Glarean Magazin

Das Zitat der Woche

Posted in Essays & Aufsätze, Henry Deku, Philosophie, Theologie, Zitat der Woche by Walter Eigenmann on 31. Dezember 2008

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Über das Gute im Leiden

Henry Deku

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Seit 1755, dem Erdbeben von Lissabon, pflegt man zu argumentieren: es gibt das Böse, also kann es keinen Gott geben. Thomas dagegen meinte, gerade weil es das Böse gebe, gebe es auch Gott: »esset autem e contrario arguendum: si malum est, Deus est.« Dabei spielt der physische Defekt nur eine Nebenrolle. Daß Tiere sich gegenseitig auffressen, ist ja kein so tragischer Umstand – sollten wir denn vom Tiger erwarten, daß er sein Lebtag nur Rüben knabbert? Schwerwiegend ist erst das moralische Übel bzw. das durch es verursachte Leid, zumal wenn es unverdient ist: Verleumdung etwa, ungerechte Verfolgungen und dergleichen mehr; stellen sie nicht tatsächlich handfeste Einwände gegen die Existenz Gottes dar?
Nun kann man mit dem Leiden in ästhetisierender Weise fertig zu werden versuchen, indem man sagt, wo Licht sei, müsse auch Schatten sein. Dieser mache jenes um so kostbarer. Doch wird ein solcher Gedankengang wahrscheinlich nur solange verfangen, als es andere sind, die zu leiden haben. Dann kann man es moralisch rechtfertigen, wie es ein zwanzigjähriger Student tat, dessen Tagebuch man in Oradour gefunden hat: »La seule vérité de vie: le sacrifice. Je n’ai pas assez sacrifié … combien la douleur est nécessaire! Nous n’aurons jamais assez de douleur car le peu que nous en avons sur terre ne peut même pas effacer ou faire oublier un seul de nos péchés«. Das ist nobel gedacht, wenn auch nicht so überraschend in einem weder gnostischen noch ästhetisierenden BiIdungsmilieu, aber immer noch ein wenig gewaltsam, insofern man Trostgründe gegen das Leid aufmarschieren läßt.

henry-deku

Henry Deku: 1909-1993, Studium der Mathematik, Klassischen Philologie, Philosophie in Berlin, Dr. phil. Prof.; 1937 Bonitzpreis der Österr. Akademie der Wissenschaften, Emigration nach einem Aufenthalt im KZ Buchenwald; mit den Amerikanern nach Deutschland zurück; lehrte ab 1946 Philiosophie an den Universitäten Nortre Dame, Salzburg, München (Bronze-Statue: A. Rückel)

Wie wäre es, den Trost im Leiden selber zu suchen? Da es auch darauf ankommt, nicht nur die Dinge so zu sehen »prout sunt« – ohne verfälschende Denkmodelle, sondern auch das Rechte zu tun, wird die Übung der Selbstüberwindung nötig werden: Naive Unmittelbarkeit und Echtheit des Empfindens taugen ja nicht viel, auch Frömmigkeit ist oft genug nur eine Weise der Selbstbestätigung. Sitzen doch die Egoismen im allgemeinen so tief, daß ihnen nichts leichter fällt als eine zur Wirklichkeit recht beziehungslose Frömmigkeitswelt zusammenzuzimmern, in der von vornherein dafür gesorgt ist, daß man nur seinen eigenen Idealen begegnet, nicht aber dem Willen Gottes. Nur widrige Umstände, nur intensive Leiderfahrungen werden ein solches Gefängnis aufzubrechen vermögen. Der Verlust der Selbstverkrampfung, des Eingesponnenseins in sich selber müßte dann aber als befreiend, als beglückend empfunden werden: »itaque ad virtutem spectat tribulationes fortiter sustinere: ad sapientiam gaudere in tribulationibus« (Bernardus PL). Der Trost liegt im Leiden selber, vorausgesetzt man stellt es in den Dienst der Läuterung und Sühne und versucht darüber hinaus noch, durch geduldiges Annehmen die Summe der Übel geradezu zu vermindern; d. h. man soll nicht um jeden Preis soviel wie möglich leiden wollen – das könnte auf Eitelkeit beruhen. Auf das Ertragen als solches kommt es auch nicht an – das wäre allenfalls eine sportliche Leistung, zumal man ja auch für objektiv Unsinniges Opfer zu bringen imstande ist, etwa aus parteipolitischer Leidenschaft. In all dem läge immer noch eine subtile Selbstbestätigung verborgen. Statt dessen kann und soll man aus Liebe zu Gott versuchen, am Widrigen zu wachsen, an ihm ein anderer zu werden, um dann die in irgendeiner Hinsicht negativ gewordene Weltsituation mit der Selbstlosigkeit eines Opfers zu beantworten. Dieses Mehr an Liebe macht zwar das, worauf es die Antwort darstellt, nicht ungeschehen, es vermag ihm aber sozusagen den Stachel zu nehmen. In rückläufiger Betrachtung, aber auch nur in einer solchen, wird sogar dem bösen Anlaß etwas vom Glanz des nachfolgenden Guten zuteil…

Aus Henry Deku, Die Konkurrenzlosigkeit des Christentums, in W.Jens (Hrsg.), Warum ich Christ bin, Kindler Verlag 1979

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Eine Antwort

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  1. Stefan Talmatzky said, on 5. Mai 2009 at 17:48

    Gott sei Dank hier im Busch ein Wort meines alten ehrwuerdigen Lehrers an der
    LMU Muenchen zu finden. Wer ihn hat lehren gesehen, der wird wissen was ein
    wahrer Philosoph ist . Real philosophy in action!

    Ihnen herzlichen Dank,
    servus Stefan


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