Wir waren keine Menschen mehr

by Wortklauberin Erika

Spricht man von Krieg, geht der erste Gedanke sel­ten in Rich­tung der Täter: die Opfer ste­hen im Vor­der­grund, ihre Ver­sor­gung, ihre Schick­sale, ihr Leben nach dem Krieg. Die Täter wer­den ver­teu­felt, ent­mensch­licht und unter Pro­pa­ganda begra­ben. Was geschieht nun, wenn sich ein Täter selbst zu Wort meldet?

In „Wir waren keine Men­schen mehr“ erin­nert sich Luis Raff­ei­ner an seine Zeit in der deut­schen Wehr­macht an der Ost­front. Ursprüng­lich aus dem Schnal­s­tal in Süd­ti­rol war er im Jahr 1939 wie viele andere Süd­ti­ro­ler optiert und nach Deutsch­land gezo­gen. Er erzählt in schlich­ten Wor­ten, die man­chem Leser etwas zu ein­fach vor­kom­men mögen, von sei­nem eige­nen Leben, sei­ner Jugend und spe­zi­ell den Kriegs­jah­ren. Auch spricht er von der Schwie­rig­keit, anstän­dig zu blei­ben ange­sichts einer über­mäch­ti­gen Ideologie.

„Wir waren keine Men­schen mehr“ ist ein wich­ti­ges Zeug­nis einer Zeit, die in ihren gan­zen Facet­ten noch zu nah an der Gegen­wart liegt, um voll­stän­dig betrach­tet zu wer­den. Luis Raff­ei­ner spricht The­men an, die bis heute noch nicht voll­stän­dig ver­ar­bei­tet wur­den: der Mythos der ‚sau­be­ren‘ Wehr­macht sei nur ein Bei­spiel hier­von. Luis Raff­ei­ner schrieb seine Lebens­ge­schichte in Zusam­men­ar­beit mit dem His­to­ri­ker Tho­mas Hani­fle, der wenig unkom­men­tiert lässt. Als Leser wünscht man sich mehr Lebens­ge­schichte und weni­ger Kom­men­tar eines His­to­ri­kers – ins­ge­samt bleibt das Gleich­ge­wicht zwi­schen his­to­ri­scher und sub­jek­ti­ver Rea­li­tät gewahrt und ver­leiht der Lebens­ge­schichte Luis Raff­ei­ners zusätz­li­chen Reiz.

Wort­klau­be­rin Erika

Wir waren keine Men­schen mehr. Luis Raff­ei­ner. Edi­tion Raetia (Bozen). 2011.

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rocknroulette 28. Januar 2015 - 11:19 Reply

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