Kronos

Kronos (altgriechisch Κρόνος Krónos) ist in der griechischen Mythologie der jüngste Sohn der Gaia (Erde) und des Uranos (Himmel), Anführer der Titanen und Vater von Zeus. In der römischen Mythologie entspricht ihm Saturn(us).
Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Sein Name wurde in der antiken Volksetymologie schon sehr früh (in der Orphik) mit dem des Zeitgottes Chronos (griechisch Χρόνος Chrónos) gleichgesetzt, was aber etymologisch falsch ist; ursprünglich waren es zwei verschiedene Götter, die dann in manchen Überlieferungen miteinander verschmolzen wurden. Die Etymologie ist umstritten; man hat eine Ableitung von kraíno erwogen, dann wäre Kronos der „Vollender“. Auch wurde vermutet, dass der Name vorgriechischen Ursprungs sei und somit Kronos aus einer vorgriechischen Tradition übernommen wurde.[1] Der Autor des 1962 gefundenen Derveni-Papyrus, einer der ältesten bekannten literarischen Schriften der griechischen Antike, bietet eine andere Etymologie, indem er Kronos von κρούειν kroúein, deutsch ‚stoßen, schlagen‘ herleitet.[2]
Mythologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Frühzeit der Mythologie hatte Kronos noch keinen festen Platz in der Genealogie der Götter; von den verschiedenen Versionen des Mythos hat sich die von Hesiod überlieferte durchgesetzt, die Kronos zu einem Sohn von Uranos und Gaia macht.[3]
Da Uranos seine Kinder – die Kyklopen und Hekatoncheiren – so sehr hasste, dass er sie in den Tartaros verbannte, brachte Gaia ihre weiteren Kinder – die Titanen – im Geheimen zur Welt. Sie stiftete schließlich Kronos an, den Vater mit einer Sichel zu entmannen.[4]
Kronos wurde damit zum Herrscher der Welt und Begründer des Goldenen Zeitalters. Er wurde von seiner Schwester Rhea (Rheia) zum Gatten genommen.[5] Aus Angst, selbst entmachtet zu werden, fraß er jedoch alle Kinder, die aus dieser Verbindung entstanden: Hestia, Demeter, Hera, Hades und Poseidon, die Kroniden. Den jüngsten Sohn jedoch, Zeus, versteckte Rhea auf Anraten von Gaia und Uranos in der Höhle von Psychro im Dikti-Gebirge auf Kreta, während sie dem Kronos einen in eine Windel gewickelten Stein überreichte, den dieser verschlang, ohne den Betrug zu bemerken. So konnte Zeus ungestört heranwachsen. Später gelang es Zeus, seinen Vater mit List und Gewalt zu überwinden, worauf Kronos erst den Stein und dann seine verschlungenen Kinder ausspuckte. Den Stein stellte Zeus an der Kultstätte Pytho (Delphi) auf, damit er dort von den Sterblichen bestaunt werde.
Die Orphiker erzählten, dass Kronos eines Tages von dem damals aus den Eichen fließenden Honig berauscht dalag und so von Zeus gefesselt werden konnte. Anschließend brachte dieser ihn auf die „Insel der Seligen“, die Elysischen Gefilde, die am Rande des Erdkreises liegen, wo Kronos bis heute weile. Daher halte dort noch immer das Goldene Zeitalter an, das für den Rest der bekannten Welt mit seiner Entmachtung sein Ende gefunden habe. Metis, die erste Geliebte des Zeus, war diesem bei der Entmachtung des Vaters behilflich, indem sie ihm den Trank reichte, der Kronos betäubte und ihn schließlich dazu zwang, alle zuvor verschlungenen Kinder wieder von sich zu geben.[6]
Verehrung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kronos war eine relativ schattenhafte Gestalt aus der Mythologie, die nur in sehr geringem Maße kultisch verehrt wurde. Allerdings gab es ein ihm zu Ehren gefeiertes ländliches Fest, die Kronien. Der von ihm ausgespuckte Stein wurde in Delphi verehrt; man salbte ihn täglich mit Öl und umwickelte ihn an Festtagen mit wollenen Binden. Er ist nicht zu verwechseln mit einem anderen ebenfalls in Delphi aufgestellten und verehrten Stein, dem Omphalos. Der Steinkult war in der Antike im Mittelmeerraum verbreitet.
Stammbaum der Titanen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Chaos | → | Gaia | → | Uranos | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Göttergeschlecht | der Titanen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Okeanos | Kreios | Hyperion | Theia | Themis | Phoibe | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Kronos | Koios | Iapetos | Rhea | Mnemosyne | Tethys | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Stammbaum der olympischen Götter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kronos | Rhea | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Hestia | Hades | Poseidon | Demeter | Zeus | Hera | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Athene | Apollon | Artemis | Hermes | Dionysos | Hephaistos | Ares | Aphrodite | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Frank Bezner: Kronos. In: Maria Moog-Grünewald (Hrsg.): Mythenrezeption. Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 5). Metzler, Stuttgart/Weimar 2008, ISBN 978-3-476-02032-1, S. 404–407.
- Michael Grant, John Hazel: Lexikon der antiken Mythen und Gestalten. dtv, München 2004, ISBN 3-423-32508-9.
- Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen. Die Götter- und Menschheitsgeschichten. dtv, München 1994, ISBN 3-423-30030-2.
- Maximilian Mayer: Kronos. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 2,1, Leipzig 1894, Sp. 1452–1573 (Digitalisat).
- Max Pohlenz: Kronos. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band XI,2, Stuttgart 1922, Sp. 1982–2018 (Digitalisat).
- Robert von Ranke-Graves: Griechische Mythologie. Quellen und Deutung. rororo, Hamburg 2001, ISBN 3-499-55404-6.
- Eleutheria D. Serbeti: Kronos. In: Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC). Band VI, Zürich/München 1992, S. 142–147.
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Max Pohlenz: Kronos. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band XI,2, Stuttgart 1922, Sp. 1982–2018, hier: 1986 f. (Digitalisat).
- ↑ Theokritos Kouremenos, George M Parássoglu, Kyriakos Tsantsanoglou (Hrsg.): The Derveni Papyrus. Edited with Introduction and Commentary. Olschki, Florenz 2006, ISBN 88-222-5567-4, Kolumne 14,2–9, S. 89 und S. 133; Gábor Betegh: The Derveni Papyrus. Cosmology, Theology and Interpretation. Cambridge University Press, Cambridge 2004, S. 185; Anton Bierl: 'Riddles over Riddles': 'Mysterious' and 'Symbolic' (Inter)textual Strategies. The Problem of Language in the Derveni Papyrus. In: Ioanna Papadopoulou, Leonard Muellner (Hrsg.): Poetry as Initiation. The Center for Hellenic Studies Symposium on the Derveni Papyrus. Center for Hellenic Studies, Cambridge [MA]/London 2014, S. 202 f. ([1]).
- ↑ Hesiod, Theogonie 133–138
- ↑ Hesiod, Theogonie 159–200; Servius zu Vergils Aeneis 5, 801
- ↑ Hesiod, Theogonie 453–506; Bibliotheke des Apollodor 1,1,4
- ↑ Bibliotheke des Apollodor 2,1,1