Wenn Nosferatus Schwester in deiner Wohnung stirbt…

by Zeilenschwimmerin Ronja

Wenn Nos­fe­ra­tus Schwes­ter in dei­ner Woh­nung stirbt, heißt du ver­mut­lich Loretta Luchs. Das ist die unfrei­wil­lige Ermitt­le­rin in Lotte Mincks Ruhr­pott-Kri­mis. Eigent­lich arbei­tet Loretta bei einer Sex­hot­line, doch in ihrer Umge­bung ster­ben immer wie­der Men­schen eines unna­tür­li­chen Todes, dies­mal sogar direkt in ihrer Woh­nung. Ein gut les­ba­rer Regio­nal­krimi, der auch außer­halb des Ruhr­potts ver­ständ­lich ist. – Von Zei­len­schwim­me­rin Ronja

Nos­fe­ra­tus Schwes­ter, so hat Loretta die unfreund­li­che und stän­dig alko­ho­li­sierte Agen­tin der jun­gen Schau­spie­le­rin Emily getauft. Nach eini­gen Droh­an­ru­fen flüch­tet Emily zu Loretta. Als ihre Agen­tin sie völ­lig betrun­ken besucht und plötz­lich umkippt, geht erst ein­mal nie­mand von Mord aus. Nach und nach erscheint Loretta das alles doch etwas selt­sam. Als schließ­lich noch fast lebens­echte Pup­pen in Sär­gen auf­tau­chen, hat sie genug und will nur noch eins: Ihre Ruhe.

Der Beruf der Haupt­fi­gur ist eine erfri­schende Abwechs­lung zu den häu­fi­ger ver­tre­te­nen Kom­mis­sa­ren, Detek­ti­ven und Jour­na­lis­ten. Loretta ist aber kei­nes­falls ver­rucht, viel­mehr ist sie erfreu­lich nor­mal, muss wegen ihres Berufs aber oft mit Vor­ur­tei­len kämp­fen. All­ge­mein sind die meis­ten Cha­rak­tere sehr natür­lich und die Unter­hal­tun­gen rea­lis­tisch. Ein gro­ßer Pluspunkt.

Ent­täu­schend ist jedoch die Ent­wick­lung der in die Geschichte ver­strick­ten Schau­spie­ler. Anfangs erschei­nen sie als ganz nor­male Men­schen, etwas exzen­trisch viel­leicht, aber wer hat schließ­lich keine klei­nen Macken? Spä­ter ver­fällt Minck jedoch lei­der in das Kli­schee der ego­zen­tri­schen, publi­ci­ty­süch­ti­gen Dar­stel­ler mit Stim­mungs­schwan­kun­gen, die selbst einen Mord als „Inspi­ra­tion“ sehen.

Ruhr­pott und Nordsee…

Bei einem Regio­nal­krimi sind eigent­lich kon­krete Ver­weise auf bestimmte Sehens­wür­dig­kei­ten einer Stadt oder Region zu erwar­ten. Nicht jedoch hier. Lotte Minck ver­zich­tet sogar ganz auf die Nen­nung einer bestimm­ten Stadt. Auch den Dia­lekt setzt sie nur bei eini­gen weni­gen Neben­fi­gu­ren ein, womit der Krimi auch über­re­gio­nal ver­ständ­lich ist.

Noch mehr Über­re­gio­na­li­tät ergibt sich durch eine recht starke Ver­knüp­fung zur Nord­see, da die beste Freun­din der Haupt­fi­gur zu Beginn des Buches dort­hin zieht. Das wie­derum hängt mit einem Urlaub im vori­gen Roman zusam­men. Auf die dor­ti­gen mör­de­ri­schen Erleb­nisse der bei­den wird mehr als ein­mal ver­wie­sen, was ein gän­gi­ges Mit­tel in Fort­set­zungs­ro­ma­nen ist, um neu­gie­rig zu machen und gleich­zei­tig Zusam­men­hänge zu erklä­ren. Nach dem drit­ten Hin­weis hat es aller­dings wohl jeder ver­stan­den und Mincks Vor­liebe dafür, ihre Haupt­per­son alle halb­wegs wich­ti­gen Vor­fälle des aktu­el­len Romans mehr als ein­mal zusam­men­zu­fas­sen, knab­bert zusätz­lich etwas am Geduldsfaden.

Ent­schä­digt wird man dafür aller­dings mit teil­weise recht unter­halt­sa­men Sze­nen, auch wenn sich über Loret­tas Humor (und den der ande­ren Figu­ren) sicher manch­mal strei­ten lässt.

Wenn der Täter unter ihnen ist…

Der eigent­li­che Fall kommt lei­der erst nach etwa einem Drit­tel des Buches ins Rol­len. Ab die­sem Zeit­punkt besitzt der Krimi jedoch einen ver­nünf­ti­gen Span­nungs­bo­gen und hält sich erfreu­li­cher Weise auch an die inof­fi­zi­elle Regel, dass der Täter keine völ­lig unbe­kannte Figur sein sollte, damit beim Lesen mit­ge­ra­ten wer­den kann. Das Pri­vat­le­ben von Loretta hat gegen­über dem Fall jedoch Vor­rang. Ob das nun gut oder schlecht ist, ent­schei­den die jeweils eige­nen Vorlieben.

Auch wenn es klei­nere Kri­tik­punkte gibt, ist „Wenn der Post­mann nicht mal klin­gelt“ ein gut kon­stru­ier­ter Krimi, der sich flüs­sig lesen lässt und neu­gie­rig auf die ande­ren Fälle von Loretta Luchs macht. Eine nette Unter­hal­tung für Zwi­schen­durch, nicht nur für die nächste Reise in den Ruhrpott.

Wenn der Post­mann nicht mal klin­gelt. Lotte Minck. Droste Ver­lag. 2015.

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