Wo Frauen übers Schreiben schreiben...

by Bücherstadt Kurier

...ist die Liebe zu dem viel­leicht schöns­ten, aber auch anstren­gends­ten aller Berufe auf jeder Seite zu spü­ren. Edi­tion fünf hat in der Antho­lo­gie „Ein Haus mit vie­len Zim­mern“ die Texte der renom­mier­tes­ten Schrift­stel­le­rin­nen aus Deutsch­land und der Welt zusam­men­ge­stellt. Buch­stap­le­rin Maike hat die­ses Haus betreten.

Ein Haus mit vielen ZimmernWie kann man ein Buch beschrei­ben, das sich mit Hin­gabe dem Schrei­ben wid­met, und das sowohl hin­sicht­lich der Autorin­nen als der Texte viel­fäl­ti­ger kaum sein kann? Denn schnell wird klar: „Ein Haus mit vie­len Zim­mern“ ist für mich ein Who is Who der bemer­kens­wer­ten Schrift­stel­le­rin­nen der Neu­zeit und auch ein klei­nes Nach­schla­ge­werk der unbe­kann­te­ren Texte femi­nis­ti­scher Autorin­nen. Doch es geht weder durch­ge­hend wis­sen­schaft­lich noch abs­trakt zu – die Antho­lo­gie ver­sam­melt nicht nur die ver­schie­dens­ten Gat­tun­gen von Kurz­ge­schich­ten über Gedichte bis hin zu Essays.
Auch inhalt­lich wer­den mal poe­ti­sche Töne ange­schla­gen, wenn Nora Gom­rin­ger Erstaun­li­ches mit der Spra­che anstellt, mal fre­che, wenn Antje Rávic Stru­bel vom Dasein der Mäd­chen im Lite­ra­tur­be­trieb erzählt. Dann wie­der lässt Tove Jans­son ihre Hel­din mes­ser­scharf beob­ach­ten und Ali Smith stellt mit bit­ter­sü­ßem Humor die Frage, warum eine Kurz­ge­schichte wie eine Nym­phe ist. Und auch Über­le­gun­gen über Geschlecht kom­men nicht zu kurz. Siri Hust­vedt geht schrei­bend ihrer männ­li­chen Seite nach, wäh­rend Vir­gi­nia Woolf uns mit der Erkennt­nis über­rascht, dass die Über­le­gun­gen über die Benach­tei­li­gun­gen berufs­tä­ti­ger Frauen heute noch fast genauso gül­tig sind wie vor ein­hun­dert Jahren.

Antho­lo­gien sind wohl oft ein biss­chen wie eine Pra­li­nen­schach­tel und jeder fin­det andere Lieb­lings­texte darin, zu denen häu­fi­ger geblät­tert wird als zu ande­ren. Hin und wie­der blei­ben beim Lesen über­ra­schende Details in Erin­ne­rung – etwa, dass Vir­gi­nia Woolf sich von ihrem ers­ten Hono­rar eine Katze kaufte, oder dass laut Syl­via Plath Zahn­bürs­ten in Gedich­ten ein­fach nichts zu suchen haben.
Was am Buch über den Inhalt hin­aus begeis­tert, ist die lie­be­volle Gestal­tung. Der Beginn jedes Tex­tes ist ein wenig anders und vor allem ori­gi­nell gestal­tet. Über­schrif­ten kip­pen und Initia­len sind anders als man sie gewohnt ist: Das typo­gra­phi­sche Spiel mit den Wor­ten spie­gelt das schrift­stel­le­ri­sche mit einem Augen­zwin­kern wider, ohne sich in den Vor­der­grund zu drängen.

Für mich ist „Ein Haus mit vie­len Zim­mern“ ein inspi­rie­ren­des Buch, zu dem ich immer mal wie­der grei­fen kann. Nicht nur, weil darin so viele Texte von Frauen ver­sam­melt sind, son­dern auch, weil mit jeder Seite die Liebe zum Schrei­ben deut­lich wird.

Ein Haus mit vie­len Zim­mern. Her­aus­ge­ge­ben von Sophia Jung­mann und Karen Nölle;
u.a. mit: Marag­ret Atwood, Tania Bli­xen, Siri Hust­vedt, Anna Seg­hers, Vir­gi­nia Woolf. edi­tion fünf. 2015. 

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