Thomas Hürlimann

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Thomas Hürlimann (* 21. Dezember 1950 in Zug) ist ein Schweizer Schriftsteller.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thomas Hürlimann wurde als Sohn des späteren Bundesrats Hans Hürlimann (1918–1994) in Zug geboren. Seine Mutter Marie-Theres Hürlimann-Duft (1926–2001) entstammte der St. Galler CVP-Dynastie Duft. Nachdem Hürlimann die Primarschule in Zug besucht und einen Sommer lang bei seinem Onkel Johannes Duft in der Stiftsbibliothek St. Gallen gearbeitet hatte, trat er in die Stiftsschule Einsiedeln ein, wo er laut eigenen Worten «saure Zeiten» als «kahl rasiertes Mönchlein in knöchellanger Kutte» überstand.

Nach der Matura studierte er Philosophie an der Universität Zürich und, seit 1974, an der FU Berlin. Nach dem Abbruch des Studiums arbeitete er von 1978 bis 1980 als Regieassistent und Produktionsdramaturg am Berliner Schillertheater. Seit 1980 ist er freier Schriftsteller. 1985 kehrte er in die Schweiz zurück und wohnte die längste Zeit in einem Dorf bei Einsiedeln. Im Herbst 1996 war er Visiting Professor am Dartmouth College in New Hampshire, 2000 und 2001 drei Semester Dozent am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Hürlimann lebt heute in Walchwil.[1][2] Seine Lebenspartnerin war[3] mehrere Jahre lang die deutsche Schriftstellerin und Dramaturgin Katja Oskamp.[4]

Seit 2014 befindet sich sein Archiv im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern.

Künstlerisches Schaffen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Autor debütierte Thomas Hürlimann 1981 mit dem Erzählband Die Tessinerin, erschienen im Zürcher Ammann Verlag. Zum erzählerischen Werk des Autors, der sich immer wieder engagiert mit der jüngeren Schweizer Geschichte auseinandergesetzt hat, gehören auch Das Gartenhaus, Die Satellitenstadt, Der große Kater, Fräulein Stark und Vierzig Rosen. Dazu kommen Theaterstücke und Komödien, darunter Der Gesandte (über den Schweizer Gesandten in Berlin während des Zweiten Weltkriegs, Hans Frölicher), Der Franzos im Ybrig (1991) oder Das Einsiedler Welttheater, Hürlimanns Version von Calderóns Mysterienspiel El Gran teatro del mundo (2000, überarbeitet 2007).

Das meistbeachtete Werk war die Novelle Fräulein Stark (2001). Sein Onkel Johannes Duft fühlte sich als Opfer eines Schlüsselromans und verfasste deshalb eine zehnseitige Streitschrift (Bemerkungen und Berichtigungen; als Privatdruck erschienen), in der er Hürlimann unter anderem als «verwöhntes Herrensöhnchen» bezeichnete. Ähnliche Diskussionen musste Hürlimann bereits nach der Veröffentlichung seines Romans Der große Kater (1998; verfilmt 2010) führen, bei dem sein Vater als literarisches Vorbild diente.

Hürlimanns Dramentext Was ihr wollt oder Dreikönigsabend wurde 2019 von Barbara Schlumpf für die Freilichtspiele Luzern inszeniert. Das Stück wurde in Innerschweizer Mundart aufgeführt, alle Schauspieler agierten in Schlittschuhen auf einer Kunsteisfläche. Der Theaterkritiker der NZZ nannte das Resultat «ein kleines Theaterwunder».[5]

Für sein Schaffen erhielt Thomas Hürlimann zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Zum Beispiel bekam er im Jahr 2001 für Fräulein Stark den Joseph-Breitbach-Preis, den höchstdotierten Literaturpreis im deutschsprachigen Raum, und im Jahr 2012 den Thomas-Mann-Preis für sein Werk, mit dem er «dem Wissen von der Zerbrechlichkeit des Daseins eine tiefe Humanität entgegensetze». Sein erster Erzählband Die Tessinerin wurde in sechs, die Novelle Das Gartenhaus in 13 Sprachen übersetzt. Hürlimann ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Akademie der Künste, Berlin, des PEN-Clubs Liechtenstein, des Innerschweizer Schriftstellerverbands und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Prosa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Theater[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Großvater und Halbbruder. Ein Theaterstück. UA: Schauspielhaus Zürich 1981; Ammann, Zürich 1981, ISBN 3-250-01001-4.
  • Stichtag. UA: Düsseldorfer Schauspielhaus 1984.
  • Stichtag. Großvater und Halbbruder. 2 Theaterstücke: Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-596-27086-3.
  • Lymbacher. Komödie (nach Meinrad Inglin). UA: Schauspielhauskeller Zürich 1990; Kulturverein Chärnehus, Einsiedeln 2003, ISBN 3-909060-22-6.
  • Der letzte Gast. Komödie. UA: Schauspielhaus Zürich 1991; Ammann, Zürich 1990, ISBN 3-250-01034-0.
  • Der Gesandte. UA: Schauspielhaus Zürich 1991; Ammann, Zürich 1991, ISBN 3-250-01063-4.
  • De Franzos im Ybrig. Komödie. UA: Kloster Einsiedeln 1991; Ammann, Zürich 1996, ISBN 3-250-10286-5.
  • Innerschweizer Trilogie: De Franzos im Ybrig. Komödie – Dämmerschoppen. Novelle – Lymbacher, nach Inglin. Stück. Ammann, Zürich 1991, ISBN 3-250-01044-8.
  • Güdelmäntig. Komödie. UA: Kloster Einsiedeln 1993; Kulturverein Chärnehus, Einsiedeln; Ammann, Zürich 1993, ISBN 3-909060-10-2.
  • Der Franzos im Ybrig. Komödie (hochdeutsche Fassung). UA: Schauspielhaus Zürich 1995; Ammann, Zürich 1996, ISBN 3-250-10286-5.
  • Carleton. Ein Stück. UA: Theater am Neumarkt Zürich 1996; Ammann, Zürich 1996, ISBN 3-250-10352-7.
  • Das Lied der Heimat. Stück. UA: Schauspielhaus Zürich 1998; Ammann, Zürich 1998, ISBN 3-250-10390-X.
  • Das Lied der Heimat. Alle Stücke. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-596-14277-6.
  • Stichtag. Oper. UA: Zürich 1998.
  • Das Einsiedler Welttheater. Nach Calderón de la Barca. UA: Kloster Einsiedeln 2000; Ammann, Zürich 2000, ISBN 3-250-10424-8.
  • Synchron. UA: Schauspielhaus Zürich 2002; in: Theater Theater. Aktuelle Stücke 12. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-596-15664-5.
  • Das Einsiedler Welttheater 2007. Nach Pedro Calderón de la Barca. UA: Kloster Einsiedeln 2007; Ammann, Zürich 2007, ISBN 978-3-250-10512-1.
  • Das Luftschiff – Komödie einer Sommernacht. UA: Luzerner Freilichtspiele, Tribschen 2015.[12]

Essays[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das Holztheater. Geschichten und Gedanken am Rand. Ammann, Zürich 1997, ISBN 3-250-60001-6.
  • Himmelsöhi, hilf! Über die Schweiz und andere Nester. Ammann, Zürich 2002, ISBN 3-250-30010-1.
  • Der Sprung in den Papierkorb. Geschichten, Gedanken und Notizen am Rand. Ammann, Zürich 2008, ISBN 978-3-250-60125-8.
  • Abendspaziergang mit dem Kater. S. Fischer, Frankfurt am Main 2020, ISBN 978-3-10-397040-1.

Sprechoper[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Güdelmäntig. Sprechoper für einen Schauspieler, Chor und Orchester. Musik: John Wolf Brennan. UA: Aarau 2002; Musica Vocalis Rara, Bläsersolisten Aargau. Ammann, Zürich 2001.

Rede[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der Mittagsteufel. Die Geworfenheit spricht zu Entwürfen. Rede an die Abiturienten des Jahrgangs 2011. Gollenstein, Merzig 2011, ISBN 978-3-938823-92-7.

Hörbuch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der Berg. (Drehbuch gemeinsam mit Markus Imhoof), Kinofilm, 1990.
  • De Franzos im Ybrig. (Aufzeichnung einer Aufführung; Video von Bernhard Lang), Schweizer Fernsehen, 1991.
  • Der Gesandte. (Aufzeichnung einer Aufführung), Schweizer Fernsehen, 1993.
  • Franzos in Ötz. (Aufzeichnung einer Aufführung), ORF, 1994.
  • Das Einsiedler Welttheater. (Dokumentation über eine Inszenierung), kulturplatz Schweizer Fernsehen, 2007.
  • Der grosse Kater. (Buchvorlage), Kinofilm, 2009.

Herausgeberschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Film und Audio[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Marianne Pletscher: Thomas Hürlimann – Schriftstellerportrait. 1999.[13]
  • Radio SRF 3 Focus: Thomas Hürlimann: «Manchmal vergesse ich den Krebs». 2019. Redaktion und Moderation: Anita Richner[14]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Thomas Hürlimann, Die Kunst, zu leben. Blick aus dem Fährhaus. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Feuilleton, 3. April 2020, S. 11
  2. Daniele Muscionico: Der Verführer sehnt sich nach Kontemplation. In: NZZ online, 4. Sept. 2017.
  3. Thomas Hürlimann, Es geschah mitten im Indischen Ozean. Vor Jahren verliebte ich mich auf hoher See in eine Inderin. Als Fata Morgana sah ich sie wieder auf der Rigi. NZZ, Feuilleton, 3. Februar 2020
  4. https://www.nzz.ch/feuilleton/thomas-huerlimann-ueber-seine-krebserkrankung-eine-spital-odyssee-ld.1476904
  5. Daniele Muscionico: Thomas Hürlimann on Ice: Der Autor erweckt Shakespeare mit einer halsbrecherischen Idee zum Leben, Rezension in der NZZ vom 25. Juni 2019, abgerufen 26. Juni 2019
  6. Stiftung Bibel und Kultur - Auszeichnungen. Abgerufen am 27. Dezember 2019.
  7. Träger des Jean-Paul-Preises (Memento des Originals vom 27. Juni 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.km.bayern.de, Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst
  8. Thomas Mann Preis geht an Thomas Hürlimann. Meldung bei HL-live.de abgerufen am 1. Juni 2012.
  9. Thomas Hürlimann erhält den Theaterpreis der Zentralschweiz. Schweizer Radio und Fernsehen, 19. März 2015, abgerufen am 6. April 2015.
  10. https://www.nzz.ch/feuilleton/adolf-muschg-und-thomas-huerlimann-erhalten-keller-preis-ld.1482453. In: nzz.ch. 16. Mai 2019, abgerufen am 17. Mai 2019.
  11. Buchbesprechung in der Sendung 52 beste Bücher des Schweizer Radios (5. Mai 2019)
  12. Website zum Theaterstück (Memento des Originals vom 13. Juni 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.freilichtspiele-luzern.ch
  13. Filmbeschreibung auf der Website von Marianne Pletscher, abgerufen am 11. Juni 2015
  14. Focus mit Thomas Hürlimann auf Radio SRF 3, abgerufen am 8. April 2020