Winterzauber – Winterhorror

by Erzähldetektivin Annette

„Die­ser Roman lässt deine Kno­chen und dein Herz gefrie­ren.“ So prangt das Fazit von Hor­ror-Alt­meis­ter Ste­phen King höchst­per­sön­lich auf dem Titel­blatt zu „Snow­blind – Töd­li­cher Schnee“. Autor Chris­to­pher Gol­den möchte einen Ste­phen King-Roman schrei­ben – doch wird sei­nem Vor­bild nicht ganz gerecht, muss Erzähl­de­tek­ti­vin Annette feststellen.

Zwölf Jahre ist es her, seit Coven­try in einem grau­si­gen Schnee­sturm ver­sank. Über ein Dut­zend Tote hatte das kleine Städt­chen in Neu­eng­land damals zu bekla­gen. Todes­fälle, die tiefe Spu­ren in den Leben der Hin­ter­blie­be­nen hin­ter­las­sen haben. Jetzt steht Coven­try ein noch viel schlim­me­rer Schnee­sturm bevor. Und auf das Grauen, das die­ser mit sich brin­gen wird, ist nie­mand vorbereitet.
Erzählt wird aus Sicht ver­schie­de­ner Per­so­nen, die vor zwölf Jah­ren jeman­den ver­lo­ren haben. Ein jun­ger Foto­graf trau­ert um sei­nen Bru­der, ein Restau­rant­be­sit­zer um seine Mut­ter und ein Auto­me­cha­ni­ker und Gele­gen­heits­dieb ver­misst seine Frau. Detec­tive Joe Keenan hat den trau­ma­ti­schen Tod zweier Jun­gen nicht ver­wun­den, deren Leben er im dama­li­gen Sturm doch hätte ret­ten sollen.

Wech­selnde Erzähl­per­spek­tive als Highlight

Die Per­spek­ti­ven­wech­sel sind defi­ni­tiv ein Plus­punkt des Buches und geben Figu­ren wie Hand­lung mehr Tiefe. Nach und nach setzt sich so auch für die Leser ein Bild des Grau­ens wie ein Mosaik zusam­men und an eini­gen Stel­len neh­men die Gescheh­nisse der­art Fahrt auf, dass sie völ­lig in ihren Bann zie­hen. Auch die Ver­knüp­fung von Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart trägt zum Unter­hal­tungs­wert des Buches bei. Gol­dens Schreib­stil ist dabei ein­fach, aber effek­tiv, auch wenn die häu­fi­gen Wie­der­ho­lun­gen eini­ger Adjek­tive und Beschrei­bun­gen etwas stö­rend und unbe­hol­fen wirken.

Lei­der bleibt die eigent­li­che Hand­lung jedoch weit hin­ter die­sen posi­ti­ven Aspek­ten zurück. Wäh­rend die Ein­woh­ner Coven­trys noch dem Bliz­zard die Schuld an ihren Ver­lus­ten geben, wird den Lesern schnell klar, dass etwas Böses in dem Schnee­ge­stö­ber lau­ert. Wäh­rend sich die­ses beim letz­ten Sturm einige Opfer ein­ver­lei­ben konnte, wirkt der Grund, Jahre spä­ter nach Coven­try zurück­zu­keh­ren, lächer­lich. Es soll nicht zu viel ver­ra­ten wer­den, doch im wei­te­ren Ver­lauf ergrei­fen See­len Besitz von leben­di­gen Kör­pern und ein Geist warnt seine Liebs­ten vor dem dro­hen­den Unheil. Die Moti­va­tion der Leben­den bleibt dabei ebenso platt, wie die Beschrei­bung der sie bedro­hen­den Gefahr.
Zeich­nen sich Kings Werke durch eine sich lang­sam auf­bau­ende Bedro­hung aus, die sich nach und nach den Weg in den All­tag sucht, kommt das Grauen in „Snow­blind“ mit Pau­ken und Trom­pe­ten, wodurch sich lei­der keine gelun­gene Gru­sel­at­mo­sphäre ein­stel­len möchte. Zu abge­hakt ent­wi­ckeln sich die Ereig­nisse und zu leicht macht es sich der Autor mit sei­ner Auflösung.

Zwar gelingt es Gol­den sehr gut, die Kälte, Ein­sam­keit, aber auch Schön­heit von Win­ter, Schnee und Sturm ein­zu­fan­gen. Die Sehn­sucht der Prot­ago­nis­ten danach, sich mit Tee und einem guten Buch vor den Kamin zu kuscheln, über­trägt sich auch auf die Leser. Alles in allem wird das Werk dem schein­ba­ren Anspruch des Autors jedoch nicht gerecht. Hor­ror­fans, die eher Unter­hal­tung als eine durch­dachte Gru­sel­ge­schichte wol­len, kön­nen hier fün­dig wer­den. Ins­ge­samt sollte für einen atmo­sphä­risch-gemüt­li­chen Abend auf der hei­mi­schen Couch jedoch lie­ber gleich zum „Ori­gi­nal“ Ste­phen King gegrif­fen werden.

Snow­blind – Töd­li­cher Schnee. Chris­to­pher Golden.
Über­set­zung: Ste­pha­nie Pan­nen. Cross Cult. 2017.

Ein Fund aus der Todes­stadt.

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