„Vortreffliche Frauen“: Wie man (k)eine alte Jungfer bleibt

by Worteweberin Annika

Über 30 und noch kein Ring am Fin­ger? Die Prot­ago­nis­tin Mild­red in Bar­bara Pyms „Vor­treff­li­che Frauen“ führt in den 1940er Jah­ren ein Leben als alte Jung­fer – zwi­schen Ein­sam­keit und Unab­hän­gig­keit hin- und her­ge­ris­sen. Worte­we­be­rin Annika hat ihr Gesell­schaft geleistet.

Als „vor­treff­li­che Frauen“ bezie­hungs­weise „excel­lent women“ bezeich­nete man in den 1940er Jah­ren unver­hei­ra­tete Frauen über 30, die sich der gemein­nüt­zi­gen Arbeit in der Kir­chen­ge­meinde oder ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen wid­me­ten. Mild­red Lath­bury ist eine von ihnen: tugend­haft, farb­los, boden­stän­dig und auf dem bes­ten Wege, etwas ver­schro­ben zu wer­den. Vor­mit­tags arbei­tet sie in einer Orga­ni­sa­tion für ver­armte Damen, nach­mit­tags hilfts sie in der nahe­ge­le­ge­nen Kir­chen­ge­meinde. Als mit den Napiers neue, unkon­ven­tio­nelle Nach­barn in die Woh­nung unter Mild­red zie­hen, wird ihr All­tag nach und nach auf den Kopf gestellt.

Helena Napier ist Anthro­po­lo­gin, hält rein gar nichts von Haus­ar­beit und hat noch nicht ein­mal Topf­lap­pen. Ihr Ehe­mann Rocking­ham, ein ech­ter Char­meur, lässt sich umso lie­ber von Mild­red auf einen Nach­mit­tags­tee ein­la­den. Doch er ist nicht der ein­zige Mann in Mild­reds Dunst­kreis: Durch die Napiers lernt sie den Anthro­po­lo­gen Ever­ard Bone ken­nen, und auch der Gemein­de­pfar­rer Julian Malory ist noch unver­hei­ra­tet. Wäh­rend sie im Umfeld eine Ver­lo­bung und eine Tren­nung beob­ach­tet (und zwi­schen die Fron­ten gezo­gen wird), ist Mild­red wei­ter­hin alleine. Wird sie noch einen Ehe­mann fin­den? Und möchte sie sich über­haupt ver­hei­ra­ten, oder hat das Leben allein nicht auch seine Vorteile?

Bar­bara Pym beob­ach­tet in „Vor­treff­li­che Frauen“ sehr genau und mit einem iro­ni­schen Ton die Gesell­schaft der spä­ten 1940er Jahre. Mild­reds All­tags­sor­gen über die Ange­mes­sen­heit von Baked Beans in der Dose oder einem schlich­ten Kleid ohne Strumpf­ho­sen wir­ken, wenn man sie liest, nich­tig und laden zum Schmun­zeln ein. Doch durch ihre Rolle als vor­treff­li­che Frau wer­den auch viele gesell­schaft­lich rele­vante The­men dis­ku­tiert, die uns heute oft nicht mehr beschäf­ti­gen: Brau­chen Frauen einen Ehe­mann? Wie darf man woh­nen, wenn man allein­ste­hend ist? Und wel­che Lip­pen­stift­farbe ist bitte für eine alte Jung­fer noch ange­mes­sen? Auch heute noch regen diese Fra­gen aber dazu an, über die dama­lige Rolle der Frau nachzudenken.

Bar­bara Pyms Roman von 1952 kommt wie ein Rei­gen der klei­nen und grö­ße­ren per­sön­li­chen Ver­wick­lun­gen daher und erin­nert wohl auch dadurch an Romane von Jane Aus­ten, die deut­lich frü­her erschie­nen. Pym lebte von 1913 bis 1980 und ver­öf­fent­lichte ins­ge­samt drei­zehn Romane. In eini­gen der spä­te­ren Werke erfah­ren neu­gie­rige Lese­rin­nen und Leser sogar grob, wie es nach dem Ende von „Vor­treff­li­che Frauen“ für Mild­red wei­ter­ging. Lei­der sind die ande­ren Romane von Bar­bara Pym jedoch bis jetzt noch nicht ins Deut­sche über­setzt worden.

Vor­treff­li­che Frauen. Bar­bara Pym. Aus dem Eng­li­schen von Sabine Roth. DuMont. 2019.

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