Wunder, wunderlich … Wunderling?

by Zeilenschwimmerin Ronja

Tier-Mensch-Wesen bevöl­kern unsere Phan­ta­sie schon lange. Was pas­siert, wenn man ein wenig „Oli­ver Twist“ dazu gibt? „Der Wun­der­ling“ ist ein sprich­wört­lich bild­schö­ner Roman, der Zei­len­schwim­me­rin Ronja aller­dings doch nicht ganz über­zeu­gen konnte.

In Miss Car­bun­k­les Heim für wider­spens­tige und miss­ra­tene Geschöpfe leben ver­waiste Erd­linge (Misch­we­sen aus Mensch und Tier oder spre­chende Tiere), auch der namen­lose, ein­oh­rige Fuchs „Num­mer 13“ gehört dazu. Sie fris­ten ihre Tage bei kar­gen Mahl­zei­ten, har­ter Arbeit und in stän­di­ger Furcht vor der Heim­lei­te­rin. Doch dann fin­det Num­mer 13 eine neue Freun­din, Trixi, und erhält end­lich einen Namen: Arthur. Gemein­sam kön­nen sie flie­hen, doch dann tren­nen sich ihre Wege. Trixi will ihren Onkel suchen und Arthur macht sich auf den Weg in die große Stadt, um her­aus­zu­fin­den, wo er herkommt.

Natür­lich ist ein Aben­teuer zu bestehen, das einige phan­ta­sie­volle Gestal­ten und Orte umfasst. Auch die Gesell­schafts­struk­tur – Erd­linge, die von den Men­schen unter­drückt wer­den – macht die Welt des Wun­der­lings kom­ple­xer und inter­es­san­ter. Einige Male fühlte ich mich an Oli­ver Twist erin­nert. Die Düs­ter­nis und Kälte des Heims, der Dreck und die Gefahr der gro­ßen Stadt mit­samt den dür­ren, zwie­lich­ti­gen Gestal­ten, die sich in ihr her­um­trei­ben. Nicht zuletzt die Die­bes­bande, bei der Arthur zwi­schen­zeit­lich unter­kommt. Das all­ge­meine Unbe­ha­gen, das sich ein­stellt, ist wirk­lich gut getroffen.

Etwa nach bei der Hälfte des Romans aller­dings änderte sich mein Lese­emp­fin­den. Nach und nach störte mich die doch eher ein­fa­che Schreib­weise, ins­be­son­dere im drit­ten Abschnitt des Buches, in dem sich auch die Hand­lung recht sprung­haft und mit viel zu wenig ernst­zu­neh­men­dem Wider­stand gegen­über den Hel­den ent­wi­ckelt. Tat­säch­lich läuft ein­fach alles sehr güns­tig für Arthur und Trixi. Hel­fer tau­chen ein­fach auf, obwohl sie zuvor ihre Hilfe ver­sagt haben. Auch die Wand­lung des Klein­ga­no­ven Quin­tus, der Arthur zuerst bestiehlt, zum ruhi­gen und sorg­sa­men Freund wird kaum ange­deu­tet, es ist plötz­lich so.

Lei­der ist das Motiv der Böse­wich­tin eben­falls weder neu noch son­der­lich aus­ge­feilt. „Vater hat dich schon immer mehr geliebt als mich“ ist alt­be­kannt. Noch dazu bleibt Miss Car­bunkle, trotz ihrer Grau­sam­keit gegen­über den Heim­kin­dern, immer auch eine trau­rige und lächer­li­che Gestalt mit ihren turm­ho­hen, oran­gen Perü­cken und komi­schen Hüten (auch wenn sie einem Zweck dienen).

Obwohl eine kom­ple­xere Gesell­schafts­struk­tur ange­deu­tet wird, bleibt offen, warum die Gesell­schaft so ist wie sie ist. Warum sind die Men­schen die herr­schende Klasse und warum benach­tei­li­gen sie die Erd­linge? Vor allem aber wer­den auch viele Fra­gen nicht beant­wor­tet. Zum Bei­spiel schei­nen Erd­linge auf der einen Seite der Stadt nichts zu suchen zu haben, schließ­lich wird Arthur anfangs sofort von allen gera­ten, sich auf die andere Fluss­seite zu ver­zie­hen. Gleich­zei­tig arbei­ten aber die „glück­li­che­ren“ Erd­linge für die Men­schen in vie­ler­lei Posi­tio­nen auf der ande­ren Stadt­seite. Und zuletzt wird Arthur sogar von einem (vor­geb­li­chen) Men­schen adop­tiert, was erlaubt ist.

Beson­ders her­vor­zu­he­ben ist aller­dings die Gestal­tung des Buches. Schon das Cover machte mich neu­gie­rig. Vor allem aber fin­den sich innen zahl­rei­che sepia­far­bene Illus­tra­tio­nen, die die Düs­ter­nis noch ein­mal beto­nen. Der ein­zige dezente Farb­klecks ist unser Fuch­serdling Arthur, der immer mit einem gedeck­ten Rot hervorsticht.

So schön ich das Buch finde, lei­der konnte es mich inhalt­lich nicht voll­stän­dig über­zeu­gen. Aller­dings hat es einen inter­es­san­ten Ansatz und es muss bedacht wer­den, dass das Buch für ein jün­ge­res Lese­pu­bli­kum gedacht ist. Vor 15 Jah­ren hätte es mir ver­mut­lich ganz gut gefallen.

Der Wun­der­ling. Mira Bar­tók. Aus dem Eng­li­schen von Sabine Schulte. Ala­din Ver­lag. 2017. Ab 10 Jahren.

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