Giovanni Battista degli Antonii, Ricercate op.1
(Julius Berger: Geburt des Cellos).]
Das Problem ist abermals eines der Textfülle; ich werde also noch etwas weiter kürzen müssen. Chohan hatte auch gleich zwei Szenen parat, die, streng genommen, redundant sind, weil sie etwas Selbes ansprechen, wenn auch in verschiedenem Hinblick, nämlich das Heimweh. Was ich brauche, um den erhofften Atem zu geben, sind ungefähr sechzig Sekunden Stille, übers Stück hier und dort zu verteilen. Damit werde ich mich gleich nach diesem Brief beschäftigen. Ich hoffe freilich, bis heute abend so weit fertig zu sein, daß die dann gültige Montage an meine Redakteurin in die Dropbox kann.
Auch >>>> die Triestbriefe beschäftigen mich allerdings wieder, nun doch schon wieder jetzt.
Zum einen sprach sie die Löwin wieder an, die vor diesen Texten ebenso viel Angst hat wie ich. „Es ist unglaublich“, seufzte sie, „was Künstler sich antun können müssen und ihren Liebsten dabei m i t antun! Die ganze Situation ist bizarr, ja fürchterlich, denn du mußt aus dem Vorbei schreiben, als w ä r e es noch, mußt dich zurück in die Qual begeben, aber ich kenne niemanden sonst, der sie so souverän wie du in Literatur umzuformen vermag“, ja sie sagte sogar: „Unter anderen Umständen könnten die Triestbriefe als ein Meilenstein in der Geschichte der Liebesdichtung gelten, und das werden sie eines Tages vielleicht auch. Laß nur zwanzig oder dreißig Jahre vergehen… – Genau aber darum m u ß t du diesen Roman zuendeschreiben. Ja, ja, ich merke dir an, daß du nach Gründen suchst, ihn endgültig beiseitezulegen…“
In der Tat bin ich durch den direkten Schmerz unterdessen hindurch; er durchzieht zwar meinen Boden immer weiter; ich bin, Geliebte, treu. Aber die Aufwölbungen haben eine Kruste gebildet, wie scheinerloschene Vulkane eine Art Wundschorf, so daß die Seele nicht mehr wie bei einem Patienten blutet, der auf Marcumar gesetzt werden mußte. Wenn ich die Triestbriefe indessen neu aufnehme, bedeutet das, diesen ganzen Schorf wieder abzupulen. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, daß er zu wesentlichen Teilen aus Verdrängungsenzymen besteht. (Weiters sagte die Löwin zurecht: „Das braucht dann kalte Augen, wenn du fertig bist und dich an die Überarbeitung des Romanes machen wirst.“)
(Cigarillo).
Zum anderen erreichten mich einige Zeilen meiner Freundin A., die nun, andererseits, monierte, es sei in den Triestbriefen die Intimität nicht gewahrt, zu wenig verfremdet worden. Mich machte dieser Einwand ein wenig ärgerlich, und ich schrieb kühl zurück, wo sie das denn meine und für was. Niemand außer mir selbst sei für Leser:innen erkennbar, die nicht sowieso Zeuge der Vorgeschichte gewesen seien, und für die könne ich eh verfremden, wie ich nur wolle: sie würden i m m e r erkennen – bzw. zu erkennen glauben: nur zweie nämlich, wenn etwas geschah, wissen, was und wieviel. Dennoch: „zu intim“ und außerdem „fast nicht auszuhalten“. Gemeint ist die Intensität der Briefe, die aber gerade das ist, worum es geht: was zu erreichen, als wirkender Anlaß festzuhalten und poetisch auszuformulieren ist. Dagegen darf kein Primat der Privatheit stehen, zumal dann nicht, wenn immer nur spekuliert wird, was eigentlich „privat“ „war“ und was nicht. „Ich bin ganz froh“, sagte die Löwin noch, „daß es jemanden gibt, der diese künstlerische Position öffentlich vertritt, ohne sich von der allgemeinen Meinung einschüchtern zu lassen.“ Die eine bürgerliche ist und das „Ideal“ des Eigentums, mithin der Warengesellschaft, vertritt.
Aber noch, Liebste, lasse ich das Buch beiseite liegen, Αἰαιαη oder Die Erleuchtung, und wende mich jetzt wieder dem Hörstück zu. Indessen habe ich immerhin d a s wiedererreicht, daß ich Dir ins Arbeitsjournal schreibe und nicht mehr so völlig weggetaucht bin. Überraschenderweise wasche ich mich wieder, und gestern ab spätnachmittags trug ich sogar Anzug und Krawatte. Sowie desabends einen Hut.
Auch als Untertaucher ständig bei Dir:
A.
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