„Wir sind nicht die Welt. Die Welt sind die Dinge da draußen.“

by Zeichensetzerin Alexa

Liebe, Leben, Glück und ganz viele Gedan­ken – darum geht es in Heinz Hel­les Roman „Der beru­hi­gende Klang von explo­die­ren­dem Kero­sin“. Im Sep­tem­ber die­ses Jah­res wurde das Buch für den Schwei­zer Buch­preis nomi­niert, und auch wenn es nicht gewon­nen hat, ist es lesens- und hörens­wert. – Von Zei­chen­set­ze­rin Alexa

Sel­ten habe ich ein Hör­buch gehört, bei dem der Erzähl­stil so pas­send zum Titel gewählt ist wie bei „Der beru­hi­gende Klang von explo­die­ren­dem Kero­sin“. Gele­sen wird das Buch von Franz Dinda, der nicht nur Schau­spie­ler ist, son­dern auch Musi­ker, Künst­ler und Autor. Mit sei­ner Stimme ver­leiht er dem Buch eine Atmo­sphäre von Ein­sam­keit und Ruhe, ein „beru­hi­gen­der Klang“, dem man gerne lauscht. Die Ruhe, die durch län­gere Erzähl­pau­sen und ange­mes­sene Stimm­lage erzeugt wird, steht dabei im Kon­trast zu der Gedan­ken­welt des Prot­ago­nis­ten. Es ist, als wür­den seine Gedan­ken die Über­macht ergrei­fen, ihn beein­flus­sen, ihn läh­men – wie Explo­sio­nen, die er nicht ver­hin­dern kann.

Der Ich-Erzäh­ler stu­diert Phi­lo­so­phie in New York, scheint anfangs glück­lich ver­liebt zu sein. Doch seine Über­le­gun­gen und sein Wis­sen über das Bewusst­sein kol­li­die­ren mit sei­nen Emp­fin­dun­gen. Er hin­ter­fragt seine Emo­tio­nen, beginnt, sie wis­sen­schaft­lich zu begrün­den und ver­liert die Lust daran, sie aus­zu­le­ben. Liebe ist nur ein Mit­tel zur Fort­pflan­zung, über­legt er, Liebe ist nur eine Illusion.

Beein­dru­ckend wird seine Gedan­ken­welt geschil­dert: wild durch­ein­an­der, plötz­lich, unpas­send, aus­schwei­fend. Er denkt an viele Dinge, die nichts mit der Situa­tion zu tun haben, ver­sucht, sie bewusst aus­zu­schal­ten, kann es jedoch nicht. Unun­ter­bro­chen denkt er. Dem Zuhö­rer wird dabei ein hohes Maß an Empa­thie abver­langt, allein schon, weil er immer wie­der in neue Gedan­ken­gänge gewor­fen wird. Gerade des­halb sind die ein­ge­bau­ten Lese­pau­sen und die ange­nehme Lese­ge­schwin­dig­keit hilfreich.

Auf­fal­lend ist außer­dem der Schreib­stil: Oft wie­der­ho­len sich Per­so­nal­pro­no­men (z.B.: er, sie, es) am Anfang auf­ein­an­der­fol­gen­der Sätze. Diese klin­gen von poe­tisch-phi­lo­so­phisch bis sach­lich-neu­tral. Inhalt­lich wer­den einem inter­es­sante Theo­rien und Erkennt­nisse gebo­ten: Dar­über, dass wir uns meist selbst im Wege ste­hen durch das, was wir den­ken. Unsere Gedan­ken erschaf­fen Gren­zen, die wir nicht im Stande sind zu über­win­den. Selbst wenn wir ver­su­chen, die Gedan­ken aus­zu­blen­den, ein­fach nur an die Wand zu star­ren und an nichts zu den­ken, kom­men uns Gedan­ken, wie es denn mög­lich wäre, sie aus­zu­schal­ten oder wie lange man sie wohl unter­drü­cken könnte… Gedan­ken über Gedan­ken über Gedan­ken. Ein Teufelskreislauf.

Wir sind uns vie­lem bewusst – unser Bewusst­sein unter­schei­det uns von Tie­ren. Unser Erin­ne­rungs­ver­mö­gen hilft uns, aus unse­ren Feh­lern zu ler­nen, uns wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Eine Fliege wird das Knal­len an die Fens­ter­scheibe bald ver­ges­sen und im nächs­ten Moment wie­der dage­gen flie­gen. Wir mer­ken uns, wenn wir fal­len, und machen es beim nächs­ten Mal anders. Oder wir igno­rie­ren, ver­drän­gen es, ler­nen nicht dar­aus und machen die Feh­ler erneut, obwohl wir sie ver­hin­dern könnten.

„Der beru­hi­gende Klang von explo­die­ren­dem Kero­sin“ ist ein groß­ar­ti­ges Hör­buch, gran­dios umge­setzt von Franz Dinda. Sehr empfehlenswert!

Der beru­hi­gende Klang von explo­die­ren­dem Kero­sin. Heinz Helle. Spre­cher: Franz Dinda. Hör­buch Ham­burg. 2014.

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