Peter Glotz
Peter Glotz (* 6. März 1939 in Eger, Sudetenland; † 25. August 2005 in Zürich, Schweiz) war ein deutscher Politiker (SPD), Publizist und Kommunikationswissenschaftler.
Er war von 1974 bis 1977 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, von 1977 bis 1981 Senator für Wissenschaft und Forschung von West-Berlin und von 1981 bis 1987 Bundesgeschäftsführer der SPD. Von 1996 bis 1999 war er Gründungsrektor der Universität Erfurt und von 2000 bis 2004 Professor an der Universität St. Gallen. Von 2004 bis zu seinem Tod gehörte Peter Glotz dem Präsidium der Deutsch-Arabischen Gesellschaft an.
Ausbildung und Beruf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Vater von Glotz war ein deutscher Versicherungsangestellter, die Mutter Zdenka Edita Glotzová Tschechin. Nach der Vertreibung aus Böhmen gelangte Glotz 1945 nach Eckersdorf in Oberfranken. Das Gymnasium besuchte er in Bayreuth und Hannover, wo er 1959 das Abitur ablegte. Anschließend absolvierte er ein Studium der Zeitungswissenschaft, Philosophie, Germanistik und Soziologie an den Universitäten München und Wien, welches er 1964 als Magister Artium im Fach Zeitungswissenschaft beendete. Er war dann bis 1970 bei Otto B. Roegele wissenschaftlicher Assistent am Institut für Zeitungswissenschaft der Universität München, wo 1968 auch seine Promotion zum Dr. phil. mit der Arbeit Buchkritik in deutschen Zeitungen erfolgte. Von 1969 bis 1970 war er auch Konrektor der Universität München. Anschließend war er bis 1972 Geschäftsführer eines Forschungsinstituts in München.
Nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag 1996 war Glotz bis 1999 (Gründungs-)Rektor der Universität Erfurt. Erfolge erzielte er dort vor allem mit dem Aufbau der philosophischen und staatswissenschaftlichen Fakultät, dem Max-Weber-Kolleg, beim Bau der Bibliothek und Kontakten zur Wirtschaft. Von 2000 bis 2004 war er ständiger Gastprofessor für Medien und Gesellschaft am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen (Schweiz). Als Vertreter des Bundeskanzlers war Glotz von 2001 bis 2002 Mitglied des Europäischen Verfassungskonvents zur Ausarbeitung einer Europäischen Verfassung. Seit 2000 war er gemeinsam mit Erika Steinbach Vorsitzender der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen. Er war Kurator der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und wirkte zuletzt als freier Publizist, Autor und Herausgeber, beispielsweise der Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte.
Zusammen mit Heinz Klaus Mertes moderierte er auf RTL von 1996 bis 1997 die Polit-Talkshow Im Kreuzfeuer[1] und 2005 gemeinsam mit Heiner Geißler die monatliche Politsendung Glotz & Geißler auf n-tv.
Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Glotz heiratete 1976 die damalige Bundestagsabgeordnete Anke Martiny in zweiter Ehe. In seiner dritten Ehe war Peter Glotz seit 1991 mit Felicitas Walch verheiratet. Der Ehe entstammt der Sohn Lion.[2]
Glotz starb im Alter von 66 Jahren am 25. August 2005 – im Beisein seiner Angehörigen – im Universitätsspital Zürich an einem Plattenepithel-Karzinom in der Lunge.
Partei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Seit 1961 war Glotz Mitglied der SPD. Von 1972 bis 1976 war er stellvertretender Landesvorsitzender der bayerischen Sozialdemokraten. Nach einem kurzen Intermezzo als Landesvorsitzender der SPD Berlin im Jahre 1981 war er bis 1987 SPD-Bundesgeschäftsführer. Schließlich amtierte Glotz von 1987 bis 1991 als Bezirksvorsitzender in Südbayern.
Abgeordneter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Von 1970 bis 1972 gehörte Glotz dem Bayerischen Landtag als Abgeordneter des Wahlkreises Fürstenfeldbruck an.
Von 1972 bis zu seinem Ausscheiden am 16. Mai 1977 sowie von 1983 bis zum 24. September 1996 war er Mitglied des Deutschen Bundestages.
Glotz ist stets über die Landesliste Bayern in den Bundestag eingezogen.
Öffentliche Ämter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Am 16. Mai 1974 wurde er als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft in die von Helmut Schmidt geführte Bundesregierung berufen.
Am 16. Mai 1977 schied er aus diesem Amt aus, da er zum Senator für Wissenschaft und Forschung in dem von Dietrich Stobbe geleiteten Senat von Berlin (West) ernannt worden war. Dieses Amt behielt er bis zum Rücktritt Stobbes als Regierender Bürgermeister Mitte Januar 1981.
Politisches[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Glotz wurde gern von Medienvertretern als „Vordenker“ der Sozialdemokratie bezeichnet, obwohl ihm diese in seinen Ideen nur ungern und meist gar nicht folgte. In den 1970er Jahren profilierte er sich in Auseinandersetzungen mit den Jungsozialisten in der SPD. Im Januar 1978 war er Teilnehmer am Tunix-Kongress in Berlin, bei dem die Linke nach den Geschehnissen des Deutschen Herbstes zukünftige Strategien und Ausrichtungen diskutierte. Als Bundesgeschäftsführer versuchte er der SPD neue Impulse („Kampagnenfähigkeit“) zu geben, die er mit jeweils aktuellen sozialwissenschaftlichen Thesen und Themen abzusichern versuchte („Informationsgesellschaft“). Diesen Bemühungen war zwar kein Wahlerfolg beschieden (Verlust der Bundestagswahlen 1983 und 1987), doch machte er damit die politikwissenschaftliche Legitimation und Politikberatung zu einem Standard für die Arbeit seiner Partei. Er veröffentlichte eine Reihe von Büchern, daneben auch immer wieder Aufsätze und Artikel in Zeitschriften und Zeitungen (Die Zeit, Freitag).
Glotz war zu Beginn seiner Parteilaufbahn dem linken Flügel zuzurechnen, mit zunehmendem Alter näherte er sich jedoch konservativen Positionen an. So gehörte er in der SPD zu den Vorkämpfern für die Einführung von Studiengebühren (Im Kern verrottet? Fünf vor zwölf an Deutschlands Universitäten. 1996). Ebenso unterstützte er die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung und forderte noch weiter gehende Reformen in der Arbeits- und Wirtschaftspolitik. Weiterhin war er im Auftrag der SPD-geführten Bundesregierung an der Ausarbeitung der Europäischen Verfassung beteiligt. Glotz befürwortete die Errichtung eines Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin und war seit September 2000 (gemeinsam mit der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen Erika Steinbach), Vorsitzender der zu diesem Zweck gegründeten Stiftung.
Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Buchkritik in deutschen Zeitungen (= Schriften zur Buchmarkt-Forschung. Band 14). Verlag für Buchmarkt-Forschung, Hamburg 1968, DNB 481608419 (Dissertation Universität München, Philosophische Fakultät, 27. September 1968, 226 Seiten).[3]
- mit Wolfgang R. Langenbucher (Hrsg.): Versäumte Lektionen. Entwurf eines Lesebuches. S. Mohn Verlag, Gütersloh 1965.
- mit Wolfgang R. Langenbucher: Der missachtete Leser. Zur Kritik der deutschen Presse. Kiepenheuer und Witsch, Köln und Berlin 1969.
- mit Wolfgang R. Langenbucher (Hrsg.): Vorbilder für Deutsche. Korrektur einer Heldengalerie. R. Piper, München 1974.
- Der Weg der Sozialdemokratie. Der historische Auftrag des Reformismus. Molden, Wien 1975.
- Die Innenausstattung der Macht. Politisches Tagebuch 1976–1978. Steinhausen, München 1979.
- Die Arbeit der Zuspitzung. Über die Organisation einer regierungsfähigen Linken. Berlin, Siedler 1984.
- Manifest für eine Neue Europäische Linke. Siedler, Berlin 1985.
- Die Zuspitzung der Arbeit. Fünf Thesen zur Arbeitsgesellschaft und ihrer Zukunft. In: Kurt van Haaren, Hans-Ulrich Klose, Michael Müller (Hrsg.): Befreiung der Arbeit. Strategien gegen Arbeitslosigkeit, Naturzerstörung und Entfremdung. Neue Gesellschaft, Bonn 1986, S. 41–47.
- mit Eberhard Lämmert und Jörn Rüsen (Hrsg.): Die Zukunft der Aufklärung. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1988.
- Die deutsche Rechte. Eine Streitschrift. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1989.
- Der Irrweg des Nationalstaats. Europäische Reden an ein deutsches Publikum. DVA, Stuttgart 1990.
- Die Linke nach dem Sieg des Westens. DVA, Stuttgart 1992.
- Konrad Seitz, Peter Glotz, Rita Süssmuth: Die planlosen Eliten: versäumen die Deutschen die Zukunft? Stiebner, München 1992.
- Im Kern verrottet? Fünf vor zwölf an Deutschlands Universitäten. DVA, Stuttgart 1996.
- Die Jahre der Verdrossenheit. Politisches Tagebuch. DVA, Stuttgart 1996.
- Die Benachrichtigung der Deutschen. Aktuelle Fernsehberichterstattung zwischen Quoten- und Zeitzwang. Institut für Medienentwicklung und Kommunikation in der Verlagsgruppe Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt am Main 1998.
- Die beschleunigte Gesellschaft. Kulturkämpfe im digitalen Kapitalismus. Kindler, München 1999.
- Von Analog nach Digital. Unsere Gesellschaft auf dem Weg zur digitalen Kultur. Huber, Frauenfeld 2001.
- Ron Sommer. Der Weg der Telekom. Hoffmann und Campe, Hamburg 2001, ISBN 3-455-09332-9.
- Die Vertreibung. Böhmen als Lehrstück. Ullstein, München 2003, ISBN 3-550-07574-X.
- Der Wissensarbeiter. Essays zur politischen Strategie. Vorwort von Wolf Lepenies. Huber, Frauenfeld 2004, ISBN 3-7193-1351-4.
- mit Robin Meyer-Lucht (Hrsg.): Online gegen Print. Zeitung und Zeitschrift im Wandel. (= Medien und Märkte, Band 12), UVK, Konstanz 2004, ISBN 978-3-89669-443-0.
- Von Heimat zu Heimat. Erinnerungen eines Grenzgängers. Econ, Berlin 2005, ISBN 3-430-13258-4.
- (Hrsg.) zusammen mit Stefan Bertschi und Christopher Locke: Daumenkultur : Das Mobiltelefon in der Gesellschaft, Transcript Verlag, Bielefeld 2006, ISBN 9783899424737 (Aufsatzsammlung aus dem Englischen)
- Das Gespräch ist die Seele der Demokratie. Beiträge zur Kommunikations-, Medien- und Kulturpolitik. Hrsg. von Wolfgang R. Langenbucher und Hans Wagner. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2014, ISBN 978-3-8487-1557-2.[4]
Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- 1968: Kurt-Magnus-Preis der ARD für die Sendereihe 'Presse und Demokratie' (gemeinsam mit Wolfgang R. Langenbucher)[5]
- 1986: Großes Bundesverdienstkreuz
- 1991: Bayerischer Verdienstorden
- 2006: postume Verleihung der Ehrenplakette des Bundes der Vertriebenen (BdV) für sein Engagement zugunsten eines Zentrums gegen Vertreibungen.
Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Bruno Kreisky: Stein ins Rollen gebracht. Gedanken zu Peter Glotz’ Buch „Die Arbeit der Zuspitzung.“ In: Die Neue Gesellschaft, 31, 1984, S. 1153–1154.
- Ingomar Hauchler: Sozial gesteuerte Innovation – Arrangement mit dem Kapital? Zum Buch von Peter Glotz „Die Arbeit der Zuspitzung.“ In: Die Neue Gesellschaft, 31, 1984, S. 1155–1160.
- Dietmar Herz: Das Anthemion und das „Streichholzthema“ – Gedanken zu Peter Glotz’ Leben und politischem Denken. In: Sinn und Form, 60, 2008, S. 631–650.
- Robert Liniek: Anleihen bei einem Marxisten: Peter Glotz und seine Gramsci-Rezeption. In: EUROjournal pro management. 2/2013, S. 67–68.
- Frank Ettrich, Dietmar Herz (Hrsg.): Peter Glotz – Fechtmeister und Sänger. Die Rolle von politischen Intellektuellen im Zeitalter der Postdemokratie, Budrich UniPress, Opladen 2018, ISBN 978-3-86388-740-7.
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Biographie beim Deutschen Bundestag
- Literatur von und über Peter Glotz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zentrum gegen Vertreibungen
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Im Kreuzfeuer. Wunschliste. Abgerufen am 17. Oktober 2017.
- ↑ Thomas Schmid: Pathos und Größenwahn waren ihm fremd. In: DIE WELT. 25. August 2015.
- ↑ Vgl. dazu: Bernhard Zimmermann: Konkurs der Kritik? In: ders.: Navigationen. Studien zur Literatur- und Mediengeschichte im 20. und 21. Jahrhundert. Kovač, Hamburg 2013, S. 89–106, S. 97 (zu den Positionen von Peter Glotz bezüglich der bildungsbürgerlichen Funktionseliten der Literaturkritik, die seiner Ansicht nach ihren Auftrag versäumen, im Sinne einer Demokratisierung von Lesekultur zur Überwindung von kulturellen Kluften beizutragen).
- ↑ Das Gespräch ist die Seele der Demokratie. Portal für Politikwissenschaft. 7. Mai 2010. Abgerufen am 17. Oktober 2017.
- ↑ Chronik der ARD, 28. März 1968 auf web.ard.de.
Personendaten | |
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NAME | Glotz, Peter |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (SPD), MdL, MdB, Publizist und Kommunikationswissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 6. März 1939 |
GEBURTSORT | Eger, Tschechien |
STERBEDATUM | 25. August 2005 |
STERBEORT | Zürich, Schweiz |
- Bundestagsabgeordneter (Bayern)
- Senator von Berlin
- Bundesgeschäftsführer der SPD
- Landtagsabgeordneter (Bayern)
- Präsident (Universität Erfurt)
- Hochschullehrer (Universität Erfurt)
- Hochschullehrer (Universität St. Gallen)
- Kommunikationswissenschaftler
- Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes
- Träger des Bayerischen Verdienstordens
- Parlamentarischer Staatssekretär (Bundesrepublik Deutschland)
- Person (Cheb)
- Vorsitzender der SPD Berlin
- Träger des Sudetendeutschen Kulturpreises
- Deutscher
- Schweizer
- Geboren 1939
- Gestorben 2005
- Mann