Wenn die Angst zu groß wird

by Zeichensetzerin Alexa

Wenn die Angst zu groß wird, nimmt sie so viel Platz ein, dass es unmög­lich wird, sich zu bewe­gen oder zu schla­fen. In Fran­ce­sca San­nas neuem Bil­der­buch „Ich und meine Angst“ erzählt die Prot­ago­nis­tin, die in ein ande­res Land gekom­men ist, von ihrer wach­sen­den Angst. Ein Gefühl, das Zei­chen­set­ze­rin Alexa bekannt vorkommt.

Als ich als Kind mit mei­ner Fami­lie nach Deutsch­land zog, hatte ich kleine und große Ängste. Am schlimms­ten war für mich der Schul­all­tag. Abge­se­hen davon, dass ich Angst davor hatte, die Spra­che nicht zu ver­ste­hen, wusste ich nicht, wie ich mich ver­hal­ten sollte. Was ist ange­bracht und was nicht? Das Ver­hal­ten mei­ner Mit­schü­le­rin­nen und Mit­schü­ler ent­setzte mich. Hat­ten sie denn kei­ner­lei Manie­ren? Dass sie mit­ten im Unter­richt auf­stan­den, um zum Müll­ei­mer zu lau­fen, war für mich unbegreiflich.

„Ich ver­stehe nie­man­den, und nie­mand ver­steht mich.“

Aber warum erzähle ich das? Im Bil­der­buch „Ich und meine Angst“ habe ich meine Erfah­run­gen und damit mich selbst wie­der­ge­fun­den. Genauso wie die Prot­ago­nis­tin, ein Mäd­chen, das aus der Ich-Per­spek­tive berich­tet, bin ich in „die­ses neue Land gekom­men“. Die Angst hat sich immer wei­ter aus­ge­brei­tet und ist zum stän­di­gen Beglei­ter gewor­den. Im Bil­der­buch wird die Angst als ein wei­ßes Wesen dar­ge­stellt, das je nach Befind­lich­keit der Prot­ago­nis­tin mal mehr, mal weni­ger Platz ein­nimmt. Die­ses Wesen mag weder die Schule, noch will es, dass dem Mäd­chen jemand näher kommt. Es fun­giert sym­bo­lisch als Selbstschutzmechanismus.

Die Prot­ago­nis­tin fühlt sich immer ein­sa­mer, glaubt, dass sie nie­mand möge und will eigent­lich auch gar nicht mehr hier sein. Da kommt ein Junge aus ihrer Klasse auf sie zu und gemein­sam fin­den sie eine andere Mög­lich­keit der Kom­mu­ni­ka­tion: zeich­nen und malen. Von da an ent­wi­ckelt sich ihre Freund­schaft – und das Mäd­chen merkt, dass auch andere Kin­der Ängste haben.

Viel­fäl­tige For­men von Angst

„Ich und meine Angst“ ist ein berüh­ren­des, authen­ti­sches Buch, in dem sich viele Kin­der, aber auch Erwach­sene, wie­der­fin­den kön­nen – unab­hän­gig davon, aus wel­chem Grund sie in ein ande­res Land gekom­men sind. Außer­dem lässt sich die Aus­sage des Bil­der­bu­ches auch auf andere Lebens­si­tua­tio­nen über­tra­gen: bei­spiels­weise wenn Kin­der die Schule wech­seln oder in eine andere Stadt zie­hen. Die Autorin, die mit ihrem Bil­der­buch­de­but „Die Flucht“ bereits große Erfolge gefei­ert hat, erzählt eine ein­fühl­same Geschichte über Freund­schaft, Ankom­men und Zuge­hö­rig­keit. In der Über­set­zung von Tho­mas Bod­mer ist der Text in kla­ren Wor­ten und ein­fa­chen Sät­zen gehal­ten, sodass auch schon Kin­der ab 4 Jah­ren Zugang zum Thema fin­den können.

Erfri­schend ange­nehm sind die Illus­tra­tio­nen, die über­wie­gend in dezen­ten, unge­sät­tig­ten Far­ben gestal­tet sind. Die Kom­bi­na­tion aus war­men und kal­ten Far­ben macht die Bil­der abwechs­lungs­reich und leben­dig. Kleine Details, die auf bezie­hungs­weise zwi­schen grö­ße­ren Bild­ele­men­ten zu fin­den sind, unter­schied­li­che Haut­far­ben, Gesichts- und Augen­for­men ver­deut­li­chen die Indi­vi­dua­li­tät und Viel­falt der dar­ge­stell­ten Figuren.

Zwar sind die abge­bil­de­ten Angst­we­sen in ihrer Form und Farbe sehr ähn­lich, sie ste­hen jedoch für unter­schied­li­che Arten von Angst und machen sicht­bar: Egal wo wir her­kom­men und wie wir aus­se­hen – wir alle haben unsere Ängste. Und manch­mal hilft es, dar­über zu reden. „Ich und meine Angst“ von Fran­ce­sca Sanna ist ein sehr guter Gesprächs­an­lass dafür.

Ich und meine Angst. Fran­ce­sca Sanna. Über­setzt von Tho­mas Bod­mer. Nord­Süd Ver­lag. 2019.

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