„Wenn Worte meine Sprache wären“ *

by Bücherstädterin Silvia

„Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.“ Diese Aus­sage Karl Valen­tins regt Vers­e­flüs­te­rin Sil­via dazu an, sich Gedan­ken zum täg­li­chen Sprach­ge­brauch zu machen. Oder auch: Die Tätig­keit des Schrei­bens zwi­schen Ori­gi­na­li­tät und Copy-Paste-Verfahren.

Ich schreibe, also bin ich? Bitte nicht. Abge­dro­schen­heit und Kli­schees sind – so habe ich fest­ge­stellt – äußerst inef­fi­zi­ent, will man jeman­dem die eigene Bezie­hung zu einer Per­son, einem Objekt, einer Tätig­keit beschrei­ben. Mit For­mu­lie­run­gen wie „lässt mein Herz höher schla­gen“ oder „zau­bert mir ein Lächeln ins Gesicht“ tut man sich selbst kei­nen Gefal­len. Aber wie viel Ori­gi­na­li­tät ist noch mög­lich? Wie schafft man es, krea­tiv genug zu sein, um „eigene“ Worte und For­mu­lie­run­gen zu benut­zen? Und gibt es so etwas über­haupt (noch)?

In die­sen Bereich fällt unter ande­rem auch das Zitie­ren, das mei­ner Mei­nung nach viel zu exzes­siv und unbe­dacht betrie­ben wird. Zu jedem x‑beliebigen Thema fin­det man Aus­sa­gen irgend­ei­nes berühm­ten oder weni­ger berühm­ten Men­schen. Diese trifft man als Zitate in einer end­lo­sen und unbe­grenz­ten Liste an Ver­wen­dungs­zwe­cken an jeder Stra­ßen­ecke – viele so oft, dass ich sie mitt­ler­weile nicht mehr hören kann. Dazu kommt noch: Oft genug sind sie unvoll­stän­dig, falsch über­setzt oder nicht beson­ders ori­gi­nell abge­än­dert; in eini­gen Fäl­len ist sogar – zumin­dest unter einem Groß­teil der Rezi­pi­en­ten – der angeb­li­che Urhe­ber nicht rich­tig überliefert.

Aber ande­rer­seits denke ich mir: Was ist falsch daran, auf die Worte eines ande­ren zurück­zu­grei­fen, wenn man selbst keine (pas­sen­den) parat hat? Ist es nicht erstaun­lich, wie man­che Aus­sa­gen eine Sache so der­ma­ßen gut und genau auf den Punkt brin­gen, dass es fast schon unmög­lich scheint?

Das Pro­blem ist, dass es tat­säch­lich immer schwie­ri­ger wird, einen eige­nen Bei­trag zu leis­ten. Das lässt sich mit der simp­len Erklä­rung begrün­den, dass es immer mehr Men­schen gibt. Das ist nun ein­mal so; dage­gen kön­nen wir nichts tun. Also müs­sen wir uns wohl damit abfinden.

Würde man die Regel „Wenn du nichts Ori­gi­nel­les zu sagen hast, dann schweige“ ein­füh­ren, wäre es sehr viel stil­ler auf der Welt. Auch wenn mir das teil­weise als durch­aus sinn­volle und ange­nehme Vor­stel­lung erscheint, mel­det sich doch mein Gerech­tig­keits­sinn zu Wort: Es wäre unfair, in die­sem Punkt von allen Men­schen das glei­che zu fordern.

Sehr wohl kann man hin­ge­gen eine gewisse Ori­gi­na­li­tät von „Schrei­ber­lin­gen“ erwar­ten – oder man sollte es zumin­dest kön­nen: Oft genug fragt man sich als Leser, wie der Autor eines bestimm­ten Tex­tes jemals auf die Idee gekom­men ist zu schrei­ben. Was an die­ser Stelle nach Über­heb­lich­keit und Arro­ganz klin­gen mag, ist viel­mehr Aus­druck der Tat­sa­che, dass wir Schrei­ben­den es schwer genug haben; jeder dritte geht heute die­ser Tätig­keit nach. Für mei­nen Geschmack fin­den sich dar­un­ter zu viele „Kopier-Zitier-Klischee“-Schreibende. Ist es wirk­lich das, worum es beim Schrei­ben geht? Ist es das, was man als „Schreib­kunst“ bezeich­nen kann?

Ja, ich habe hohe Ansprü­che. Man könnte auch sagen: Ich weiß ein­fach, was ich will und was nicht. Ich ver­lange von nie­man­dem, ein zwei­ter Shake­speare oder Goe­the zu sein. Aber ich lese und unter­stütze nur das, was ich für gut erachte. Man kann mich durch­aus mit einem gut ein­ge­setz­ten und am bes­ten noch nicht nach­ge­schla­ge­nen Zitat beein­dru­cken. Der Rest hin­ge­gen sollte von einem selbst kom­men. Authen­ti­zi­tät statt Nach­ah­mung. Es geht nicht darum, „große Reden zu schwin­gen“. Ein­fach­heit statt Pathos. Alles zu sei­ner Zeit.

* Dies ist der Titel eines Albums und Songs des deut­schen Musi­kers Tim Bendzko. Diese Worte hat sich Vers­e­flüs­te­rin Sil­via mit vol­ler Absicht aus­ge­borgt (siehe obi­ger Text).

Ein Bei­trag zum Spe­cial #phi­lo­so­phie­stadt. Hier fin­det ihr alle Beiträge.
Bild: pexels​.com

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1 comment

BK: Philosophie-Special - 20. Februar 2018 - 16:11

[…] Hier mein Bei­trag zum Phi­lo­so­phie-Spe­cial des Bücher­stadt Kurier: Wenn Worte meine Spra­che wären […]

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