Spätkauf

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Spätkauf in Berlin

Spätkauf, Spätverkauf oder Späti[1] (kurz für Spätverkaufsstelle)[2] ist ein vor allem in Berlin, Dresden, Leipzig und einigen anderen ostdeutschen Städten verwendeter Begriff für einen Convenience Shop, der außerhalb der üblichen Ladenöffnungszeiten (in einigen Fällen auch rund um die Uhr) geöffnet ist. In einem Spätkauf werden zumeist Getränke und Tabakwaren verkauft, gelegentlich aber auch Zeitschriften und Lebensmittel sowie Dinge des täglichen Bedarfs. Einige Spätkäufe bieten zudem Internetzugänge an[2] und dienen als Postfiliale im Einzelhandel. In Berlin existieren etwa 900 solcher Geschäfte. Sie werden meist von Familien türkischer oder sonstiger asiatischer Herkunft betrieben und gelten als Bestandteil der Berliner Kiezkultur.[3] Vergleichbare Geschäfte mit eigenen regionalen Bezeichnungen gibt es im Ruhrgebiet, im Rheinland, in Hannover und in Hamburg.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Spätverkaufsstellen (kurz: Spätverkauf) entstanden unter diesem Namen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der DDR und dienten der Versorgung von Schichtarbeitern mit grundlegenden Lebens- und Genussmitteln. In den meisten Fällen waren es normale Lebensmittelläden der HO oder des Konsums mit lediglich abweichenden Öffnungszeiten. Während alle reguläre Läden um 18 Uhr schlossen, hatten Spätverkäufe bis 19 oder 20 Uhr geöffnet, in seltenen Fällen und in größeren Städten auch darüber hinaus. Je nach örtlicher Notwendigkeit schlossen Spätverkaufsstellen aber auch bereits um 18:30 Uhr oder öffneten als Frühverkauf vor den üblichen Ladenöffnungszeiten.[4]

Nach der politischen Wende wurde der Begriff auch von Geschäften im ehemaligen West-Berlin übernommen, die über die regulären Ladenöffnungszeiten geöffnet hatten.

Rechtlicher Status und aktuelle Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entgegen der üblichen Praxis von Spätverkäufen dürfen sonntags zwischen 7 und 16 Uhr laut dem Berliner Ladenschlussgesetz nur Blumen, Printmedien, Backwaren und Milchprodukte verkauft werden. Touristische Angebote und Getränke dürfen sonntags nur zwischen 13 und 20 Uhr angeboten werden. Der Verkauf von Alkohol ist sonntags nicht erlaubt.[5]

Im März 2012 zeigte ein Anwohner aus Prenzlauer Berg 48 Geschäfte, die gegen das Ladenschlussgesetz verstießen, beim Berliner Ordnungsamt an. Über mehrere Händler wurden daraufhin Bußgelder zwischen 150 und 2500 Euro verhängt. Der Spätkauf Kollwitz 66 wurde später mit einer Gegenkampagne auffällig, bei der er Name und Telefonnummer des Anzeigenden am Geschäft aushängte und auch bei Facebook veröffentlichte.[6]

In einem Radiointerview erklärte der Berliner Stadtrat Torsten Kühne, dass das Ordnungsamt jedem Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz selbst auf den Grund gehen müsse. Dafür fehlten beim Berliner Ordnungsamt jedoch die Mittel.[7]

Im Oktober 2012 setzte sich die CDU in Pankow für eine Gesetzesänderung ein, die die Berliner Spätverkaufstellen legalisiert hätte. Diese scheiterte allerdings.[8]

Auf der Internetseite change.org wurde im Juni 2015 eine Petition mit dem Hashtag #RettetdieSpätis gestartet, die eine Anpassung des Ladenschlussgesetzes anstrebt und Spätkäufe mit Tankstellen und Bahnhofsgeschäften gleichstellen möchte.[9] Wegen Verstößen gegen das Sonntagsverkaufsverbot seien 2015 im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gegenüber Spätkauf-Betreibern Bußgelder in Höhe von 35.000 Euro und im Bezirk Neukölln Bußgelder in Höhe von 70.000 Euro verhängt worden. Bündnis 90/Die Grünen forderten eine Ausnahmeregelung für Spätkäufe an Sonntagen für einige Stunden, was durch die Regierungsparteien SPD und CDU jedoch nicht unterstützt wurde. Der Abgeordnete der Piratenfraktion Martin Delius stellt den Vorschlag zur Diskussion, Spätkäufe zu Ladestationen für Pedelecs umzufunktionieren, wodurch sie rechtlich mit Tankstellen gleichgestellt werden könnten.[10]

Einem im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ansässigen Spätverkauf wurde 2016 vom zuständigen Bezirksamt unter Androhung eines Zwangsgeldes von 1500 Euro untersagt, an Sonntagen zu öffnen. Nachdem die Inhaberin vor dem Verwaltungsgericht Berlin geklagt hatte, entschied das Gericht im Mai 2019, Berliner Spätverkäufe müssten sonntags grundsätzlich geschlossen bleiben. In der Begründung heißt es, Spätis führten in ihrem Sortiment Produkte des alltäglichen Bedarfs und seien auf die unspezifische Versorgung der näheren Umgebung ausgerichtet. Damit fielen die Geschäfte nicht unter eine entsprechende Ausnahmeregelung im Berliner Ladenöffnungsgesetz für touristische Läden.[11]

Trinkhalle, Kiosk und Büdchen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während in manchen Orten die kleinen Läden mit langen Öffnungszeiten unbekannt sind, gibt es unter der Bezeichnung Trinkhalle, Kiosk oder Büdchen vor allem im Ruhrgebiet, Rheinland, in Hannover und in Hamburg dem Spätkauf vergleichbare Einrichtungen. Ursprünglich waren auch Geschäfte verbreitet, bei denen Kunden außen an ein Fenster traten, inzwischen sind aber kleine Ladenlokale üblich. Auch diese erfüllen neben dem reinen Verkauf eine Rolle als „sozialer Raum“ oder als Ort der Party- und Ausgehkultur von Städten. Allein in Köln existieren rund 1.000 „Büdchen“. Die Einrichtungen sind Teil der Stadtkultur, Forschungsobjekte, Ziel von Stadtführungen, Publikationen sowie Fotomotive für Wandkalender.[12]

Außerhalb Deutschlands[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Frankreich werden mit dem Spätkauf vergleichbare Läden vorwiegend von arabischstämmigen Händlern betrieben.[13]

In Griechenland sind ähnlichartige, sogenannte Peripteros verbreitet.

In New York gab es früher rund 1500 Newsstands, die neben Zeitungen ebenfalls Getränke, Süßigkeiten oder Tabakwaren verkauften, oft durch ein Fenster oder eine Durchreiche. Inzwischen ist deren Zahl auf 300 gesunken, die meisten davon gibt es in Manhattan.[14]

In Madrid werden mit dem Spätkauf vergleichbare Läden, die eine begrenzte Auswahl an Lebensmitteln, Snacks und Toilettenpapier anbieten und meist rund um die Uhr und an allen Tagen im Jahr geöffnet haben, „chinos“ genannt, weil sie häufig von asiatischen Einwanderern betrieben werden. Eine Untersuchung des Ministerio de Industria, Turismo y Comercio zählte 2007 in ganz Spanien 16.000 "chinos" und "todo a cien"-Läden (vergleichbar sogenannten Sonderpostenmärkten), von denen tatsächlich 26 % von Chinesen geführt wurden, die seit weniger als 10 Jahren in Spanien lebten.[15]

Begriff[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Innere eines Spätkaufs in Berlin, 2011

Der Begriff „Späti“ wurde 2017 in den Duden aufgenommen.[16]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Spätkauf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Späti – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Online-Petition will die Berliner Spätis retten. In: Berliner Morgenpost
  2. a b Kult-Spätkauf in Berlin: Party beim Kiez-Krämer. Bei: Spiegel-Online.
  3. Karambolage. arte, abgerufen am 29. Februar 2016.
  4. Bis 24 Uhr. Bei: userpage.fu-berlin.de
  5. Auch Spätis sollen am siebten Tag ruhen. In: Prenzlauer Berg Nachrichten.
  6. Streit um Spätkauf-Öffnungszeiten. In: Der Tagesspiegel.
  7. Das Ordnungsamt nimmt es nicht so genau. In: Prenzlauer Berg Nachrichten.
  8. Eine Chance für die Spätis der Hauptstadt. In: Die Welt.
  9. Online-Petition will die Berliner Spätis retten In: Berliner Morgenpost
  10. Sabine Beikler: Ladenöffnungsgesetz in Berlin Grüne: Spätis sollen sonntags öffnen dürfen. In: Der Tagesspiegel. 7. März 2016, abgerufen am 8. März 2016.
  11. „Spätis“ müssen sonntags grundsätzlich geschlossen bleiben (Nr. 21/2019), Urteil der 4. Kammer des VG Berlin vom 22. Mai 2019 (VG 4 K 357.18)
  12. Kiosk, Trinkhalle, Späti, Büdchen. Abgerufen am 29. März 2020 (deutsch).
  13. https://www.lexpress.fr/informations/l-epicier-arabe_59
  14. Hannah Howard: How New Yorkers Are Fighting to Save the City's Struggling Newsstands. 12. Mai 2017, abgerufen am 29. März 2020.
  15. https://elpais.com/diario/2006/05/14/economia/1147557602_850215.html
  16. Selfie, Späti, Merkel – Duden enthält 5000 neue Wörter, waz.de