Wenn es nur eine Komödie wäre!

by Bücherstadt Kurier

das-pfingstwunder„Das Pfingst­wun­der“ von Sibylle Lewit­schar­off stand schon auf der Lon­g­list des Deut­schen Buch­prei­ses 2016, bevor es über­haupt offi­zi­ell erschie­nen war. Den Sprung auf die Short­list hat es nicht geschafft. Dar­über wun­dert Zei­len­schwim­me­rin Ronja sich nicht.

Dan­tes „Gött­li­che Komö­die“ bie­tet immer noch über­wäl­ti­gend viel Gesprächs­stoff, zumin­dest für vier­und­drei­ßig Dante-For­scher aus aller Welt, die sich zum Kon­gress in Rom tref­fen. Gott­lieb Els­hei­mer aus Frank­furt ist auch dabei. Die Stim­mung ist famos und stei­gert sich immer mehr, bis es schließ­lich zur Ekstase kommt. Els­hei­mer wird Zeuge eines höchst son­der­ba­ren Schau­spiels, das ihn nicht nur als ein­zi­gen vom Kon­gress zurück­keh­ren lässt, son­dern auch zutiefst verstört.

Eksta­ti­sche Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler und ein rät­sel­haf­tes, wun­der­sa­mes Ereig­nis. Das macht neu­gie­rig. Von einer gefühls­ge­la­de­nen Stim­mung ist jedoch beim Lesen nichts zu spü­ren. Els­hei­mer als Ich-Erzäh­ler ist das Para­de­bei­spiel eines ratio­na­len, geal­ter­ten und ver­gess­li­chen Wis­sen­schaft­lers. Stän­dig betont er, dass er das Wort ‚Wun­der‘ eigent­lich nie­mals in dem Mund neh­men würde, weil er an so etwas nicht glaubt, für diese Bege­ben­heit sei aber keine andere Beschrei­bung zutref­fend. Sein Bericht der Ereig­nisse ist durch­ein­an­der. Vor­aus­deu­tun­gen wer­den begon­nen, aber nicht wei­ter­ge­führt. Er gibt an „chro­no­lo­gisch erzäh­len“ zu wol­len, springt dann aber doch wie­der zwi­schen den Vor­trä­gen sei­ner Kol­le­gen vor und zurück. Ja, den Vor­trä­gen. Immer­hin keine Wort für Wort Wie­der­gabe, aber das ist auch schon alles.

Tanti, tanti, tanti!*

So wirr und durch­ein­an­der wie es am Ende auf dem Dante-Kon­gress zugeht, liest sich auch der Text. Lewit­schar­off lässt ihren Prot­ago­nis­ten von Thema zu Thema sprin­gen, hier ein Dante-Zitat, dort ein Dante-Zitat, mal ein Ver­weis, mal ein Hin­weis. Dabei bleibt die Hand­lung auf der Stre­cke. Es ist deut­lich zu spü­ren: Man möchte intel­li­gent wir­ken, bele­sen und weise. Weni­ger so, als wäre der ‚Roman‘ für nor­mal­sterb­li­che Lese­rIn­nen geschrie­ben, als viel­mehr direkt aus­ge­legt für die Jury des nächs­ten gro­ßen Buch­prei­ses. Falls dem so gewe­sen ist, hat der Plan immer­hin halb­wegs funktioniert.

logo_dbp16Ohne mehr über die „Gött­li­che Komö­die“ zu wis­sen als den gro­ben (wirk­lich sehr gro­ben) Inhalt, war es mir oft unmög­lich, dem Text zu fol­gen (ob es mit mehr Kennt­nis­sen ver­ständ­li­cher wäre, steht in den Ster­nen). Und er hat mir auch nicht den Anreiz gege­ben, mich näher damit zu beschäf­ti­gen. Tat­säch­lich waren all diese Zitate aus der Komö­die selbst und unzäh­li­gen Fach­tex­ten stark abschre­ckend. Dass dann auch noch aus­ge­rech­net die letz­ten Sätze des ‚Romans‘ auf Ita­lie­nisch sind und nicht über­setzt wer­den (vorige fremd­spra­chige Sätze wur­den immer­hin teil­weise über­setzt), ist zusätz­lich frustrierend.

„Das Pfingst­wun­der“ ist weni­ger ein Roman als eine wis­sen­schaft­li­che Abhand­lung. Es strotz nur so vor gewollt intel­li­gen­ten Sät­zen und lite­ra­ri­schen Ver­wei­sen. Bis zum Ende durch­zu­hal­ten war wirk­lich eine Qual und noch dazu in Hin­blick auf die unspek­ta­ku­läre Schil­de­rung des Wun­ders (und vor allem der feh­len­den Erklä­rung, wie genau es dazu kommt) unver­hält­nis­mä­ßig. Ob es eine Bewandt­nis (und wenn ja wel­che) hat, dass alle 36 Kapi­tel 10 Sei­ten lang sind, kann gerne jemand ande­res her­aus­fin­den. Meine Lese­zel­len sind bereits mit den auf mich gewor­fe­nen Infor­ma­tio­nen über­for­dert. Also: Volati, volati! Hier fliegt gleich auch etwas. Und ich bin es nicht.

Das Pfingst­wun­der. Sibylle Lewit­schar­off. Suhr­kamp Ver­lag. 2016

* Google, über­set­zen Sie!: Viele, viele, viele!

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3 comments

Zeichensetzerin Alexa 13. Oktober 2016 - 19:08

„ ‚Das Pfingst­wun­der‘ ist we­ni­ger ein Ro­man als eine wis­sen­schaft­li­che Ab­hand­lung. Es strotz nur so vor ge­wollt in­tel­li­gen­ten Sät­zen und li­te­ra­ri­schen Ver­wei­sen.“ Das erin­nert mich doch sehr an uni­ver­si­täre Haus­ar­bei­ten – Haupt­sa­che, der Text klingt „intel­li­gent“, mit ganz viel drum­herum-Gela­ber, obwohl man das Geschrie­bene auch viel ein­fa­cher und prä­zi­ser hätte for­mu­lie­ren kön­nen. Aber es ist wohl doch sehr wich­tig, Ter­mini zu ver­wen­den, um sich von ande­ren „abzu­he­ben“...

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Zeilenschwimmerin Ronja 16. Oktober 2016 - 20:55

Exakt so fühlte es sich an. Als wären Infor­ma­tion und aka­de­mi­sches Schrei­ben auto­ma­tisch Gegen­sätze von gut les­ba­ren Tex­ten. Da braucht es erst recht kei­nen Roman, der es genauso hält.

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Petra Storck 8. November 2016 - 19:33

Wie gut, dass es den Bücher­stadt­ku­rier und seine Rezen­sio­nen gibt!
Bei­nahe hätte ich mir das Pfingst­wun­der gekauft, denn „Kill­mousky“ hat mir rich­tig gut gefal­len und war ange­nehme Lektüre.
Nun hab ich also Zeit für ein ande­res Buch und muss erst ein­mal nicht mit Lewit­schar­off weitermachen;-)

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