Wenn einen die Kälte packt #litadvent

by Bücherstadt Kurier

Das Debüt „Nacht­frost“ von Jes­sica Brad­ley ist eine Hom­mage an Hans Chris­tian Ander­sens Mär­chen „Das Mäd­chen mit den Schwe­fel­höl­zern“. Gefühl­voll erzählt die Autorin die Geschichte der jun­gen Laura, die auf der Suche nach Liebe und Zunei­gung ihr Zuhause ver­lässt, das fast ebenso kalt ist wie der Win­ter auf Ber­lins Stra­ßen. – Von Stadt­be­su­che­rin Cathy

Die Woh­nung ist dre­ckig, das Geld knapp und blaue Fle­cken keine Sel­ten­heit, also beschließt die drei­zehn­jäh­rige Laura abzu­hauen. Weg von ihrem alko­hol­kran­ken Vater, der sie schlägt und dafür sorgt, dass sie sich klein und unge­liebt fühlt. Weg aus dem Leben, das ihr nichts bie­tet. Sie flieht und schlägt sich durch den eisi­gen Win­ter in Ber­lin. Doch wem kann sie jetzt ver­trauen, wo sie nie­mals jeman­dem ver­trauen konnte? Dem Pun­ker Rufus, der Gruppe Obdach­lo­ser um Kalle, der Polizei?

Gedank­lich betrat sie einen Raum, der sich ganz tief in ihrem Inne­ren befand. Einen Raum, in dem er kei­nen Zutritt hatte. Wo selbst seine Fäuste sie nicht erreich­ten. Wo die Ein­sam­keit ihre beste Freun­din gewor­den war; die sie nie­mals ver­las­sen würde. Hier fühlte sie sich sicher. (S. 10)

Man ist direkt drin in der Geschichte. Mit weni­gen Sät­zen schafft Jes­sica Brad­ley es, den Lesen­den in die Welt von Laura zu zie­hen. Das Gefühl des Unbe­ha­gens im Magen, die ner­vöse Angst im Nacken. Der Beginn des Buches ist packend und so tief, dass man kom­plett davon umschlun­gen wird. Lei­der wird diese Tiefe gele­gent­lich auf­ge­bro­chen von kur­zen Pas­sa­gen, die zu schnell erzählt wer­den und mei­ner Mei­nung nach mehr gekonnt und gebraucht hät­ten, um die Leser in der Tiefe gefan­gen zu hal­ten. Dar­über kann ich aber hin­weg­se­hen, denn diese tra­gi­sche Geschichte eines Mäd­chens, das nur geliebt wer­den möchte, hat mich trotz­dem berührt und trau­rig gestimmt.

„Man hat mir mal gesagt, jedes Mal, wenn ein Mensch stirbt, fällt eine Stern­schnuppe vom Him­mel. Ich habe damals die ganze Nacht lang in den Him­mel gestarrt …“ Kal­les Blick glitt ins Nir­gendwo. „War da eine? Ich meine, sind in der Nacht Stern­schnup­pen gefal­len?“, wollte Laura wis­sen. „Ich weiß es nicht. Der Him­mel war bewölkt und es reg­nete.“ (S. 75)

Eine tra­gi­sche, dra­ma­ti­sche, echte Geschichte. Vol­ler Gefühle. Wut, Angst, Liebe, Trauer. Wun­der­bar zusam­men­ge­floch­ten, so wie es nur das Leben schafft. Und mit einem bit­ter­sü­ßen Ende.

„Nacht­frost“ ist ein lesens­wer­tes Drama über die Ver­letz­lich­keit einer Seele und die Bedeu­tung davon, sich unge­liebt zu füh­len, das die Vor­freude schürt auf alles, was noch von Jes­sica Brad­ley kom­men wird.

Nacht­frost. Jes­sica Brad­ley. Books on Demand. 2019.

Ein Bei­trag zum Spe­cial #lit­ad­vent. Hier fin­det ihr alle Bei­träge. Diese Rezen­sion ist bereits auf Cathys Blog Made­moi­selle Facet­ten­reich erschie­nen. Schaut doch mal bei ihr vorbei!

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