­stil. Wer kein Pro­blem mit einer unver­bes­ser­li­chen, ego­zen­tri­schen Erzäh­le­rin hat, kann hier einen guten Unter­hal­tungs­ro­man finden.

Die Punkte nach dem Schluss­strich. Laura Lack­mann. List. 2016.

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2 comments

Inga 22. August 2016 - 17:07

Mir ging es beim Lesen sehr ähn­lich wie dir.

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Worteweberin Annika 19. Oktober 2016 - 23:11

Schön zu hören, dass es mir da nicht als ein­zige so ging 🙂

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