Von Geschlechterzuordnung und gesellschaftlichen Normen

by Bücherstädterin Rosi

Rosa für Mäd­chen, Blau für Jungs. Prin­zes­sin, Pferde und Pup­pen vs. Rit­ter, Dino­sau­rier und Robo­ter. Geschlech­ter­zu­schrei­bun­gen wie diese fin­den stän­dig statt. Doch warum eigent­lich? Buch­schatz­meis­te­rin Rosi geht dem im Bil­der­buch „Pup­pen sind doch nichts für Jun­gen!“ nach.

Zum Geburts­tag erhält Nico von sei­ner Tante eine Puppe, die er sehr mag und auf den Namen „Mimi“ tauft. Seine Eltern sind ent­setzt, denn: „Pup­pen sind doch nichts für Jun­gen!“ Als Nico seine Puppe auch noch mit zur Schule neh­men will, ist für die Eltern das Maß voll. Der Vater will mit Nico ein „rich­ti­ges“ Spiel­zeug für Jun­gen kaufen.

Auf 32 Sei­ten setzt sich der bel­gi­sche Autor Ludo­vic Fla­mant mit dem Thema Geschlech­ter­zu­ord­nung und gesell­schaft­li­che Nor­men aus­ein­an­der. Sein Text wird unter­malt mit den Zeich­nun­gen des bel­gi­schen Comic­zeich­ners Jean-Luc Eng­le­bert. In ein­fa­cher Kin­der­spra­che wird die Geschichte von Nico und sei­ner Puppe aus Sicht sei­nes älte­ren Bru­ders erzählt. Die­ser begrenzt die Erzäh­lung dabei mit kla­ren, kind­li­chen Wor­ten auf das Wesent­li­che. Die Leser kön­nen sich so ganz genau in die beschrie­bene Situa­tion hin­ein­ver­set­zen und ver­ste­hen, was gerade geschieht und wie die ein­zel­nen Cha­rak­tere empfinden.

Eltern fällt es manch­mal schwer, das Ver­hal­ten ihrer Spröss­linge zu verstehen

Als Mut­ter kann ich mich an eine ähn­li­che Situa­tion erin­nern: Mein Sohn war sechs Jahre alt, als er sich zu Weih­nach­ten eine Puppe wünschte – und wir Eltern ihm diese schenk­ten. Die Groß­el­tern reagier­ten genauso wie die Eltern in unse­rem klei­nen Büch­lein. Mein Sohn jedoch liebte seine Puppe und ging sehr für­sorg­lich mit ihr um; vor allem auch dann, wenn er „Fami­lie“ mit sei­nen älte­ren Schwes­tern spielte und er der „Vater“ war.

In sol­chen Spie­len und eben auch mit Pup­pen haben Jun­gen – und Mäd­chen – die Mög­lich­keit, ihr spä­te­res Leben als rich­ti­ger Vater quasi „vor­weg­zu­neh­men“. Die Mut­ter in die­ser Erzäh­lung drückt dies sehr schön aus: „Warum soll sich dein Sohn nicht um ein Baby küm­mern, das hast du doch auch getan!“ Schließ­lich bedeu­tet die Begeis­te­rung für eine Puppe ja nicht, dass Jun­gen sich nicht auch für „typi­sche“ Jun­gen-Spiel­sa­chen inter­es­sie­ren. Unser Nico und sein Bru­der jeden­falls wis­sen bei­des mit­ein­an­der zu verbinden.

Eltern fällt es manch­mal schwer, sich das Ver­hal­ten ihrer Spröss­linge zu erklä­ren. Das zeigt sich auch in die­sem Buch. Und noch eines wird deut­lich: Die spe­zi­fi­schen Geschlech­ter­zu­ord­nun­gen und Nor­men wer­den in unse­rer Gesell­schaft immer noch so aus­ge­legt, wie es gerade passt: Wieso muss denn aus­ge­rech­net Papa mit sei­nen Söh­nen bas­teln, wenn er dazu keine Lust hat? Das kann dann doch die Mama tun. Und vie­les, was frü­her ein­mal einer Geschlech­ter­zu­ord­nung durch die Gesell­schaft unter­wor­fen war, wird heut­zu­tage ganz selbst­ver­ständ­lich von bei­den Geschlech­tern erle­digt, so wie der Abwasch – und kei­ner stört sich daran!

Ein fein­sin­ni­ges Buch für Kin­der und Erwachsene

Das Buch „Pup­pen sind doch nichts für Jun­gen!“ von Ludo­vic Fla­mant und Jean-Luch Eng­le­bert setzt sich auf char­mante Art mit dem hei­ßen und viel­dis­ku­tier­ten Thema „Geschlech­ter­zu­ord­nung und gesell­schaft­li­che Nor­men“ aus­ein­an­der. Es ist in einer ein­fa­chen, kind­ge­rech­ten Spra­che geschrie­ben und mit fein­sin­ni­gen, zum Text pas­sen­den Zeich­nun­gen unter­malt. Nach Anga­ben des Picus Ver­la­ges soll es für Kin­der ab 4 Jah­ren geeig­net sein. Dies trifft mei­ner Mei­nung nach nicht zu; auf­grund sei­ner The­ma­tik erscheint die­ses Buch für ältere Kin­der ab 7 Jah­ren, aber auch für Erwach­sene geeig­net. Auf jeden Fall ist es ein emp­feh­lens­wer­tes klei­nes Büch­lein, das beim Lesen Freude berei­tet und zum Nach­den­ken anregt.

Pup­pen sind doch nichts für Jun­gen. Ludo­vic Fla­mant und Jean-Luc Englebert.
Picus Ver­lag. 2017. BK-Alters­emp­feh­lung: 7 Jahre.

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