„Writers & Lovers“: Die das Schreiben lieben

by Worteweberin Annika

„Wri­ters & Lovers“ heißt der neue Roman von Lily King, der genau davon erzählt: vom Schrei­ben und vom Lie­ben. Worte­we­be­rin Annika hat sich auf eine Erzäh­lung ein­ge­las­sen, die sie zuneh­mend begeis­tert hat.

Schrei­ben und lie­ben, das geht für die Prot­ago­nis­tin des Romans, Casey Peabody, Hand in Hand. Ihre Ver­flos­se­nen – und davon gibt es einige – sind alle Schrift­stel­ler. Auch die bei­den Män­ner, zwi­schen denen sie sich im Laufe der Hand­lung von „Wri­ters & Lovers“ ent­schei­den muss, schrei­ben. Und, das kann man dem Roman ent­neh­men, wenn Autorin­nen und Autoren mit­ein­an­der anban­deln, dann gel­ten eigene Gesetze:

„Aber ich kann mich nicht mit einem Mann tref­fen, der in drei Jah­ren nur elf­ein­halb Sei­ten geschrie­ben hat. So etwas über­trägt sich.“ (S. 75)

Zu Gro­ßem bestimmt?

Sol­che „Gesetze“ auf­zu­zei­gen, das ist eine der Stär­ken des Romans. Ins­be­son­dere wird hier das Geschlech­ter­ver­hält­nis im Lite­ra­tur­be­trieb (und außer­halb) unter die Lupe genom­men. Die selbst­be­wuss­ten Her­ren der Schöp­fung posie­ren im Ram­pen­licht, wäh­rend Autorin­nen auf Fotos „schuld­be­wusst lächeln“.

Casey wird wegen des Schrei­bens regel­mä­ßig belä­chelt und gefragt, ob sie glaube, den gro­ßen ame­ri­ka­ni­schen Roman zu schrei­ben. Ihr Ver­mie­ter wun­dert sich gar, dass sie denke, sie habe über­haupt etwas zu sagen.

„Nahezu alle Typen, mit denen ich zusam­men war, waren der Mei­nung, dass sie längst berühmt sein soll­ten, dass sie zu Gro­ßem bestimmt seien und ihrem Zeit­plan hin­ter­her­hink­ten. […] Inzwi­schen ist mir klar, dass Jun­gen die­ses Selbst­bild ein­ge­impft bekom­men, dass man sie damit ins Erwach­se­nen­al­ter lockt. Ich habe auch ehr­gei­zige Frauen ken­nen­ge­lernt, getrie­bene Frauen, aber keine Frau hat mir je ver­kün­det, sie sei zu Gro­ßem bestimmt.“ (S. 228–229)

Auch wenn „Wri­ters & Lovers“ in den 90er Jah­ren spielt und sich die Gesell­schaft bis heute wei­ter­ent­wi­ckelt hat, sind das Aspekte des Lite­ra­tur­be­triebs, die sich fort­set­zen. Miso­gy­nie gehört auch heute noch zum Schrei­ben von und über Lite­ra­tur dazu. Auch Lese­rin­nen und Leser, die sich mit dem Thema vor­her nicht aus­ein­an­der­ge­setzt haben, gibt Lily King mit ihrem Roman zu denken.

Zwi­schen zwei Männern

Neben dem Schrei­ben beschäf­tigt sich Lily King im Roman mit vie­len wei­te­ren gro­ßen The­men: Ver­lust und Trauer, Krank­heit, Geld­sor­gen, Beläs­ti­gung, die ame­ri­ka­ni­schen Kran­ken­ver­si­che­rungs- und Bil­dungs­sys­teme und natür­lich die Liebe. Es sind (fast zu) viele ernste The­men, die trotz­dem in eine unter­halt­same Hand­lung und einen butt­rig-wei­chen Ton gepackt sind.

Caseys Mut­ter ist vor eini­ger Zeit völ­lig uner­war­tet ver­stor­ben. Die Trauer und ihre ande­ren Sor­gen füh­len sich für Casey an wie ein Bie­nen­schwarm unter der Haut. Ihre psy­chi­sche Belas­tung nimmt im Hand­lungs­ver­lauf immer wei­ter zu. In die­ser Situa­tion lernt sie bei einer Lesung Silas ken­nen, mit dem sie direkt auf einer Wel­len­länge ist. Doch nach einem tol­len Date taucht er ab – und auf der Bild­flä­che erscheint Oscar, deut­lich älter als Casey, deut­lich erfolg­rei­cher. Muss sie sich jetzt ent­schei­den? Und wie kann sie die Kon­trolle über ihr Leben (zurück) gewinnen?

Wer ist Casey Peabody?

Erst hielt ich sie für naiv: Ein Schul­den­berg türmt sich in Caseys Rücken auf, mit einem Job als Kell­ne­rin hält sie sich über Was­ser und wohnt in einer Gar­ten­hütte – alles nur, um seit sechs Jah­ren an einem Roman zu schrei­ben, der viel­leicht nie erschei­nen, nie Erfolg haben wird. Doch je bes­ser man die Figur im Laufe der Hand­lung ken­nen­lernt, desto kla­rer schält sich her­aus: Casey muss ein­fach schrei­ben, sie kann sich nicht verstellen.

„Alles, was ich will, ist, Geschich­ten schrei­ben. Nur dafür schleppe ich mein Gepäck aus Schul­den und Träu­men herum und liege der Gesell­schaft zur Last.“ (S. 247)

Obwohl „Wri­ters & Lovers“ von Casey als Ich-Erzäh­le­rin erzählt wird, habe ich lange gebraucht, um sie wirk­lich zu ver­ste­hen. Wie kann jemand so viel von der Welt gese­hen haben und trotz­dem so abhän­gig wir­ken? Und: Was fin­det sie nur an den Män­nern? Mein Bild von ihr wurde erst lang­sam kla­rer. In der Presse kann man lesen, „Wri­ters & Lovers“ sei ein auto­fik­tio­na­ler Roman, Lily King habe, wie Casey, kurz vor der Arbeit an dem Buch ihre Mut­ter ver­lo­ren. Wohl­mög­lich ergibt sich dar­aus auch das Gefühl, Casey erst Stück für Stück zu begrei­fen, weil das Schrei­ben ein Pro­zess der Selbst­er­kennt­nis war?

Gelun­gene Boston-Atmosphäre

„Wri­ters & Lovers“ hat mich trotz der anfäng­li­chen Schwie­rig­kei­ten mit der Haupt­fi­gur schnell in sei­nen Bann gezo­gen. Ich muss aller­dings dazu sagen, dass ich das Buch gemein­sam mit einer Buch­blog­ge­rin gele­sen habe, die wegen der Rät­sel, die Casey auf­gibt, nicht son­der­lich begeis­tert war – das ist Geschmackssache.

Für mich haben die posi­ti­ven Aspekte klar über­wo­gen: So bild­lich stand mir schon lange keine Erzäh­lung mehr vor Augen. Der Autorin gelingt es, ein stim­mungs­vol­les Bild von Bos­ton, von der Wald­hütte, den Gän­sen am Fluss und vor allem dem Restau­rant her­auf­zu­be­schwö­ren. Auch durch diese atmo­sphä­ri­schen Schil­de­run­gen bin ich nur so durch die Kapi­tel gerutscht. Die Mischung aus erns­ten The­men und der Lie­bes­ge­schichte ist gelun­gen: Ich kann eine klare Lese­emp­feh­lung aussprechen!

Wri­ters & Lovers. Lily King. Aus dem Eng­li­schen von Sabine Roth. C.H.Beck. 2020.

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