Von Ziegen, Ängsten und dem Glück

by Worteweberin Annika

Kann eine Ziege auf dem Dach eines New Yor­ker Apart­ment­hau­ses leben? Und kann eine Ziege Glück brin­gen? Ant­wor­ten hat Worte­we­be­rin Annika in der Hör­buch­ver­sion von Anne Fle­mings „Zie­gen brin­gen Glück“ gefunden.

Auf dem Dach eines New Yor­ker Hau­ses lebt angeb­lich eine Ziege. Unter dem Dach die­ses Hau­ses leben die unter­schied­lichs­ten Men­schen. Da wäre zum Bei­spiel Joff, ein blin­der Ska­ter und Autor von Fan­tasy-Roma­nen, Jona­than, der sich nach einem Schlag­an­fall nicht mehr mit­tei­len kann, oder Ken­neth, der jede Woche Stroh für seine aus­ge­dach­ten Meer­schwein­chen kauft. Außer­dem woh­nen hier seit neu­es­tem Kid und ihre Eltern Bob und Lisa. Wäh­rend Lisa in einem Musi­cal off-broad­way auf­tritt, sit­ten Kid und Bob einen Hund, der pas­sen­der­weise Cat heißt. Als Kid und ihr neuer Freund Will von der Ziege auf dem Dach erfah­ren, stür­zen sie sich in ein Abenteuer.

Blinde Ska­ter und schüch­terne Mädchen

Alle Figu­ren in „Zie­gen brin­gen Glück“ haben ihr Päck­chen zu tra­gen. Joff bei­spiels­weise ist vor das Pro­blem gestellt, die Frau sei­ner Träume wie­der­zu­fin­den, ohne zu wis­sen, wie sie aus­sieht. Wills Eltern sind 2001 im World Trade Cen­ter gestor­ben. Seit­dem lebt der Junge bei sei­ner Groß­mutter Dr. Lomp – und hat Angst, aus dem Fens­ter zu sehen. Was genau es mit dem Ein­sturz der Hoch­häu­ser auf sich hat, wird kind­ge­recht und emo­tio­nal erklärt. Kid hin­ge­gen ist so schüch­tern, dass sie mit Frem­den nicht spre­chen kann, geschweige denn ihnen in die Augen sehen.

Die Suche nach der Ziege stellt sowohl Will als auch Kid vor Her­aus­for­de­run­gen: Sie müs­sen bei allen Haus­be­woh­ne­rin­nen und Haus­be­woh­nern klin­geln, um mehr über die Ziege zu erfah­ren und spä­ter über das Dach klet­tern, um sie aus­fin­dig machen zu kön­nen. Doch gemein­sam wach­sen beide Kin­der über sich hinaus.

Dadurch, dass sich die Per­spek­ti­ven der Figu­ren abwech­seln und Ein­blick in die Gedan­ken von vie­len gege­ben wird, wer­den alle Ängste und Schick­sale für die Zuhö­re­rin­nen und Zuhö­rer ver­ständ­lich. Ruhe­pol bleibt Andreas Stein­hö­fel, des­sen zurück­hal­tende Lesung die Ori­en­tie­rung erleich­tert. Trotz­dem braucht es hier manch­mal etwas Auf­merk­sam­keit, um am Ball zu blei­ben. Bei einer Gesamt­spiel­zeit von 154 Minu­ten ist es aber auch nicht schlimm, wenn man meh­rere Anläufe neh­men muss, um alle Facet­ten der Geschichte rich­tig einzuordnen.

Brin­gen Zie­gen Glück?

Dass es eine Ziege auf dem Dach gibt, scheint bald bewie­sen. Bleibt die Frage, ob sie denn auch Glück brin­gen kann? Und was ist das eigent­lich, Glück? Wills Groß­mutter Dr. Lomp hält herz­lich wenig davon, denn in ihrem Leben sind zwar schon viele gute, aber auch viele schlechte Sachen pas­siert. Sie hatte Glück und Pech, am Ende haben diese Begriffe keine Bedeu­tung für sie. Jona­than hat nicht das Gefühl, dass Glück ihm über­haupt noch hel­fen könnte. Und Lisa und Bob fra­gen sich, ob sie mit so viel Glück eigent­lich zurecht­kom­men könnten.

Neben der wit­zi­gen Geschichte um eine Ziege auf einem Dach bie­tet „Zie­gen brin­gen Glück“ damit noch eini­ges mehr: Es regt zum Nach­den­ken über das Glück an, zeigt, wie unter­schied­lich Men­schen sein kön­nen und wie man Her­aus­for­de­run­gen bewäl­ti­gen kann. Die Töne, die die Geschichte anschlägt, sind so divers wie die Figu­ren, die in ihr vor­kom­men. Eine große Hörbuch-Empfehlung!

Übri­gens: Die Autorin Anne Fle­ming stammt aus Kanada, dem Gast­land der dies­jäh­ri­gen Frank­fur­ter Buchmesse.

Zie­gen brin­gen Glück. Anne Fle­ming. Über­set­zung: Ingo Herzke. Gekürzte Lesung mit Andreas Stein­hö­fel. Sil­ber­fisch. 2019.

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