Die Schach-Datenbank «Chessbase 13»
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Schach auf Wolke 7 ?
Dr. Mario Ziegler
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29 Jahre dauert mittlerweile die Geschichte der Hamburger Softwarefirma ChessBase (gegründet 1985) an, die sich in dieser Zeit zum Marktführer für elektronische Schachprogramme entwickelt hat. Das bekannteste Produkt des Hauses ist neben dem Programm «Fritz» das namengebende «ChessBase» – im Gegensatz zu Fritz nicht zum Spielen konzipiert, sondern zur Verwaltung und Bearbeitung von Partien. ChessBase liegt nun in der Version 13 vor, und für den Nutzer stellt sich die Frage, wie umfangreich die Verbesserungen zur 2012 erschienenen Vorgängerversion ausgefallen sind. Lohnt sich die Neuanschaffung, die selbst in der günstigsten Download-Version immerhin noch stolze 99,90 € kostet?
Ich werde mich im Folgenden auf die Neuerungen von ChessBase 13 konzentrieren und daher die unzähligen nützlichen Funktionen, die bereits in früheren Versionen enthalten sind, übergehen. Dem Nutzer von ChessBase 12 wird der Einstieg in die aktuelle Version leicht fallen, da an der Menügestaltung kaum Änderungen vorgenommen wurden. Mitgeliefert wird in den günstigeren Programmpaketen die Datenbank «Big Database 2014» mit knapp 5,8 Millionen unkommentierten Partien (im Megapaket alternativ die «Mega Database» mit zusätzlich ca. 68000 kommentierten Partien). Das sollte hinsichtlich des Umfangs des Partiematerials keine Wünsche offen lassen, zumal aus ChessBase heraus ein Zugriff auf die noch umfangreichere Online-Datenbank von ChessBase möglich ist. Hier sei aber doch ein kleiner Kritikpunkt angebracht: Wieso endet eigentlich eine «Big Database 2014» mit Partien aus dem November 2013 (mit der ersten Weltmeisterschaft Anand-Carlsen)? Und wieso sind alle Datenbanktexte in der Big Database leer? Natürlich sind das Kleinigkeiten, aber andererseits wäre es ja sicher kein Problem gewesen, noch ein paar Tausend Partien aus 2014 aufzunehmen oder eben darauf zu achten, dass die Texte auch wirklich Texte sind und nicht nur aus Überschriften bestehen.
Nun aber zu den wirklich wichtigen Dingen. Hervorstechendes Merkmal der neuen Version ist die ChessBase-Cloud. Ein Verfahren, das bereits in vielen anderen Programmen umgesetzt wurde, hält damit auch ins Schach Einzug: Es wird möglich, Daten nicht nur lokal, sondern auch auf einem Server zu speichern. Bei der Installation des Programms werden drei leere Datenbanken angelegt: «Repertoire Weiß», «Repertoire Schwarz» sowie «Meine Partien». Darüberhinaus kann der Nutzer nach Belieben zusätzliche Datenbanken erstellen, solange die maximale Größe von 200 MB nicht überschritten wird.
Diese Cloud-Datenbanken befinden sich sowohl auf dem lokalen Computer als auch in der «Wolke». Das Programm prüft bei jeder Verbindung mit der ChessBase-Cloud, welche der beiden Datenbanken aktueller ist und synchronisiert selbständig die Versionen.
Die Vorteile dieser neuen Technik liegen auf der Hand. Von jedem beliebigen Computer kann man durch Aufruf der URL http://mygames.chessbase.com und Eingabe der Login-Daten auf die Cloud-Datenbanken zugreifen, auch wenn auf diesem Rechner kein ChessBase installiert ist. So kann man schnell und unkompliziert das eigene Repertoire durchsehen, Analysen studieren und bearbeiten oder trainieren. A propos Training: Für Trainer ist die Cloud ein nützliches Hilfsmittel, um den Schülern Material zur Verfügung zu stellen oder mit ihnen zu interagieren, ohne sich persönlich oder auf einem Server treffen zu müssen. Der Trainer kann Materialien vorbereiten, in die Cloud einstellen und den jeweiligen Schüler einladen, was diesem die Möglichkeit gibt, auf die Datenbank zuzugreifen.
Falls gewünscht, kann man dem Schüler erlauben, die Datenbank zu verändern, so dass er Aufgaben bearbeiten und diese dann abspeichern kann. Auch die Möglichkeit, eine Datenbank als Download über die Cloud anzubieten, besteht. Da wie beschrieben eine Cloud-Datenbank, die auf dem lokalen Rechner verändert wird, auch auf dem Server angepasst wird, besteht sogar die Möglichkeit, Partien im Internet live zu übertragen, ohne auf aufwändige und kostspielige Technik zurückgreifen zu müssen. Für größere Übertragungen wäre es allerdings günstig, wenn man nicht jeden User einzeln zur Einsicht in die Datenbank einladen müsste, sondern eine Datenbank generell freigeben könnte.
Neben der Cloud bietet das neue ChessBase verschiedene Detailveränderungen, die das Leben des Benutzers erleichtern. So muss man zur Kommentierung von Partien nicht mehr auf die rechte Maustaste zurückgreifen, da nun eine Leiste unter der Notation die wichtigsten Funktionen und Symbole bereitstellt. Nur am Rande sei die Frage gestellt, wieso nicht gleich alle Symbole, die ChessBase zur Kommentierung einer Partie anbietet, implementiert wurden.
Diese Leiste erleichtert die Eingabe deutlich. Für die im Screenshot dargestellte Variante samt Text und Symbolen benötigte ich mit der Leiste 5 Klicks, mit der alten Methode deren 9. Und auch eine zweite kleine Neuerung spart Zeit: Gibt man einen von der Partiefortsetzung abweichenden Zug ein, legt ChessBase nun sofort eine Variante an, statt wie früher ein Kontextmenü mit den Optionen «Neue Variante – Neue Hauptvariante – Überschreiben – Einfügen» zu öffnen. Auf der anderen Seite muss man aber natürlich dann nacharbeiten, wenn man ausnahmsweise wirklich die Partiefortsetzung überschreiben möchte.
Der obige Screenshot zeigt eine weitere Neuerung: Neben den Spielernamen werden nun die Bilder der Spieler angezeigt, und zwar die zeitlich am besten passenden aus der Spielerdatenbank. Klickt man die Fotos an, sieht man eine größere Version. Ein Klick auf die Spielernamen öffnet den Personalausweis, ein Klick auf den Turniernamen die Turniertabelle.
Ein nettes neues Feature ist die Möglichkeit, verschiedene Wertungszahlen zu speichern. Gerade die Unterteilung zwischen nationalen und internationalen Wertungszahlen halte ich für sehr sinnvoll, divergieren diese beiden Zahlen doch gerade bei Amateuren, die nicht regelmäßig Turniere mit Eloauswertung bestreiten, erheblich. Daneben kann man auch Blitz-, Schnellschach- und Fernschach-Wertungszahlen speichern.
Eine neue Analysemöglichkeit besteht darin, gezielt eine oder mehrere Positionen einer Partien vertieft bewerten zu lassen. Dazu werden Analyseaufträge angelegt, die das Programm abarbeitet. Dies ist sehr nützlich, um Schlüsselmomente der Partie auszuloten.
Zuletzt die technischen Mindestvoraussetzungen, wie sie der Hersteller selbst angibt:
Pentium III 1 GHz, 1 GB RAM, Windows Vista, XP (Service Pack 3), DirectX9 Grafikkarte mit 256 MB RAM, DVD-ROM Laufwerk, Windows Media Player 9 und Internetverbindung (Aktivieren des Programms, Playchess.com, Let’s Check, Engine Cloud und Updates).

Die Cloud-Technologie ist in jedem Fall das Kernstück der neuen Schachdatenbank ChessBase 13. Wie in vielen anderen Bereichen, in denen die «Wolke» kaum noch wegzudenken ist, wird diese Technik zweifellos auch den Datenaustausch und die Analysemöglichkeiten im Schach verändern. In diesem Punkt weist ChessBase 13 einen neuen Weg.
Fazit: Die Cloud-Technologie ist in jedem Fall das Kernstück von ChessBase 13. Wie in vielen anderen Bereichen, in denen die «Wolke» kaum noch wegzudenken ist, wird diese Technik zweifellos auch den Datenaustausch und die Analysemöglichkeiten im Schach verändern. In diesem Punkt weist ChessBase 13 einen neuen Weg. Weitere Änderungen im Vergleich zur Vorgängerversion sind eher dem Bereich der Feinjustierung zuzuordnen; sie sind nützlich, jedoch nicht bahnbrechend. Um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen: Wer auf die Möglichkeiten der Cloud verzichten kann und bereits ChessBase 12 besitzt, für den stellt das neue ChessBase keinen Pflichtkauf dar. Für den Trainer oder Turnierspieler jedoch, der schnell auf wichtige Datenbanken zugreifen oder diese mit anderen teilen möchte, bietet ChessBase 13 durch die Cloud eine großartige Neuerung. ■
Chessbase GmbH: Chessbase 13 – Software-Schach-Datenbank, DVD, ISBN 978-3-86681-448-6
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Weitere Schach-Rezensionen im Glarean Magazin
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13. Version des Chessbase-Schachprogrammes «Fritz»
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Am Beginn eines neuen Weges
Dr. Mario Ziegler
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Es gibt Klassiker, die jedes Jahr – oder zumindest in einem regelmäßigen Zeitraum – in einer neuen Version erscheinen. Im Bereich der Schachsoftware ist dies vor allem das Programm «Fritz», Flaggschiff des Marktführers ChessBase (Hamburg), das unlängst bereits in seiner 13. Auflage auf den Markt gekommen ist und diesmal sogar mit einer Weltneuheit punkten will. Fritz 13 liegt in einer Download- und einer Box-Version vor, letztere enthält zusätzlich den ersten Band der ChessBase Eröffnungs-Tutorials über die Offenen Spiele.
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Technische Anforderungen
ChessBase selbst nennt als Mindestausstattung einen Pentium III mit 512 MB RAM, Windows XP, einer DirectX9 Grafikkarte mit 256 MB RAM sowie einem Internetzugang. Letzterer ist für die Programmaktivierung sowie natürlich für alle Funktionen notwendig, die das Internet voraussetzen (das Spielen auf dem Schachserver schach.de sowie auch die Let’s check-Funktion, siehe unten). Dass für die technische Ausstattung nach oben hin keine Grenze besteht und das Programm etwa von einem größeren Arbeitsspeicher bei der Rechenleistung profitiert, bedarf keiner besonderen Erwähnung.
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Neues und Bewährtes
Eines vorweg: Es ist weder möglich noch gewollt, eine Gesamtrezension dieses Programms vorzulegen. Allein das Handbuch von Fritz 13 – das diesmal nicht in gedruckter Form, sondern als PDF-File beigegeben wurde – umfasst 330 Seiten. Doch wäre es andererseits völlig überflüssig, dem interessierten Leser alle Details dieses vielseitigen Programms nahe bringen zu wollen; jeder der Fritz zum Spielen, Analysieren oder als Client für den Schachserver nutzt, wird die meisten für ihn wichtigen Funktionen bereits kennen. Ich werde folglich nicht über die mitgelieferte große Datenbank mit 2’563’944 unkommentierten Partien (die neuesten von September 2011) sprechen, nicht von den diversen Spiel- und Trainingsmodi, nicht von den zahlreichen Möglichkeiten, das Programm graphisch an die eigenen Bedürfnisse anzupassen und die Partien auf einem 2D-, 3D-, Marmor- oder Holzbrett, mit Figuren aus Eis oder auch zur Abwechselung mit Luftballons zu spielen (zu letztem konnte ich mir aber doch einen Screenshot nicht verkneifen – siehe rechts).
Stattdessen möchte ich mich im Folgenden auf die wirklichen Neuerungen gegenüber Fritz 12 konzentrieren. Hier fällt zunächst negativ ins Auge, dass ChessBase die Premium-Mitgliedschaft für den Schachserver, die der Nutzer bei Kauf des Programms erwirbt, von zwölf auf sechs Monate halbiert hat. Dies erscheint mir etwas am falschen Ende gespart, denn gerade der Server dürfte für viele Schachfreunde einer der Hauptgründe sein, sich das neue Programm anzuschaffen.

Fritz 13 auf Youtube: Programmierer Mathias Feist und Moderator André Schulz demonstrieren «Let’s check» anhand der «französischen» Anfangsstellung
Die wichtigste Innovation besteht ohne Zweifel in der sog. Let’s check-Funktion, einer Idee, an der ChessBase nach Aussage des Programmierers Mathias Feist etwa 2 Jahre arbeitete (vgl. auch TV Chessbase). Über einen eigens dafür eingerichteten Server können mit dem Computer erstellte Analysen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Auf dem Server werden zu jeder Stellung die besten drei Analysen gespeichert. Wer eine noch nicht analysierte Stellung auf diese Weise untersucht, hat die Möglichkeit, sie auf dem Let’s check-Server dauerhaft mit seinem Namen zu versehen (im Fritz-Jargon: «zu erobern»). Wird eine neue Analyse erstellt, die tiefgründiger ist als eine bereits gespeicherte, verdrängt sie diese, so dass die auf dem Server gespeicherten Untersuchungen im Laufe der Zeit immer präziser werden. Diese Analysen anderer Nutzer können im Gegenzug abgerufen und in die eigene Partie integriert werden.
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Let’s check
Die Idee ist revolutionär: Der einzelne User kann auf seinem Privat-PC nur eine sehr geringe Menge an Zügen analysieren, besitzt er doch in der Regel nur eine oder zwei Engines, nur eine limitierte Hardware und vor allem nur begrenzte Zeit für eine Analyse. Doch wirft man alle diese Analysen in einen großen Topf und filtert die genauesten heraus, entsteht ein gewaltiger Wissenspool, zu dem jeder seinen Beitrag leisten und an dem jeder partizipieren kann. Dieses Prinzip des vernetzten Wissens, vergleichbar dem bekannten Internet-Nachschlagewerk Wikipedia, bietet dem Interessierten völlig neue Möglichkeiten. Man erhält Zugriff auf die Bewertungen anderer User und fremder Engines, kann von der eigenen Analyse abweichende Bewertungen vergleichen und dadurch zu neuen Ergebnissen oder zumindest zu neuen Ideen kommen, in welche Richtung man weiter analysieren könnte. Allerdings muss auch hier auf die zeitliche Einschränkung hingewiesen werden: Der Let’s check-Zugang mit Fritz 13 endet am 31. Dezember 2014.
Als Beispiel habe ich eine der spektakulärsten Partien der Schachgeschichte gewählt, den Sieg des polnischen Meisterspielers Zukertort gegen den Engländer Blackburne beim Turnier von London 1883. Die Varianten und Bewertungen sind diejenigen der Let’s check-Analyse, ich habe lediglich das Diagramm eingefügt:
Zukertort,Johannes Hermann – Blackburne,Joseph Henry
London, 1883
1.c4 e6 0.19/20 2.e3 0.05/20 [2.Sf3 Sf6 3.Sc3 0.19/20 ; 2.d4 d5 3.Sf3 Houdini 2.0 w32 0.16/25 ; 2.d4 Sf6 3.Sf3 Deep Rybka 4 x64 0.13/22 ] 2…Sf6 0.13/19 [2…Sf6 3.d4 d5 0.05/20 ; 2…Sf6 3.Sc3 d5 Houdini 1.5 x64 0.10/21 ; 2…Sf6 3.Sc3 Sc6 Fritz 13 0.05/18 ] 3.Sf3 0.04/22 [3.Sf3 b6 4.Sc3 0.13/19 ; 3.Sc3 Le7 4.Sf3 Fritz 13 0.16/22 ; 3.Sf3 c5 4.d4 Houdini 2.0 x64 0.16/22 ] 3…b6 0.25/23 [3…d5 4.d4 c5 Houdini 1.5 x64 0.04/22 ; 3…c5 4.Le2 d5 Deep Rybka 4 x64 0.12/18 ; 3…d5 4.d4 Ld6 0.20/20 ] 4.Le2 [4.d4 Lb4+ 5.Sbd2 Houdini 2.0 x64 0.25/23 ] 4…Lb7 5.0–0 d5 6.d4 0.10/21 Ld6 0.04/23 [6…dxc4 7.Sc3 a6 Houdini 2.0 x64 0.10/21 ] 7.Sc3 0.08/20 [7.cxd5 exd5 8.Sc3 Stockfish 2.1.1 0.04/23 ] 7…0–0 [7…0–0 8.cxd5 exd5 Houdini 1.5 w32 0.08/20 ] 8.b3 Sbd7 9.Lb2 De7 10.Sb5 Se4 11.Sxd6 cxd6 12.Sd2 Sdf6 13.f3 Sxd2 14.Dxd2 dxc4 15.Lxc4 d5 16.Ld3 Tfc8 0.97/24 17.Tae1 [17.a4 a5 18.Tfc1 Deep Fritz 10 0.83/19 ] 17…Tc7 18.e4 Tac8 19.e5 Se8 20.f4 g6 1.32/18 21.Te3 [21.Te3 Sg7 22.g4 Deep Fritz 10 1.32/18 ; 21.g4 f5 22.gxf5 0.96/26 ; 21.g4 f5 22.g5 Fritz 13 0.82/22 ] 21…f5 22.exf6 Sxf6 23.f5 Se4 24.Lxe4 dxe4 3.09/18 25.fxg6 [25.fxg6 Deep Fritz 10 3.09/18 ; 25.fxg6 h5 26.Tf7 Fritz 13 3.35/23 ] 25…Tc2 26.gxh7+ Kh8 27.d5+ 7.65/16 e5 14.45/18 [27…Txb2 28.Dxb2+ e5 Fritz 13 7.65/16 ]
28.Db4 12.25/12 [28.Db4 Deep Fritz 10 14.45/18 ; 28.Db4 Te8 29.Tf8+ Fritz 13 13.52/19 ; 28.Db4 Te8 29.Tf8+ Houdini 2.0 x64 12.75/15 ] 28…T8c5 299.89/14 [28…Te8 29.Tf8+ Dxf8 Fritz 13 12.25/12 ] 29.Tf8+ 299.91/9 [29.Tf8+ Dxf8 30.Lxe5+ Fritz 13 299.89/14 ] 29…Kxh7 299.92/13 [29…Dxf8 30.Lxe5+ Dg7 Fritz 13 299.91/9 ] 30.Dxe4+ [30.Dxe4+ Kg7 31.Tg8+ Fritz 13 299.92/13 ] 30…Kg7 299.93/15 31.Lxe5+ 33.16/15 [31.Tg8+ Kxg8 32.Dg6+ Fritz 13 299.93/15 ] 31…Kxf8 [31…Kxf8 32.Lg7+ Kg8 Fritz 13 33.16/15 ] 32.Lg7+ Kg8 [32…Kg8 33.Dxe7 Tc1+ Fritz 13 299.82/13 ] 33.Dxe7 1–0
Wie man sieht, sind sich die Engines über das Damenopfer 28.Db4 völlig einig, während es zuvor einige Meinungsverschiedenheiten gibt. Im 17. Zug ließ ich meine Engine (Fritz 13) eine Daueranalyse durchführen. Wie schon Deep Fritz 10 in der vorgefundenen Analyse plädierte auch mein Fritz 13 für 17.a4:
Nach einiger Zeit rückte meine Analyse an die erste Stelle und verdrängte die dort zuvor befindliche Analyse des Users Oldlittemaster.
Damit kommen wir zur Frage der Zielgruppe. Let’s check ist ein Werkzeug für ambitionierte Spieler und Trainer, die sich über die neuesten Entwicklungen der Eröffnungstheorie auf dem Laufenden halten oder einfach möglichst tiefgründige Analysen anfertigen wollen. Dem Gelegenheitsspieler bietet die Funktion dagegen wenig: Wer lediglich seine Partien verwalten oder eine schnelle Fehlerüberprüfung durchführen möchte, kommt gut ohne Let’s check aus.
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Fazit

Fritz 13 realisiert mit seiner neuen Let’s check-Funktion eine Neuerung, die den für die Anwenderschaft zentralen Bereich der Partieanalyse innovativ weiterbringen wird. Ansonsten wird gegenüber Fritz 12 wenig Weiterführendes geboten. Wer hingegen noch keine oder nur eine ältere Programm-Version hat, kann beim neuesten Chessbase-Kind unbesorgt zugreifen.
Wenn das Handbuch schreibt, die Let’s check-Funktion werde «die Schachwelt auf Jahre in Bewegung halten und revolutionieren», so sind dies große Worte. Dennoch hat mich das Konzept und die Umsetzung überzeugt. Es ist meines Erachtens sehr zu begrüßen, dass nach vielen Verbesserungen, die in den vergangenen Versionen von Fritz auf dem Gebiet der Multimedia und des Onlineschachs vorgenommen wurden, nun eine Neuerung realisiert wurde, die den zentralen Bereich der Partieanalyse substantiell weiterbringen wird.
Über diese Innovation hinaus bietet Fritz 13 wenig Neues, so dass das Programm für einen Besitzer von Fritz 12, der Let’s check nicht benötigt, kein Pflichtkauf ist. Wer noch keine oder nur eine ältere Fritz-Version besitzt, kann dagegen beim neuesten Kind des Hauses ChessBase unbesorgt zugreifen. ■
Fritz 13, DVD-Schach-Software, ChessBase, ISBN 978-3-86681-250-5
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Weitere Schach-Rezensionen im Glarean Magazin
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K. Müller / C. Meyer: «Magic of Chess Tactics»
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Instruktiver Zauber der Schach-Taktik
Malte Thodam
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Während die meisten «Fritz-Trainer»-DVDs aus dem Hause Chessbase sich mit nahezu jeder spielbaren Eröffnung bzw. mit den Endspielen beschäftigen, hat der Hamburger Großmeister (und Trainer) Dr. Karsten Müller in Zusammenarbeit mit dem Fide-Meister und A-Trainer Claus Dieter Meyer eine Taktik-DVD mit dem Titel «Magic of Chess Tactics» herausgebracht. Die DVD wurde auf der Grundlage des gleichnamigen Buches beider Autoren produziert, das bereits 2002 erschienen war.
Es ist dabei jedoch nicht bei einer bloßen Wandlung des Mediums geblieben, denn das alte Material wurde nochmals überarbeitet und um neue Analysen der beiden Autoren erweitert. Im Wesentlichen orientieren sich die vorgestellten Partieausschnitte an den großen Taktikern – oder Magiern, wie Müller sie nennt – der Schachgeschichte. Vertreten sind daher natürlich Partien von Spitzenkönnern der klassischen Ära wie Tal, Spielmann, Stein, Nezhmetdinov und Bronstein. Außerdem sind für die neuere Zeit noch Beispiele von solchen Größen wie Shirov oder Anand vorhanden.
Neben den 38 Videoeinheiten, in denen Müller Partie-Fragmente und die dazugehörigen Analysen vorstellt, befinden sich noch zahlreiche von ihm und Meyer kommentierte Stellungen im CB-Format auf der DVD. Abgerundet wird diese durch einige kurze Texte (Vorwort, Informationen zu den Autoren sowie Texte zu den Spielern). Des weiteren wurde die DVD mit einigen Bildern der Hauptakteure garniert, die leider hin und wieder etwas unvorteilhaft ausgewählt sind (etwa rote Augen bei Kasparov). Natürlich ist dieser Sachverhalt im Hinblick auf den Zweck der DVD eher nebensächlich, allerdings hätte sich hier und da sicher besseres Fotomaterial finden lassen können.
Wie arbeitet man nun mit der DVD? Eines ist klar: Auch dieses Medium nimmt dem Schachspieler das eigenständige Analysieren nicht ab. Karsten Müller empfiehlt ausdrücklich, sich beim Anschauen genügend Zeit zu nehmen. Statt sich nur «berieseln» zu lassen, soll man bewusst Pausen machen, um selbst kritische Stellungen zu analysieren und die Lösung anschließend mit einem Schachprogramm zu überprüfen. Eine wirklich vernünftige Alternative zu dieser Vorgehensweise gibt es eigentlich auch nicht, wenn man etwas verstehen möchte, da Großmeister Müller alles recht zügig vorträgt.
Dafür sind die Analysen sehr genau, und hie und da gibt Karsten Müller Hinweise auf typische taktische Manöver in bestimmten Stellungstypen. Die behandelten Stellungen sind in der Regel sehr schwierig einzuschätzen, womit sie mehr sind als eine bloße taktische Aufwärmübung. Die Kenntnis einfacher taktischer Motive reicht hier nicht immer aus, weshalb sich die gesamte DVD auch eher an fortgeschrittene Spieler richtet.

Screenshot: GM K. Müller analysiert (in englisch) das berühmte Endspiel Topalov-Shirov / Linares 1998
Zum Beispiel muss im Läuferendspiel der bekannten Partie Topalov – Shirov, die 1998 in Linares gespielt wurde (u.a. auch schon 2003 in Breutigams Buch «64 Monate auf 64 Feldern» vorgestellt), das unglaublich schöne 47… Lh3!! gefunden werden. Ohne Kenntnis der Partie dürfte das Aufspüren dieses genialen Läuferzuges selbst starken Amateuren alles andere als leicht fallen. Für jene bietet die DVD dann mit über drei Stunden Laufzeit in deutscher und englischer Sprache aber auch genug Material für eigenständiges Arbeiten. Etwas störend ist dabei nur der für viele Schach-DVDs leider übliche stolze Preis.
Fazit: Wer gerne am bzw. mit dem Computer trainiert, findet hier eine gute Abwechslung von der Arbeit mit diversen Taktikbüchern. Und wer noch nicht die erforderliche Spielstärke besitzt, um die Aufgaben zu lösen, der kann sich einfach am Zauber von Karsten Müllers «Magier» erfreuen. ■
K. Müller / C.D. Meyer: «Magic of Chess Tactics», Schach-DVD aus der Reihe «Fritz-Trainer», Chessbase 2009
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Kapitelübersicht
01: Intro
02: Fischer,R – Donner,J
03: Shirov,A – Lautier,J
04: Topalov,V – Shirov,A
05: Kreuzfesselung
06: Bronstein,D – NN
07: Bronstein,D – Korchnoi,V
08: Tal,M – Bronstein,D
09: Samsonov – Nezhmetdinov,R
10: Nezhmetdinov,R – Tal,M
11: Polugaevsky,L – Nezhmetdinov,R
12: Stein,L – Birbrager,I
13: Stein,L – Portisch,L
14: Stein,L – Anikaev,Y
15: Spielmann,R – Gruenfeld,E
16: Spielmann,R – Thomas,G
17: Tal,M – Koblentz,A
18: Tal,M – Klaman,K
19: Tal,M – Smyslov,V
20: Tal,M – Benko,P
21: Tal,M – Nievergelt,E
22: Kunnemann – N.N.
23: Analyse von Kunnemann – N.N.
24: Dame und Springer: Anand,V – Radjabov,T
25: Angriffskombination 01: Müller,K – Zagrebelny,S
26: Angriffskombination 02: Caruana,F – Berg,E
27: Angriffskombination 03: Rotlewi,G – Rubinstein,A
28: Angriffskombination 04: Bagirov,V – Gufeld
29: Angriffskombination 05: Maroczy,G – Romi,M
30: Angriffskombination 06: Alekhine,A – van Mindeno,A
31: Angriffskombination 07: Nimzowitsch,A – Vidmar,M
32: Angriffskombination 08: Kasparov,G – Karpov,A
33: Angriffskombination 09: Panczyk,K – Matlak,M
34: Angriffskombination 10: Martorelli,A – Antunes,A
35: Endspielmagie 01: Szypulski,A – Silbermann,F
36: Endspielmagie 02: Short,N – Cheparinov,I
37: Endspielmagie 03: Geisler,F – Heissler,J
38: Endspielmagie 04: Analyse von Kunnemann – N.N.
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Die beliebtesten Programme bei Schachspielern
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Das eiserne Triumvirat: Fritz – Rybka – Shredder
Walter Eigenmann
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Über 5’000 Votes verzeichnete die große Schach-Umfrage, welche das «Glarean Magazin» anfangs Oktober letzten Jahres gestartet hatte. Der zweimonatige, anonym durchgeführte Poll thematisierte dabei die vier Aspekte:
A) «Meine 3 Lieblings-Schach-Programme sind…»
B) «Ich benütze meine Schach-Software hauptsächlich für…»
C) «Meine 3 Lieblings-Schach-Oberflächen sind…»
D) «Ein Schachprogramm darf kosten…».
Dank einerseits verschiedener nationaler sowie zahlreicher regionaler Schach-Verbände, welche auf diese User-Befragung hinwiesen – wodurch weite Kreise des «Vereins-Schachs» in Deutschland, Österreich und der Schweiz angesprochen werden konnten -, aber auch zweitens aufgrund des hohen Interesses in der einschlägigen (Computer-)Schach-Szene im Internet erreichte diese «Schach-Volksabstimmung» dabei nicht nur internationale Verbreitung weit über den deutschsprachigen Raum hinaus, sondern auch einen recht guten «Profile-Mix» der teilnehmenden Schachspieler. Insofern dürfen die Ergebnisse der Befragung einige Repräsentanz beanspruchen, jedenfalls aber ist sie die zurzeit einzige Anwender-Konsultation mit dieser Thematik, die bislang mit solchem Umfang und in dieser Differenziertheit innerhalb der aktiven Schachwelt organisiert wurde.
Die folgenden Infos verstehen sich nicht als detaillierte Analyse, sondern beschränken sich auf ein paar Stichworte und auf die Trends, wie sie sich in den vier «Rankings» zeigen. Darüber hinaus ist wie jede Umfrage auch diese viel zu grob, um ein differenziertes Bild der mittlerweile so unübersehbaren wie buntschillernden Computerschach-Welt zu zeichnen – ganz abgesehen von den veralteten und hier ausgeklammerten, aber in Nischen noch immer nostalgisch gepflegten Urahnen der Szene, nämlich den eigentlichen Schachcomputern.
Darüber hinaus ist sich der Autor natürlich bewusst, dass neben den zahlreichen gestellten Fragen noch viele andere Aspekte des Themas – Internet-Schach-Clients, Pocket-Programme, Anzahl Prozessoren u.a. – hätten integriert werden können, doch es galt, einigermaßen die Balance zwischen der Geduld der Votierenden einerseits und dem Anspruch auf Vollständigkeit andererseits zu finden…
An dieser Stelle sei nochmals ausdrücklich allen Schachspielern gedankt, die sich die Zeit nahmen, durch die vier Poll-Rubriken zu klicken!.
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A) — «Rybka» das Lieblingsprogramm der Schachspieler
Ein Viertel aller Voten entfiel bei der Frage nach den drei Lieblings-Schachprogrammen auf die Engine «Rybka». Damit verdrängte, allerdings nur hauchdünn, diese zurzeit spielstärkste Software überraschend den jahrelang unumstrittenen Liebling der internationalen Schachszene, nämlich «Fritz», auf den zweiten Rang. Ziemlich beliebt ist aber auch bzw. nach wie vor der Drittplatzierte «Shredder».
Hinter diesem mittlerweile schon lange etablierten Triumvirat bereits deutlich abgeschlagen rangiert mit «Hiarcs» das vierte kommerziell vertriebene Programm.
An der Spitze aller Freeware-Programme steht «Glaurung/Stockfish», das sich sogar vor die beiden in der Computerschach-Szene seit Jahren bekannten und eher im englischsprachigen Raum verbreiteten, seinerzeit aber auch hierzulande vielgesehenen kommerziellen Engines «Zappa» und «Chessmaster» schieben konnte.
Keine Rolle mehr im sich schnell drehenden Engine-Zirkus spielen offenbar solche einst klangvollen Namen wie «Spike», «Pro Deo», «Loop», «Sjeng» oder «Chess Tiger». Andererseits kann sich ein Winboard-Dinosaurier wie «Crafty» noch immer recht gut halten in der Gunst der schachspielenden Anwenderschaft.
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Programm/Engine Votes1 Prozent2
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01. Rybka 406 25%
02. Fritz 403 24%
03. Shredder 322 19%
04. Hiarcs 78 5%
05. Glaurung/Stockfish 69 4%
06. Zappa 59 4%
07. Fruit/Toga 51 3%
08. Chessmaster/TheKing 46 3%
09. Junior 35 2%
10. Naum 35 2%
11. Crafty 30 2%
12. Bright 18 1%
13. ProDeo 18 1%
14. Thinker 13 1%
15. Sjeng 12 1%
16 Spike 10 1%
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(Weitere Nennungen: Loop, Genius, Hermann, Jonny, Goliath u.a.)
1(mindestens 10) 2(auf-/abgerundet)
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B) — Hauptzweck: «Analyse der eigenen Partien»
Die Analyse von eigenen Partien als wichtigster Verwendungszweck von Schachsoftware wurde von der überwältigenden Mehrheit (fast einem Drittel der insgesamt 1’505 Votes in dieser Rubrik) genannt – ein Umfrage-Ergebnis, das nicht erstaunt. Weit weniger häufig werden «Rybka»&Co. zur Begutachtung fremder Games eingesetzt (13%). Am dritthäufigsten trifft man das Spiel im Internet mittels Schachsoftware an.
Erstaunlich ist, dass zahlreiche Schachspieler noch immer persönlich gegen die 3000-Elo-Taktik-Aliens antreten (10%), während die relativ häufige Zuhilfenahme von Software beim Fernschach-Spielen nicht überrascht (9%).
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Verwendungszweck Votes Prozent
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01. Analyse eigener Partien 450 30%
02. Analyse fremder Partien 199 13%
03. Spielen im Internet 195 13%
04. Spielen gegen den Computer 143 10%
05. Fernschach-Spielen 140 9%
06. Lösen von Schachproblemen 91 6%
07. Schachturniere unter Programmen 79 5%
08. Schachlernen oder -lehren 78 5%
09. Schachwissenschaftliche Zwecke 38 3%
10. Spielen auf dem Handy 33 2%
11. Schachhistorische Zwecke 26 2%
12. Schachturniere unter Menschen 20 1%
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(Weitere Nennungen: Schachprogrammierung, Eröffnungstheorie u.a.)
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C) — Lieblings-Oberfläche: «Fritz»
Mit deutlichem Vorsprung erkürten die Abstimmer «Fritz» zu ihrem Lieblings-Interface; über ein Drittel aller Votes hier vereinte das Chessbase-Flaggschiff auf sich. Am zweithäufigsten mit immer noch stattlichem Anteil von fast 20% wurde «Shredder» gewählt, den dritten Rang nimmt die Freeware-Oberfläche «Arena» ein.
Beachtlich ist, dass sich das noch relativ junge Schach-GUI «Aquarium» von Convekta noch vor dem langjährigen und kostenlosen «Scid» platziert, während der ebenso traditions- wie Feature-reiche «ChessAssistant» offenbar nur eine marginale Rolle spielt; kaum mehr benutzt werden auch die kostenlos downloadbaren Interfaces «José» und «Winboard». Endgültig von der Bildfläche der Praxis verschwunden sind inzwischen GUIs wie «Chesspartner»/Lokasoft oder «ChessGenius».
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Programm/GUI Votes Prozent
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01. Chessbase/Fritz 454 35%
02. Shredder 242 19%
03. Arena 157 12%
04. Chessbase/Datenbank 154 12%
05. Aquarium 90 7%
06. Scid 64 5%
07. Chessmaster 41 3%
08. Winboard 38 3%
09. ChessAssistant 26 2%
10. Jose 16 1%
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(Weitere Nennungen: Chesspartner, ChessGenius u.a.)
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D) — Wie teuer darf Schach-Software sein?
Auf die Frage, wie viel ein Schachprogramm kosten darf, ergab sich überraschenderweise ein recht hoher Anteil von Schachspielern, die relativ viel für solche Software zu investieren bereit sind, und etwa jedem siebten User ist der Preis egal, solange das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Als ungefährer Richtwert kann aber offenbar wohl von einem breit akzeptierten Preis eines Schachprogrammes von ca. 50 Euro ausgegangen werden. Nicht berücksichtigt wurde dabei die Frage des Preisunterschiedes von Single- und Multi-Prozessoren-Software.
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Preis Votes Prozent
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01. 40-70 Euro 227 36%
02. 20-40 Euro 165 26%
03. Egal (bei gutem Preis-
Leistungs-Verhältnis) 86 14%
04. 70-120 Euro 52 8%
05. 10-20 Euro 43 7%
06. 0 Euro 36 6%
07. Über 120 Euro 12 2%
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(Weitere Nennungen: Bis 50 Euro, 1CPU=50 Euro, u.a.)
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12. Version des Schachprogramms «Fritz»
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Schach-Paket «für die ganze Familie»
Walter Eigenmann
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Es war vor bald 20 Jahren, da geschah in der Hamburger Software-Firma Chessbase Einflussreiches für die Welt des Schachs. 1991 brachten der Physiker Matthias Wüllenweber, der Informatiker Mathias Feist, der Wissenschafts-Journalist Frederic Friedel und der Programmierer Frans Morsch eine Engine (inkl. User-Interface) auf den Markt, die sich anfänglich «Quest» nannte, und die heute weltweit zum Synonym überhaupt für das gesamte Computerschach avanciert ist: «Fritz».
In den Schachvereinen landauf, landab ist, wie jeder aktive Spieler bestätigen kann, der Spruch längst in den Volksmund erhoben worden: «Muss ich mir zuhause mit Fritz anschauen!» Denn professionelle Programmierung, breiteste Produkte-Palette und (last but not least) gerissene Marketingstrategien (bis hin zum Einbezug der großen nationalen Schachverbände und zum Sponsoring international-spektakulärer Man-vs-Machine-«Zweikämpfe») haben dies Chessbase-Flagschiff zum unumstrittenen Software-Marktleader in der gesamten Schachwelt gemacht, auch wenn «Fritz» als seinerzeit spielstärkste Engine inzwischen von anderen Programmen abgelöst wurde.
Seit einigen Wochen feiert nun «The World’s Leading Chess Software Company» (Washington Post) das Dutzend-Jubiläum ihrer wohl einträglichsten DVD: «Fritz Twelve» ist erschienen.

Die neue «Fritz»-Oberfläche mit Notationsfenster, Uhr, Bewertungsprofil, Engine-Output und Messungsanzeiger
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Wie trendig Chessbase auch nach fast 20 Jahren noch immer auf den Markt hin programmiert, wie smart die Leute um Chessbase-Chef Wüllenweber den Mainstream lesen, umsetzen und vermarkten, zeigt sich dem Anwender augenblicklich nach der «Fritz»-Installation. Nicht mehr das altvertraute, mittlerweile etwas verstaubte, teils eher unübersichtliche Outfit der Fritze 5 bis 11 blickt einem da entgegen, nun dominiert den Monitor der von Bill Gates’ Microsoft weltweit unlängst zum Quasi-Standard erhobene und inzwischen weitgehend etablierte «Office-07»-Look des sog. «Ribbon-Menu-Controllings»:
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Microsoft-«Office» lässt grüßen
Ein so bekannt Feature-reiches Schachprogramm wie «Fritz» tut gut daran, seine vielfältigen Menüs möglichst kompakt und sinnvoll strukturiert zu verpacken; insofern ist nur zu begrüßen, dass Chessbase auf diese neue Windows-«Vorgabe» aufgesprungen ist. Die GUI macht einen sichtlich aufgeräumteren, hierarchisch klaren Eindruck, es lässt sich unter dieser Multifunktionsleiste – nach der unvermeidlichen Einarbeitungszeit – jetzt eindeutig flotter hantieren. (Auch wenn man halt anfänglich ein paar Mal vergeblich – wie jahrelang gewohnt – auf F10 statt auf F11 drückt, bis die neue Partie der Datenbank erscheint…) Diese kräftig geliftete, nun sehr kompakt wirkende, farblich beeinflussbare Anordnung aller Fritz-Funktionen und -Steuerelemente wertet das aktuelle Interface zweifellos auf.
Die neuen «Messgeräte»
Das rundum aufgefrischte Outfit ist sicher die wichtigste Novität des zwölften «Fritz», besonders augenfällig sind aber auch zwei neue Features: Der sog. «Schärfemesser», dessen Grafik anzeigt, ob die gerade gespielte Partie in taktisch ruhigen oder eher kombinationsreichen Gewässern fährt, sowie das «Matt-o-Meter», das (ebenfalls via Armaturen-Zeiger) dokumentieren soll, ob die Stellung etwa gar nach Matt «riecht» (Bild links).
Kenntnisreiche bzw. erfahrene Anwender mögen solche GUI-Spielereien mit einigem Recht als verzichtbare Kinkerklitzchen abtun, doch Schach-(Software-)Newbies können derartige Accessoires durchaus hilfreich-informativ zur Seite stehen, wenn’s darum geht, abstrakte schachliche Zusammenhänge plastisch-real rüberzubringen.
Professionelle Grafik
Ebenfalls weniger für die Großmeister-Szene denn für die abertausend gewöhnlichen Schach-Sterblichen wurden die meisten übrigen, teils äußerst ästhetischen, wenngleich ein betont leistungsfähiges Hardware-Equipment voraussetzenden Grafik-Ingredienzen dieses Schach-Pakets entwickelt. Da wären (nach wie vor) zu nennen das «Magische Auge» (Bild rechts), ein dreidimensionaler «Laserstrahl», der optisch verblüffend die Rechenvorgänge des Programmes visualisiert; die realistisch gestalteten Schach-Räume wie z.B. die «Englische Bibliothek» (Bild unten); oder etwa das «Chess-Media-System» mit seiner schachlich integrierten Audio-&Video-Unterstützung.
Die Spielstärke des neuen Fritz
Es lassen sich unschwer Stellungen finden, die «Fritz 12» weitaus besser liegen als seinen Vorgängern, was den Eindruck erwecken könnte, die Engine hätte bezüglich Spielstärke kräftig zugelegt. Um nur drei Exempel zu statuieren, bei denen die neue Engine mehr oder weniger sofort durchblickt, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Programmen:
Stellung 1 (Lloyd-Ling, CorrGame 2000):
17. 0-0-0 ! Sxd5 18. Lc4 S7b6 19. Txd5 Sxd5 20. Td1 Dxe6 21. Lxd5 Dxd5 22. Txd5 +-
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Stellung 2 (Napolitano-Kjellander, CorrGame 1956)
20. h4!! gxh4 21. g4 Ld7 22. Th2 (Var) De7 23. g5 (mit Angriff)
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Stellung 3 (Studie: Pospisil 2000)
1. c6!! c1=D 2. c7 Dc6 3. Le5 Ke2 4. Kb8 Db5+ 5. Ka7 Dc6 6. Kb8 Db6+ 7. Kc8 De6+ 8. Kb8 Db3+ 9. Ka7 Da3+ 10. Sa4 Dxa4+ 11. Kb7 (remis)
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Wenn hier «Fritz 12» also glänzt, so widersprechen diesem positiven Eindruck allerdings sämtlichen anderen Testergebnisse, wie sie die einschlägige Computerschach-Szene über die neueste Engine bislang gesammelt hat. Diesen Messungen zufolge dürfte «Twelve» bezüglich seiner Turnier-Performance in etwa gleich stark wie der Vorgänger sein; leider keine signifikante Verbesserung also. Damit entfällt für so manchen Computerschach-Freund ein ganz wesentliches Kaufargument.
Wer darüber jedoch nun in Wehklagen ausbricht, der klagt auf extrem hohem Niveau. Denn ob der allgemeinen Diskussion über vermeintliche oder tatsächliche «Spielstärke» vergisst man leicht, dass Fritz 12» und mit ihm zahlreiche andere Programme inzwischen 99,99 Prozent aller Schachfreunde weltweit chancenlos lassen, und für die allermeisten Turnierspieler bis hinauf zum Großmeister stellt sich heutzutage allenfalls die Frage, ob sie von «Fritz 12» in 35 Zügen oder von noch stärkeren Engines bereits in 30 Zügen besiegt werden…

Üppige Grafik, ästhetische Schach-Räume, aber auch Ressourcen-Fresser: Die «Englische Bibliothek» in «Fritz 12»
Dies dokumentiert übrigens eine weitere, bereits mit «Fritz 11» eingeleitete konzeptionelle Ausrichtung dieser Chessbase-Software, nämlich die offensichtlich endgültige Verabschiedung vom jahrelang als sakrosankt definierten Diktat der Performance-Progression. Einfacher gesagt: Fritz scheint nicht mehr in die Tiefe, sondern in die Breite gesteuert zu werden. «Breite» durchaus auch im Sinne von Breitensport; nicht mehr für die «Engine-Freaks» programmiert man in Hamburg, sondern «für die ganze Familie»; es soll offensichtlich für den Schachspieler jeder Couleur etwas dabei sein.
Ob Chessbase damit der Not gehorcht – sprich: das programmiertechnische Knowhow erschöpft ist – oder dem eigenen Triebe, darüber darf man spekulieren. Fest steht, dass das schachliche “Drumherum» des Software-Paketes «Fritz» nach wie vor seinesgleichen sucht, auch in der kommerziellen Szene. Die integrierten Fritz-Highlights sind geläufig:
– Umfangreiche Partien-Datenbank: Die aktuell mitgelieferte CBH-Sammlung umfasst nun 1,5(!) Millionen Partien, und zwar hochwertig komponiert mit zahllosen Themen-, Taktik-, Endspiel- und Eröffnungsschlüsseln. Hinzu kommt ein qualitatives «Opening Book» aus der Großmeister-Praxis mit diversen Statistik-Komponenten
– Diverse Trainings-Optionen: Auch in den neuen Fritz wurde wieder eine Fülle an Features reingepackt wie mehrstündige Videolektionen, automatische Spielstärke-Anpassung, Handicap- und Coach-Optionen, Eröffnungsstatistik, Zugerklärung, verschiedene Traningsmodule, automatische Partien-Analyse, diverse Sparring-Funktionen etc.
– Multimediale Komponenten: Sprache und Musik sind abermals aufgepeppt worden, ebenso die Sprüche-«Kommentare» des Kabarettisten Matthias Deutschmann, die integrierte Text-Partiekommentierung, sowie (wie erwähnt) eine Fülle sehr attraktiver «Raum»-Graphiken und (3D-)Brett-Outfits. Nebenbei interessant mag außerdem für entsprechende Liebhaber sein, dass «Fritz» die Schach-Derivate «Chess 960» und «Räuberschach» für das exotische Spiel zwischendurch offeriert.
– Schach-Server-Zugang: Sie ist das ganz besondere Aushängeschild von Fritz, diese Live-Plattform www.schach.de, deren einjähriges Gratis-Abo ein «Fritz»-Käufer automatisch erhält. Neu gibt’s nun noch einen Premium-Account obendrauf: Ohne weitere Verpflichtung oder Kosten lassen sich jetzt auf dem «weltgrößten Schachserver» (Chessbase) exklusvie Audio-Kommentare bei Spitzenturnieren, Live-Trainings-Events, Großmeister-Simultane und Schach-TV-Sendungen genießen.
Erfolgreiches Rundum-Paket
Fazit: «Fritz» hat sich, mit seiner ganzen Unmenge an graphischen Accessoires – ganz zu schweigen von der inzwischen fast unüberblickbaren Vielfalt an direkt kompatiblen weiteren DVD-/CD-Produkten aus allen denkbaren Schach-Sparten -, mit seinem Multimedia-Equipement, mit seinem ständig wachsenden Analyse-Werkzeugkasten und mit seinem umfangreichen Online-Service längst vom «Experten» wegentwickelt, hin zum vielfältigen Schach-Paket quasi «für die ganze Familie», bei dem für absolut jeden was dabei ist, sei er nun Newbie oder Meisterspieler. Schön auch, dass nun endlich einige bekannte kleine «Fritz»-Schönheitsfehler abgestellt wurden; z.B. lässt sich jetzt nach Neustart mit exakt jenen Fenstern weiterarbeiten, die vor dem Programm-Ende aktiv waren.
Kurzum, der Rezensent gesteht: Müsste er sich heute entscheiden, welches Schachprogramm er auf die berühmt-berüchtigte «einsame Insel» mitnähme, seine Wahl fiele ihm relativ leicht.
Mit dieser Entscheidung stünde er allerdings nicht alleine: Die kürzlich gestartete, großangelegte Umfrage des «Glarean Magazins» bezüglich GUI-Präferenz unter den Schachspielern spricht bereits jetzt, lange vor Abschluss des Polls, eine überdeutliche Sprache: Auf «Fritz» entfielen bis heute mehr als 400 Votings – doppelt so viele wie auf die zweitbeliebteste Oberfläche, nämlich jene von «Shredder».
Es scheint also einiges darauf hinzudeuten, dass «Fritz» auch zukünftig bleibt, was er von Anfang an war: Volkes Stimme in Sachen Computerschach. ■
Chessbase/Hamburg: Fritz Twelve, DVD-Schach-Software, ISBN 978-3-86681-133-1
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Fritz-Partie
Fritz 12 – Stockfish 1.5 JA
15Min./Engine (DualCore/5moves-Book – 2009) [E10]
1.Sf3 c5 2.c4 Sf6 3.d4 e6 4.d5 b5 5.dxe6 fxe6 6.cxb5 d5 7.Lg5 Le7 8.e3 a6 9.Sc3 c4 10.bxa6 Db6 11.Tb1 Sc6 12.Le2 0-0 13.0-0 Dxa6 14.Sd4 Lb4 15.Lxf6 Txf6 16.e4 dxe4 17.Sdb5 Db6 18.Lxc4 Tg6 19.a3 Le7 20.Tc1 e3 21.Sd6 Ld7 22.fxe3 Se5 23.Sf5 Lg5 24.Sd5 Dd8 25.h4 Kh8 26.hxg5 exf5 27.Sf4 Tc6 28.Dd4 Sxc4 29.Txc4 Dxg5 30.Ta4 Td8 31.Ta7 Lc8 32.Txg7 Txd4 33.Txg5 Td2 34.e4 h6 35.Tg3 Txb2 36.Sg6+ Kh7 37.exf5 Tbb6 38.Se7 La6 39.Sxc6 Lxf1 40.Kxf1 Txc6 41.Kf2 Ta6 42.Ke1 Ta4 43.f6 Tf4 44.Tf3 Te4+ 45.Kd2 Kg8 46.f7+ Kf8 47.Kc3 h5 48.g3 Ta4 49.Kb3 Te4 50.a4 Te5 51.Kc3 Te4 52.a5 Te5 53.Kb4 Te4+ 54.Kc5 Te5+ 55.Kb6 1-0
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Interview mit dem Rybka-Programmierer Vasik Rajlich
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Rybka 4 kommt mit neuer Suche, neuer Bewertung
und neuen Analyse-Funktionen
Dr. Peter Martan
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we/Die Welt des Computerschachs hat schon seit langem ein allmächtiges Triumvirat, das da heißt: Rybka, Shredder, Fritz. Und für gewöhnlich pflegt dieses omnipräsente (und -potente) Trio alljährlich so gegen den Spätherbst hin mit neuen Versionen auf sich aufmerksam zu machen – das Weihnachtsgeschäft lässt grüßen.
Vor kurzem erschien nun bereits Fritz 12 (siehe hier), seit einigen Tagen ist auch Shredder 12 auf dem Markt (wir haben darüber berichtet) – doch wo bleibt Rybka 4 ?
Wo ist der absolute Generalissimus der Szene – jenes kleine blaue «Fischchen», das als gefräßiger Killer-Hai hinsichtlich Spielstärke jedes Engine-Turnier so dominant beherrscht wie kaum ein anderes Programm in der bisherigen Computerschach-Geschichte?
Das «Glarean Magazin» hielt die Spannung vor dem neuen Release nicht mehr länger aus, und Peter Martan gelangte mit ein paar ungeduldigen Fragen an den Rybka-Erfinder und -Chefdenker Vasik Rajlich.
Glarean Magazin: Was ist Ihre zurzeit wichtigste Arbeit an Rybka?
Vasik Rajlich: Ich befinde mich gerade im «Release-Modus»; da gibt es eine Menge kleinerer Dinge zu tun.
GM: Welche Innovationen können wir von Rybka 4 erwarten?
VR: Die Evaluation und die Suche sind neu gestaltet, beides habe ich letztes Jahr mehrfach geändert. Es werden zudem ein paar neue Analyse-Funktionen hinzukommen.
GM: Wann etwa dürfen wir Rybka 4 erwarten?
VR: Das ist noch offen…
GM: Wird es in der gleichen Weise verkauft bzw. vertrieben wie bisher?
VR: Ja, Convekta und ChessBase werden wieder die publizierenden Firmen sein.
GM: Gab es im Entwickler-Team etwelche Veränderungen?
VR: Die eigentliche Entwicklungsarbeit wird immer noch ausschließlich von mir gemacht. Aber wir haben ein tolles Team: Lukas Cimiotti hat beim «Clustering» sehr viel beigetragen, ebenso auch in Sachen Turnier-Vorbereitungen, und seine Mitarbeit im vergangenen Jahr war enorm. Unser «Book»-Team hat sich ein wenig verändert, wir haben nun zusätzlich Jiri Dufek ins Team geholt, aber Jeroen Noomen bleibt nach wie vor dabei. Nicht unerwähnt lassen will ich Felix Kling und seinen Bruder Christoph, welche für unsere Website verantwortlich sind. Weiters sind da noch Hans van der Zijden, der als PC-Operator auf Computer-Turnieren fungiert, meine Frau Iweta als die Verantwortliche für die Tests, Larry Kaufman für die Leitung der Mensch-vs-Maschine-Matches sowie der ganzen Parameter-Tunings, und schließlich Nick Carlin, der ebenfalls bei den «Book»-Arbeiten und Turnier-Vorbereitungen beteiligt ist.
GM: Wird es – früher oder später – eine öffentliche Cluster-Version von Rybka geben?
VR: Nein, jedenfalls nicht als Bestandteil der kommenden Rybka-4-Version. Aber wir haben Pläne, dies zusätzlich für den spezifischen Einsatz in Turnieren weiter zu entwickeln. Es wird gegenüber dem Bisherigen kleine Unterschiede geben, aber lassen Sie sich überraschen…
GM: Bereits im Rybka-Forum wurde mal danach gefragt, ob eine automatische «Backward Analysis» («Rückwärtsanalyse») im Multi-Varianten-Modus implentiert werden könnte, worauf geantwortet wurde, dass dies eine Frage des Interfaces, nicht der Engine sei. Aber würden Sie es als nützlich unterstützen, so etwas auch optional sogar im «normalen» Spiel-Modus, zumal für Cluster-Versionen, möglich zu machen?
VR: Der Output einer Cluster-Version ist ein schwieriges Thema, das noch einiges Nachdenken erfordert. Grundsätzlich könnte der «Cluster» sicher eine Art von Multi-PV-Analyse liefern, auch in seinem «Play»-Modus. Bisher haben wir aber überhaupt Cluster-Technik nur für Turniere angewandt, so dass dieses «Problem» noch nicht gelöst wurde.
GM: Wird Rybka 4 einen spezifischen «Finde-Gewinn-»Modus haben bzw. wird wieder eine zusätzliche «Winfinder»-Engine mitgeliefert?
VR: Die Entwicklung besonders «interessanter» Derivate (einschließlich «WinFinder»-Versionen) ist auf meiner To-Do-Liste, aber zurzeit noch nicht in Angriff genommen, ebenso wenig wie ein spezieller «Win-Finder»-Modus. Fest steht aber, dass Rybka 4 auch taktisch viel stärker als jetzt Rybka 3 sein wird.
GM: Wird die neue Engine auch die Option enthalten, den sog. «Nullmove» ein- oder ausschalten zu können?
VR: Dieses Feature ist wohl nicht so wichtig, dass es in die Parameter-Liste der Engine integriert werden müsste.
GM: Haben Sie schon News betreffend «Shared Analysis» und «Persistent Hash»?
VR: Noch nicht, bisher sind diesbezüglich nur ein paar Bugfixes zu melden. Das sind aber weitere Themen, die wohl noch eine ganze Menge Arbeit machen werden… ■
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Interview in english:
GM: What is your main work to be done with Rybka right now?
VR: Right now I am in «release mode», there are a ton of little things to do now.
GM: What innovations may we expect from Rybka 4?
VR: The eval and search are revamped, I changed it completely three times last year. There will also be a few new analysis features.
GM: When approximately may we expect Rybka 4?
VR: This is still TBD.
GM: Will it be sold and distributed in the same ways as formerly?
VR: Yes, Convekta and ChessBase will be the publishers.
GM: Has there been any change in the team of developers?
VR: The development work is still done only by me, but we have a great team. Lukas Cimiotti has helped tremendously with the clustering and with tournament preparations, his contribution over the past year has been enormous. Our book team has changed a bit, we have added Jiri Dufek, while Jeroen Noomen remains involved. We will give more details later. I also should mention Felix Kling and his brother Christoph for their work on our web site, Hans van der Zijden as the Rybka operator, my wife Iweta for testing, Larry Kaufman for man-vs-machine matches and parameter tuning, and Nick Carlin for book work and tournament preparations.
GM: Will we have a public Rybka cluster-version sooner or later?
VR: This won’t be a part of the Rybka 4 release, but we do have plans for this in addition to competing in tournaments. It will be something a little different, you’ll have to stay tuned.
GM: Maybe you remember me asking you once at Rybka forum about multi-variant-mode of analysis. My special wish of automatic backward analysis in mv- mode was answered by you then as a matter of GUI, which it is, of course. But would you support it as useful, even sometimes in normal game mode, especially as for cluster version?
VR: Can you say what you mean by “backward analysis”?
GM: I just meant the feature of some GUIs to step back automatically in the game analyzed.
VR: The output of our cluster is a tricky issue which needs some thinking. Outputting a single PV is a poor fit to how the cluster searches. In principle, the cluster could provide a sort of multi-pv analysis even in its more efficient “game-play” mode. So far we have only used the cluster for competitions, so this issue has not been resolved.
GM: Will the “find win” mode be new too in Rybka 4 or will even a new WinFinder come up again?
VR: Making more interesting versions (including some WinFinders) is on my to-do list, but I haven’t touched it since Rybka 3. Ditto for “find win” mode – it could be improved, but so far hasn’t been. Rybka herself is much stronger tactically now than Rybka 3.
GM: Or do you think nullmove to be switched off as an option of the engine would also be a feature worth adding?
VR: This feature probably doesn’t have enough value to add to the parameter list.
GM: Any news to be expected as for shared analysis and persistent hash?
VR: Not yet, so far there are only some bug fixes. This is another topic which will eventually get a lot of work.
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Neue Version des Schachprogramms «Shredder»
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Technische Stabilität und optische Balance
Walter Eigenmann & Peter Martan
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Für Kenner und Insider der internationalen Computerschach-Szene gehört die Software «Shredder» des deutschen Programmierers Stefan Meyer-Kahlen seit langem zum festen Bestandteil des Engine-Parkes. Denn jahrelang dominierte Meyer-Kahlen die Computerschach-Turniere weltweit fast nach Belieben, und zwar in allen Disziplinen. Nun präsentiert der 41-jährige Düsseldorfer Informatiker eine neue Version seines Shredders – mittlerweile bereits als zwölfte Generation.

Seit Jahren im Computerschach ein Vorbild für Stabilität und klassisches Outfit: Das betont aufgeräumte, schlicht konzipierte Shredder-Interface in seiner 12. Version
Shredders «Graphical User Interface» (GUI), also seine «Benutzeroberfläche» – nicht zu verwechseln mit seiner «Engine», dem eigentlich rechnenden «Motor» – gilt seit langem als eine besonders ausgereifte Sache. Denn Stabilität und Ausgewogenheit waren schon immer die speziellen Markenzeichen dieses Schach-Paketes. «Programm-Absturz» ist für die Shredder-Gemeinde (übrigens auch im Linux- und im MacIntosh-Segment) ein Fremdwort, und die funktionale Ausgewogenheit, die «klassische» Aufgeräumtheit seiner Oberfläche war für eingefleischte Shredder-Fans schon immer ein Grund, dieses GUI den anderen, teils verspielt-überladenen User-Schnittstellen vorzuziehen.
Üppig ausgestatteter Werkzeugkasten
Nichtsdestoweniger verbirgt sich unter dem eher schlichten Outfit der üppig ausgestattete Menü-Werkzeugkasten aller modernen Schach-Software. Das Shredder-GUI lässt kaum Wünsche offen, was die Vielfalt der technischen Ansprüche angeht, die heutzutage an ein Schachprogramm gestellt werden müssen: Analyse eigener und/oder fremder Partien, Engine-Engine-Turniere, individuell angepasstes Spiel gegen den Computer, Datenbank-Funktionen, Endspiel-Untersuchungen u.v.a.
Zwei Highlights zeichnen dabei Meyer-Kahlens Programm gegenüber der Konkurrenz ganz besonders aus: Seine enge Zusammenarbeit mit der eigenen Homepage, welche in Form direkter Abfragen eigener Datenbanken als integrativer GUI-Bestandteil fungiert, sowie das Feature «Triple Brain», eine spezielle Analyse-Technik, bei der zwei (möglichst gleichstarke, aber möglichst unterschiedliche) zugeladene «Gehirne» rechnen, während ein drittes «Gehirn» über diese zwei Analyse-Ergebnisse mittels ausgeklügeltem Statistik-Verfahren entscheidet.

Zwei starke, aber unterschiedliche Engines unterbreiten einem Entscheider-Modul ihre Analyse: Das berühmte, aber immer noch zu wenig genutzte Shredder-Feature «Triple Brain»
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Qualitätsvolles Eröffnungsbuch
Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist Shredders Eröffnungsbuch, das erneut der aktuellen Großmeister-Praxis angepasst wurde und schon länger von Sandro Necchi editiert wird. Immer mehr kommen dabei auch weniger gespielte Openings zu ihrem Recht. Zwei Beispiele: 1. e4 b6 2. d4 e6 3. c4 Lb7 4. Sc3 Lb4 5. f3 f5 6. exf5 Sh6 7. fxe6 Sf5 8. Ld3 – welches Programm (außer vielleicht «Fritz») weiß hier noch weiter? Eines der aktuell besten Bücher überhaupt in der Szene, das «R3.ctg» von J. Noomen, jedenfalls nicht. Oder auch nach: 1. b3 d5 2. Lb2 c5 3. e3 Sf6 4. Sf3 e6 5. Se5 Le7 6. f4 O-O 7. Ld3 – hier halten ebenfalls höchstens die Books von «Fritz» und «Rybka» mit. Und sollte auch bei Shredder das auf Festplatte installierte Buch nicht mehr weiter wissen, kommt bei Meyer-Kahlens Programm sofort der schon positiv erwähnte Zugriff auf die noch größere Online-Eröffnungsdatenbank zum Zuge.
Endspiel-Performance dank Datenbanken
Selbstverständlich glänzt auch der neueste Shredder nach wie vor in der quasi entgegengesetzten Ecke der Schachpartie, dem Endspiel. Hier hebt sich das Programm schon seit Jahren mit seinen von Meyer-Kahlen hauseigen adaptierten «Shredderbases» hervor, einer 6-Steiner-Datenbank, welche ebenfalls GUI-integrativ den sofortigen Online-Zugriff erlaubt. (Demnächst soll es auch alle 6-Steiner als Shredderbases im Shredder-eigenen, platzsparenden Format geben, wobei nicht die Wege zum Matt aus der jeweiligen Stellung, sondern nur Gewinn, Verlust oder Remis gespeichert werden, womit der Abruf um ein vielfaches schneller als bei herkömmlichen Verfahren sein wird). Die Shredderbases für die 3-, 4- und 5-Steiner sind bei Shredder 12 bereits im Kaufpreis inbegriffen und stehen auf der Homepage zum Download bereit.
Lese-Hilfe via Mauszeiger
Was fällt sonst noch auf am Outfit des aktuellsten Shredders? Am augenfälligsten ist sicher ein brandneues Feature: Erstmals zeigt das Interface auf jeder Zug-Notation am Bildschirm ein kleines Stellungs-Fenster, ausgelöst durch bloßes Mit-der-Maus-darauf-zeigen. Man kann also erstmals auch als in der Schachschrift ungeübter Anfänger dem Großmeister Shredder beim «Denken» zusehen, nicht nur abstrakt mitlesen. Das funktioniert sogar im «Partie-Profil», Shredders graphischer Darstellung des Partie-Verlaufes. Hier mit der Maus entlangfahren lässt das ganze Game im Tipp-Tools-Fenster gleich Revue passieren. Ein innovatives Shredder-Feature, das mit einiger Sicherheit früher oder später bei den Konkurrenz-GUIs ebenfalls erscheinen wird…
Deutliche Steigerung der Spielstärke
Und was hat denn Shredder 12 nun in Sachen Spielstärke zu bieten? Bis jetzt verzeichnete diesbezüglich noch jede neue Shredder-Version eine (teils massive) Steigerung – grundlos ist das Programm nicht vielfacher Computerschach-Weltmeister. Und die jüngste Ausgabe macht da keine Ausnahme, auch wenn heutzutage, bei dem extrem hohen Stärke-Niveau der modernen Schachprogrammierung die einzelnen Performance-Sprünge nicht mehr wie früher im 150-Elo-Bereich realisiert werden können.
Für ein definitives Urteil über Shredder 12 hinsichtlich seiner «Kampfkraft» ist es momentan, ein paar Tage nach Erscheinen, noch zu früh. (Die weltweite User-Gemeinde arbeitet daran wie gewohnt auf Hochdruck – siehe hierzu die einschlägigen Testergebnisse). Der erste Trend im Engine-Engine-Turnierbetrieb ist aber mehr als vielversprechend: Die neue Version dürfte sich unter die Top-Drei der aktuellen Programm-Rankings spielen.
Vorgänger hinter sich gelassen
Wir haben außerdem die neue UCI-Engine auf ein paar besonders anspruchsvolle Schachstellungen angesetzt, welche weder von Shredders Vorgänger noch von den meisten anderen Engines kapiert werden:
Beispiel 1 (Zugzwang)
Während sehr viele Programme wie der sprichwörtliche Esel am Berg gerade vor dem berühmt-berüchtigten Problem «Zugzwang» stehen, leitet hier der neue Shredder in nullkommanix Sekunden das 14-zügige Matt ein:
1. Kf7!! Kd3 2. Lf5+ Kc3 3. Lc8 Kd3 4. Lxa6+ Kc3 5. Lc8 Kd3 6. Lf5+ Kc3 7. Ld7 Kd3 8. Lb5+ Kc3 9. Lxa4 Kd3 10. Lb5+ Kc3 11. Ke6 a4 12. Kd5 axb3 13. Lc4 bxc2 14. Se2 matt (Studie: Knudsen 1924)
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Beispiel 2 (Patt)
Der elfte Shredder sah hier noch keinerlei Land, sein jüngerer Bruder hingegen beweist (auf schnellen Rechnern) schon nach rund einer halben Minute seinen Durchblick (auch dank seiner «Bases») in diesem für Schachprogramme sehr anspruchsvollen Turmendspiel:
1… Tf3+!! 2. Txf3 Tb5+ 3. Ke4 Te5+ 4. Kd4 Te4+ 5. Kd3 Te3+ remis (Studie: N.N.)
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Beispiel 3 (Initiative)
Auch in Sachen Initiative dürfte Meyer-Kahlens aktuellstes Opus zugelegt haben. Botterills effizientes Turmmanöver (in einer FS-Partie gegen Prizant) stellt jedenfalls für Shredder kein Problem dar:
17. Ta2!! De7 18. Td2 Lb8 19. Dc2 Dc7 20. Lb2 Se7 21. Lc4 mit Angriff (Botterill-Prizant, CorrGame 1993)
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Beispiel 4 (Endspiel)
Im Endspiel war und ist Shredder bekanntlich durchaus auch ohne Datenbanken sehr kompetent, und in dieser Turm&Läufer-Stellung hat der «Zwölfer» bald den Dreh raus:
50. Txd7+!! Kxd7 51. Lxb7 Txf2+ 52. Ke3 Ta2 53. Lxa6 Kc7 54. Lc4 (Binham-Rüfenacht, CorrGame 1991)
In manchen computerschachlichen Problemzonen ist Shredder 12 also deutlich besser geworden, in spezifischen Stellungen sogar stärker als fast die gesamte Konkurrenz. Und wer noch Shredders seit jeher beeindruckende Fähigkeit des «Memorierens», will heißen seine ausgeprägte Lernfähigkeit mittels ausgeklügeltem Hash-Management (Stichwort «Retroanalyse»), aber auch sein (leider noch zu wenig bekanntes) exklusives Feature «Endspiel-Orakel» (schon seit Version 5 dabei) auf die Plus-Waage legt, der kriegt auch mit dem neuesten Meyer-Kahlen-Produkt ein bewährt effizientes Analyse-Werkzeug in die Hände.
Fazit: Empfehlenswert
Kurzum, Shredder 12 ist vielleicht (zumal in seiner Graphik) nicht der ultimativ-unwiderstehliche Überflieger der gesamten Computerschach-Szene, und auch die Anzahl seiner Novitäten mag auf den ersten Blick nicht gar so beeindrucken. Aber das brandneue Opus aus der Meyer-Kahlen-Werkstatt wird mit seiner technischen Stabilität, seinen durchdachten «Accessoires», seiner neuerlich gesteigerten Spielstärke und seiner umfangreichen Online-Integration definitiv die Herzen der «Könner und Kenner» höher schlagen lassen; der neue Shredder ist nicht nur für Sammler, sondern auch für Experten eine klare Kaufüberlegung wert. Nicht zufällig zählt das Produkt des Düsseldorfers zu den beliebtesten Schachprogrammen der ganzen Szene.
Nachfolgend eine schöne Angriffspartie des «Zwölfers» gegen die aktuelle Nummer Eins des Engine-Zirkus’ Rybka (5-moves-Book/DualCore-PC/PGN-Format):
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[Event “15Min/Engine”]
[Site “DualCore”]
[Date “2009.10.12”]
[Round “?”]
[White “Deep Shredder 12”]
[Black “Rybka 3”]
[Result “1-0”]
[ECO “D18”]
[PlyCount “77”]
1. c4 Nf6 2. d4 c6 3. Nc3 d5 4. Nf3 dxc4 5. a4 Bf5 6. e3 e6 7. Bxc4 Nbd7 8. O-O Bb4 9. Nh4 Bg4 10. f3 Bh5 11. g4 Nd5 12. Ng2 Bg6 13. Qb3 Qb6 14. Ne2 Qa5 15. h4 h5 16. e4 Ne7 17. g5 O-O-O 18. Bf4 Bh7 19. Rfd1 Ng6 20. Bg3 Nb6 21. Ne3 Nd7 22. Bd3 Bf8 23. Nc4 Qb4 24. Qc2 e5 25. a5 Nb8 26. dxe5 Na6 27. Kg2 Nc5 28. Nd6+ Bxd6 29. exd6 Nxd3 30. Qxd3 Rd7 31. a6 f6 32. Ra3 Bg8 33. axb7+ Qxb7 34. Rda1 Qb8 35. Qc3 Ne5 36. Bxe5 fxe5 37. Ra6 Bf7 38. Qxc6+ Kd8 39. Qc5 1-0 ■
Stefan Meyer-Kahlen, Shredder 12, Schachprogramm, Download/Lizenz: www.shredderchess.de
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Die neue Schach-Studie (Urdruck)
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Dame im goldenen Käfig
Dr. Peter Martan
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Am Anfang stand eine höchst verzwickte Schach-Aufgabe, erschienen in der Zeitschrift «Matplus», dann zitiert und analysiert in diversen einschlägigen Internet-Foren. Autor des interessanten Figuren-Werkes: der rumänische Software-Ingenieur Mihai Neghina.
Zwar war die Motivik seiner Studie einleuchtend: Damenblockade mit zwei Springern & Bauern sowie anschließendem Gewinn mittels Zugzwang. Doch je länger sich der Schreibende gemeinsam mit einer Schar weiterer Analysierenden und unter kräftigster Mithilfe von moderner Schach-Software in das wuchernde Variantengestrüpp vertiefte, umso deutlicher wurde, dass die ursprüngliche Fassung fehlerhaft war; sie enthielt eine ungewollte, wenngleich tiefverborgene Remis-Verteidigung. (Eine solche Studie wird in der Problem-Schach-Szene als «kaputt» bezeichnet.)
Die untenstehend publizierte Version ist eine minim geänderte, aber nun korrekte Fassung und darf darum füglich als eigentlicher Urdruck dieser Studie von Mihai Neghina angesehen werden.
Bemerkenswert ist, dass auch den zurzeit stärksten Computerprogrammen der «Durchblick» in dieser Stellung hoffnungslos versagt bleibt. Denn maßgeblicher Bestandteil der Stellung ist der «Zugzwang», an dem die ansonsten omnipotenten Schach-Engines noch immer schwächeln aufgrund ihrer sog. Forward-Pruning-Programmiertechniken mittels Nullmove, auf die sie einerseits angewiesen sind, um die (ihre enorme Spielstärke wesentlich ausmachenden) großen Zugtiefen zu erreichen, die andererseits aber in Ausnahmestellungen wie dieser immer wieder ihre entspr. Schwäche erbarmungslos aufdecken.
Es dürften also noch zwei oder drei Programm-Generationen ins Computer-Land ziehen, bevor solche Studien wie diese «Dame im goldenen Käfig» von Schachprogrammen zweifelsfrei reproduziert werden können. ■
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Weiß zieht und gewinnt
.© Mihai Neghina, Studie 2009, Urdruck Glarean Magazin
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1. Sd4!! Dg7+ 2. Kh3 Dxh6 3. Sf4 Kc8 [ 3…Kd7 4.Sde6 Dxe6+ 5.Sxe6 Kxe6 6.Kg4 Kxe5 7.Kg5+-]
4. Sde6 Kb7 5. h5 c5 [ 5…c6 6.Kg4 Kc8 7.Kf3 Kb7 8.Ke4 Kc8 9.b4 Kb8 10.Kd4 Kb7 11.a5;
5…Kc6 6.Kg4 b5 7.a5 b4 8.c4 Kb7 9.Kf3 c5 10.Ke4 Kc6 11.b3 Kd7 12.Kd5+-;
5…a5 6.Kg4 Kc6 7.c4 Kb7 8.Kf3 c6 9.Ke4 b5 10.cxb5 cxb5 11.b3 b4 12.Kd5 Kb6
13.Kd6 Kb7 14.Kc5 Ka6 15.Kc6 Ka7 16.Kb5+-] 6. Kg4 c4 [ 6…Kc6 7.Kf3 b5
8.a5 c4 ( 8…b4 9.c4+-) 9.Ke4 b4 10.Kd4 Kb5 11.Kd5 bxc3 12.bxc3 Kxa5
13.Kxc4 Kb6 ( 13…Ka4 14.Kd5+-) 14.Kb4 a5+ 15.Ka4 Ka6 16.c4 Kb6
17.c5+ Ka6 18.c6 Kb6 19.c7 Kb7 20.Kxa5+-] 7. Kf3 Kc6 8. Ke4 b5
9. axb5+ axb5 [ 9…Kxb5 10.Kd4 a5 11.Kd5 a4 12.Kd4 Kc6 13.Kxc4+-]
10.Kd4 Kb6 11.Kd5 Ka5 12.Kc5 Ka4 13.Kc6 Ka5 14.Kb7 b4 15.Kc6 bxc3
16.bxc3 Ka4 17.Kc5 Kb3 18.Kd4 Ka4 19.Kxc4 1-0
.(Analysen: Mihai Neghina & Peter Martan)
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PGN-File (Copy&Paste):
[Event “Studie (Glarean Magazin)”]
[Site “?”]
[Date “2009.10.01”]
[Round “?”]
[White “Weiss zieht und gewinnt”]
[Black “Copyright N.Mihai&P.Martan”]
[Result “1-0”]
[SetUp “1”]
[FEN “3k4/2pq3p/pp5R/4P3/P6P/2PN4/1PN3K1/8 w – -“]
1. Nd4 Qg7+ 2. Kh3 Qxh6 3. Nf4 Kc8 (3… Kd7 4. Nde6 Kc6
(4… Qxe6+ 5. Nxe6 Kxe6 6. Kg4 Kxe5 7. Kg5) (4… b5 5. a5
Kc6 6. h5 b4 7. c4 Kb7 8. Kg4 Kb8 9. Kf5 Kb7 10. Ke4 Kc6
11. b3 Kd7 12. Kd5) (4… c5 5. Kg3 Kc6 6. h5 a5 7. c4 Kd7
8. Kf3 Kc6 9. Ke4 Kb7 10. Kd5 Ka7 11. Kc6 Ka6 12. Kd6 Kb7
13. Kd7 Ka7 14. Kc7 Ka6 15. Kb8) (4… a5 5. h5 c6 6. Kg3
Kc8 7. Kf3 Kd7 8. Ke4 Kc8 9. c4 Kb8 10. Kd4 Ka7 11. c5 Ka6
12. Kc4 Ka7 13. cxb6+ Kxb6 14. Kd4 c5+ 15. Kd5 c4 16. Kxc4
Kc6 17. b4 axb4 18. Kxb4) 5. h5 b5 6. a5 Kd7 7. Kg3 c6
8. Kf3 Kc8 9. Ke4) 4. Nde6 Kb7 5. h5 c5 (5… c6 6. Kg3 Kc8
7. Kf3 Kb8 8. Ke4 a5 (8… Kb7 9. c4 Kb8 10. b4 Kc8 11. Kd4
Kb8 12. b5 Kb7 13. Ke4 a5 14. Kd4 cxb5 15. cxb5 Kc8 16. Ke4
Kb8 17. Kd5 Kb7 18. Kd6) 9. c4 Kc8 (9… Ka7 10. c5 bxc5
11. Kd3 Kb8 12. Kc4 Kc8 13. Kxc5) 10. Kd4 Kb7 11. c5 Ka7
12. Kc4 Ka6 13. cxb6 Kxb6 14. Kd4 c5+ 15. Kd5) (5… Kc6
6. Kg3 b5 7. a5 b4 8. c4 b3 9. Kf3 Kb7 10. Ke4 Kc8 11. Kd4)
(5… a5 6. Kg4 Kc6 7. c4 Kb7 8. Kf5 c6 9. Ke4 b5 10. axb5
cxb5 11. c5 Kc6 12. Kd4 a4 13. Kc3) 6. Kg4 c4 (6… Kc6
7. Kf3 b5 (7… a5 8. c4) (7… Kd7 8. Ke3 Kc6 9. Ke4)
8. a5 c4 9. Ke4 b4 10. Kd4 Kb5 11. Kd5 bxc3 12. bxc3 Kxa5
13. Kxc4) (6… Kc6 7. Kf3) 7. Kf5 Kc6 8. Ke4 b5 9. axb5+
axb5 (9… Kxb5 10. Kd4 a5 11. Kd5 a4 12. Kd4 Kc6 13. Kxc4)
10. Kd4 Kb6 11. Kd5 Ka5 12. Kc5 Ka6 13. Kc6 Ka5 14. Kb7 b4
15. Kc6 bxc3 16. bxc3 Ka4 17. Kc5 Kb3 18. Kd4 Kc2 19. Kxc4
1-0
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Computerschach: Die Endspiel-Tabellen in der Praxis
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Nutzen und Schaden der Endgame-Tablebases
Walter Eigenmann
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Seit der amerikanische Informatiker Ken Thompson vor über 20 Jahren erstmals seine Datenbanken mit kompletten Lösungen von Schach-Wenigsteine-Positionen generierte, reißt die Diskussion unter den Computerschach-Experten nicht ab darüber, ob bzw. in welchem Ausmaße solche Endgame-Tablebases die Performance eines Schachprogrammes positiv beeinflussen. Inzwischen haben Thompsons russischer Berufskollege Jewgeni Nalimov und andere (z.B. Meyer-Kahlen: Shredderbases/SB; Pfister&Shawul: Bitbases/EGBB) die Indizierung der 3-6-Steiner-Endspiele soweit vorangetrieben, dass sie den Programmen bzw. Interfaces praktisch vollständig und (heutzutage) fast in Echtzeit zur Verfügung stehen. Am häufigsten in der Computerschach-Praxis eingesetzt wird dabei die Nalimov-Datenbank (EGTB), welche sämtlichen 3-5-Steiner umfasst, und die mittlerweile von den meisten führenden Schach-Engines unterstützt wird.
Nun werden bei der Anbindung dieser Datenbanken in die Engine-Struktur von Programmierer zu Programmierer unterschiedliche und darum auch unterschiedlich effiziente Wege beschritten. Wo manches Programm schon früh im Endspiel exzessiv auf diese Bases zugreift, rechnen andere Engines noch lange selbstständig, und während gewisse Engines sehr viel Endspiel-Knowhow einfach an die «Nalimovs» zu delegieren scheinen, erreichen andere Programme ohne jegliche EGTB-Hilfe ebenso gute oder gar bessere Endspiel-Resultate. Welche Schachprogramme profitieren also wie sehr von diesen «sagenumwobenen» Endspiel-Datenbanken? Oder wird deren Einfluss grundsätzlich überschätzt? Mehr noch: Können Engines sogar «ausgebremst» werden durch EGTB?
Um ein wenig (praktisch vielleicht nutzbares) Licht in dieses (theoretisch ziemlich umkämpfte) Performance-Dunkel zu bringen, hat der Autor eine Testreihe mit über zwei Dutzend Schachprogrammen durchgeführt. Letztere hatten einmal mit, einmal ohne Bases (alle 3-5-Steiner) die 100-teilige, in der Computerschach-Szene recht verbreitete Aufgaben-Sammlung E-E-T zu durchlaufen. Die Auswahl der Programme wurde dabei mehr oder weniger zufällig vorgenommen, wiewohl alle verwendeten Engines heute auch in den einschlägigen CS-Turnieren eingesetzt werden: Single- und Dual-Core-, alte und neue, Freeware- und kommerzielle Engines (was halt gerade sich so auf der Festplatte des Autors tummelte…) Die Programme hatten (auf einem gewöhnlichen Intel-Dual-Core6400-Rechner unter dem Fritz10-Interface mit 128MB Hash & 64MB TB-Hash auf Harddisk) für jede Aufgabe jeweils exakt 60 Sekunden Zeit.
Der E-E-T entstand 1997 und wurde bewusst als Sammlung konzipiert, die nicht Tablebases-sensitiv sein sollte: Die 100-teilige Suite enthält kaum 7- und keine 6- oder gar 5-Steine-Positionen; der E-E-T fragt also nicht in erster Linie die Güte der technischen EGTB-Anbindung ab, sondern die beiden Computerschach-relevanten Parameter «Endspielwissen» und «Rechentiefe». Über das schachtheoretische Design des E-E-T ist unter obigem Link das Nähere zu erfahren; bezüglich des reinen Tablebase-Aspektes enthält der E-E-T Beispiele aller vier wichtigen Abteilungen:
A) Endspiel-strategische Aufgaben, die für Schachprogramme, ob mit oder ohne EGTB,
schwierig zu lösen sind – beispielsweise:
Königswanderung (E-E-T 065): 1.Kc2! a2 2.Kb2 Ta3 3.Ka1 Ta4 4.a7 Ta6
5.f5 exf5 6.e6 f4 7.Th8 f3 8.a8D Txa8 9.Txa8 f2 10.Ta7+ +-
B) Endspiel-taktische Aufgaben, die für Schachprogramme, ob mit oder ohne EGTB,
(fast) immer lösbar sind – beispielsweise:
Zu vermeidender taktischer Reinfall (E-E-T 020): 57…g3? 58.hxg3 fxg3 59.Ld6 g2
60.Lh2 Kf6 61.a5 Kf5 62.Kxb7 +-
C) Aufgaben, die von Schachprogrammen mit EGTB
meist schneller lösbar sind – beispielsweise:
Forcierte Abwicklung in die 5-Steiner (E-E-T 078): 1.Tf6+! Ke7 2.Ta6 bxa2
3.Txa3 Sb3+ 4.Kb2 a1D+ 5.Txa1 Sxa1 6.Le4 =
D) Aufgaben, deren Berechnung die Schachprogramme meist verlangsamt,
wenn EGTB im Einsatz sind – beispielsweise:
Weitzügiges Tempo-Spiel (E-E-T 007): 1.Kd3! Kg3 2.Ke3 Kh4 3.Kd4 Kg4
4.Ke4 Ld8 5.Ke5 g6 6.d6 La5 7.f5 Kxg5 8.f6 +-
Zu den Test-Resultaten selbst:
1. Sie bestätigen insgesamt, dass der Einfluss der Endspiel-Datenbanken offensichtlich überschätzt wird. Denn bei den meisten Programmen sind durchaus leicht, aber statistisch vernachlässigbar positive Resultate durch den EGTB-Einsatz nachweisbar.
2. Es sind allerdings deutliche Ausnahmen zu verzeichnen.
Ein überdurchschnittlich besseres Ergebnis mit EGTB erzielen die Programme Hiarcs, Fritz, Colossus, SmarThink und ChessTiger.
3. Ein schlechteres Ergebnis mit EGTB resultierte bei den (Uralt-)Engines Gandalf, Nimzo und AnMon sowie massiv bei WildCat, (während das «Schlusslicht» Homer grundsätzlich mit der Partiephase Endspiel nicht viel am Hut hat…) – –
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Engine Gelöste Differenz Aufgaben
Rybka3(2CPU)__Mit EGTB 75 Rybka3(2CPU)__Ohne EGTB 74 1
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Zappa MexicoII(2CPU)__Ohne EGTB 71 Zappa MexicoII(2CPU)__Mit EGTB 71 0
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Colossus2008b__Mit EGTB 69 Colossus2008b__Ohne EGTB 63 6
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Hiarcs11.2__Mit EGTB 68 Hiarcs11.2__Ohne EGTB 59 9
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Movei00.8.438__Mit EGTB 66 Movei00.8.438__Ohne EGTB 62 4
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Fritz11__Mit EGTB 64 Fritz11__Ohne EGTB 58 6
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Naum3.1(2CPU)__Mit EGTB 66 Naum3.1(2CPU)__Ohne EGTB 62 4
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SmarThink1.00__Mit EGTB 61 SmarThink1.00__Ohne EGTB 55 6
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ChessTiger2007.1__Mit EGTB 60 ChessTiger2007.1__Ohne EGTB 52 8
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DeepShredder11(2CPU)__Mit EGTB 58 DeepShredder11(2CPU)__Ohne EGTB 57 1
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Fruit05/11/03__Mit EGTB 57 Fruit05/11/03__Ohne EGTB 55 2
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WildCat8__Ohne EGTB 56 WildCat8__Mit EGTB 48 8
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Yace0.99.87__Mit EGTB 56 Yace0.99.87__Ohne EGTB 53 3
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Pharaon3.5.1(2CPU)__Mit EGTB 55 Pharaon3.5.1(2CPU)__Ohne EGTB 53 2
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The Baron1.8.1__Mit EGTB 53 The Baron1.8.1__Ohne EGTB 50 3
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Gandalf6.0__Ohne EGTB 51 Gandalf6.0__Mit EGTB 47 4
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Crafty23.00(2CPU)__Mit EGTB 48 Crafty23.00(2CPU)__Ohne EGTB 47 1
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Junior10.1__Mit EGTB 47 Junior10.1__Ohne EGTB 43 4
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Anaconda2.0.1__Mit EGTB 46 Anaconda2.0.1__Ohne EGTB 43 3
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Nimzo8__Ohne EGTB 45 Nimzo8__Mit EGTB 42 3
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Quark2.35__Mit EGTB 39 Quark2.35__Ohne EGTB 37 2
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SOS5__Mit EGTB 36 SOS5__Ohne EGTB 35 1
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AnMon5.60__Ohne EGTB 29 AnMon5.60__Mit EGTB 28 1
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Delphil1.9__Mit EGTB 26 Delphil1.9__Ohne EGTB 23 3
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Homer2.0__Ohne EGTB 24 Homer2.0__Mit EGTB 22 2
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(Gegegebenfalls wird die Liste nächstens mit zusätzlichen Programmen erweitert. Im übrigen ließe sich natürlich der Test auch auf andere Formate wie z.B. die Bitbases ausdehnen, das experimentelle Feld ist hier ein großes. Weiters wäre zu testen, welche Ergebnisunterschiede zwischen der langsameren Festplatten- und der schnelleren USB-Stick-Verwendung beim Einsatz der Bases bestehen.)
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Download einer Excel-Tabelle mit allen Einzel-Resultaten: Die Nalimov-EGTB im Endspiel-Test
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Interview mit dem Schach-Programmierer Stefan Meyer-Kahlen
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Computerschach: «Wir stehen erst am Anfang des Weges»
Dr. Peter Martan
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Viermaliger Weltmeister bei den Mikro-Schachcomputern, zwei Mal Sieger einer Computerschach-Weltmeisterschaft, fünf Mal Gewinner der Computer-Blitzschach-WM, und Erster bei der Chess960-WM in Mainz – dies der eindrückliche Palmarès des deutschen Schachprogrammes Shredder seit dem Jahre 1996. Vater dieser erfolgreichen Schach-Engine, welche im Kreise der Computerschach-Experten einen seit langem hervorragenden Ruf genießt, ist der Düsseldorfer Software-Entwickler Stefan Meyer-Kahlen.

Stefan Meyer-Kahlen wurde 1968 in Düsseldorf geboren, studierte Informatik in Passau und ist seit 1996 hauptberuflich Programmierer. Er ist verheiratet und hat drei Töchter.
In einigen Wochen will der bekannte Profi-Programmierer, der seit 1993 an Shredder arbeitet, die zwölfte Version seines Programmes veröffentlichen. Aus diesem Anlass stellte ihm der Wiener Computerschach-Kenner Dr. Peter Martan im Auftrag des «Glarean Magazins» einige Fragen zum Stand der aktuellen Shredder-Dinge, aber auch zur Zukunft überhaupt der Schachprogrammierung.
Glarean Magazin: An der kürzlich beendeten Computer-Schach-Weltmeisterschaft in Pamplona hat Ihr Shredder-12-Prototyp den Titel zwar in allen drei Bewerben knapp verfehlt, aber nur die seit längerem absolute Nummer Eins im Computerschach, die Engine Rybka, war noch erfolgreicher. Wann darf man Shredder 12 erwarten, und wird er auch in den einschlägigen Ranglisten wieder härtester Konkurrent von Rybka werden?
Stefan Meyer-Kahlen: Shredder-12 erscheint Ende Juli. Die neue Engine ist deutlich verbessert und wird in den diversen Ranglisten sicher einen großen Sprung nach vorne machen. Meines Erachtens aber mindestens genauso wichtig am neuen Shredder 12 sind die Elostufen, bei denen man die Spielstärke in Elo einstellen kann, mit der Shredder spielen soll. Das hat im alten Shredder schon ganz gut geklappt, aber ich habe hier sehr viel Arbeit investiert und denke, dass es nun noch viel besser funktioniert. Shredder macht nun auch die typischen Fehler, die ein menschlicher Spieler mit der eingestellten Spielstärke macht. Shredder berechnet nun auch die Spielstärke des Benutzers besser und passt sich auf Wunsch automatisch an diese Spielstärke an. Das ist für den normalen Nutzer sicher sehr viel wichtiger als die letzten paar Elos.
Pamplona lief für Shredder wirklich nicht so schlecht, aber ich würde natürlich gerne auch mal wieder eine WM gewinnen. Ich gebe nicht auf und werde es beim nächsten Mal wieder probieren. Mit den Partien von Shredder in Pamplona bin ich aber sehr zufrieden.
GM: In den Anfangszeiten des Computerschachs war es unmöglich, Schach-Engines unterschiedlichster Plattformen automatisiert gegeneinander spielen zu lassen – bis Sie damals das sog. UCI-Protokoll vorstellten, welches inzwischen von fast jedem namhaften Schachprogramm unterstützt wird und damit zum Standard avancierte. Wie sehen Sie in der Erinnerung und in der Zukunft die UCI-Geschichte?

Wird der neue Shredder dem amtierenden Weltmeister Rybka (links: Programmierer Vas Rajlich) die Stirn bieten können?- Hier eine Partie von der WM 2009 (Weiß: Rybka – Schwarz: Shredder-X): 1. d4 d5 2. c4 e6 3. Nf3 Nf6 4. Nc3 Bb4 5. Bg5 Nbd7 6. cxd5 exd5 7. e3 c5 8. Bd3 Qa5 9. Qc2 c4 10. Bf5 O-O 11. O-O Re8 12. Nd2 g6 13. Bh3 Bxc3 14. Qxc3 Qxc3 15. bxc3 Kg7 16. Rfb1 b6 17. g3 h6 18. Bf4 g5 19. Bd6 Nf8 20. Bg2 Ng6 21. a4 Bd7 22. Bb4 Bf5 23. Rb2 h5 24. a5 b5 25. a6 h4 26. Nb1 Bd7 27. Ra5 h3 28. Bf3 Ne7 29. Bd6 Rac8 30. Kf1 Kg6 31. Na3 Nc6 32. Raxb5 Re6 33. Bc5 Nd8 34. Rb8 Rxa6 35. Rxc8 Bxc8 36. Rb8 Bg4 37. Bxg4 Nc6 38. Rh8 Nxg4 39. Rxh3 Nd8 40. Be7 Ne6 41. Rh8 Nf6 42. Rb8 Ne4 43. f3 Nxc3 44. Ke1 f5 45. Kd2 Na4 46. Nc2 Rb6 47. Rxb6 Nxb6 48. Bc5 Kf6 49. Bxb6 axb6 50. Kc3 Ke7 51. e4 fxe4 52. fxe4 dxe4 53. d5 Ng7 54. Kxc4 Nf5 55. g4 Nh4 56. Kd4 Nf3+ 57. Kxe4 Nxh2 unentschieden
MK: Die erste Version für Chessbase war 5.32, ein Mittelding zwischen 5 und 6, welche Version die erste mit UCI war, weiß ich gar nicht mehr so genau, ich denke 4 oder 5. Ohne Rudolf Huber, mit dem ich UCI ja zusammen «erfunden» habe, und mich hier zu sehr selbst zu loben, denke ich schon, dass UCI eine sinnvolle Sache war, die das Computerschach weiter gebracht hat. Wir hatten damals allerdings keine Visionen oder langfristige Pläne für UCI, wir waren nur mit dem existierenden Standard Winboard sehr unzufrieden und waren der Meinung, dass es Zeit für etwas Neues, viel Besseres sei. Da ich in Shredder ja die GUI und die Engine selber programmiere, hab ich es dann direkt in beides eingebaut und so eine Art Referenz-Implementierung geschaffen.
Dass sich UCI durchgesetzt hat und so erfolgreich ist, freut mich natürlich schon. Die Entwicklung von UCI ist noch nicht am Ende. Wir haben es ja damals extra so angelegt, dass man es ohne Probleme erweitern kann und dabei immer noch kompatibel zu älteren Engines oder GUIs ist.
GM: Prof. Ingo Althöfers Idee vom «Dreihirn» hat Shredder als eines der interessantesten Features seiner GUI aufgegriffen. Ist eine Art Triple Brain ein Ansatz, die alte Frage nach Strategie und Taktik zu beantworten? Eine Engine, die hochselektiv in die Tiefe und eine zweite, die an der Basis des Suchbaumes sozusagen mehr in die Breite rechnet, von einer «Master Engine» oder wahlweise auch dem Bediener kontrolliert in der Entscheidung, was in der entsprechenden Stellung wesentlicher für die Bewertung ist?
MK: In der Schachprogrammierung gibt es wie in fast allen Bereichen Trends. Zurzeit ist der Trend, dass man sehr selektiv rechnet und aggressiv pruned. Das wird auch in der parallelen Version so gemacht. Sicher gibt es aber einige, die diesem Trend mehr und andere, die diesem Trend weniger folgen.
Cluster kommen so langsam in Mode und es ist richtig, dass man da andere Sachen machen kann, als in der normalen Version. Ob man dort aber weniger selektiv rechnen soll oder nicht ist unklar. Eine Möglichkeit, auf einem Cluster zu rechnen, ist sicher eine Art 3-Hirn oder aber ein Mehrhirn. Man kann auch mehrere Programme oder ein Programm mit unterschiedlichen Einstellungen an verschiedenen Stellungen rechnen lassen. Wenn man viele Prozessoren hat ist es schwer, ein klassisches Schachprogramm darauf effektiv laufen zu lassen. Irgendwann kommt der Punkt, an dem sich mehrere Prozessoren nicht mehr lohnen, dann muss man nach anderen Wegen suchen, die vorhandene Rechenpower zu nutzen. Hier ist sicher viel möglich und wir stehen erst am Anfang des Weges.

Aufgrund seiner teils exklusiven Features sowie seiner Stabilität sehr geschätzt: Das Interface von Shredder 11
GM: Eine weitere Neuerung kam ab Shredder 10 mit den «Shredder-Bases». Darin werden zu den gespeicherten Endspielstellungen nicht wie in den «Nalimov- Datenbanken» Zugzahlen zum Gewinn oder Remis gespeichert, sondern nur Bewertungen. Das macht den Zugriff während der Partie schneller und bei kurzen Bedenkzeiten besser nutzbar. Wird es die kompletten 6- Steiner, die es von Nalimov gibt, als Shredderbases geben und was kann man sich davon für den Partie-Erfolg erwarten?
MK: Ja, es wird die kompletten 6-Steiner als Shredderbases geben. Wir haben eine Beta-Version sogar schon fertig, die für alle 6-Steiner ca. 40 GB braucht. Leider gab es noch kleinere Probleme, und anderer Projekte hatten Priorität, so dass wir die 6-Steiner etwas zurückgestellt haben, sie werden aber bald definitiv kommen.
Was das alles an Spielstärke bringt, ist eine gute Frage. Ehrlich gesagt hatte ich schon erwartet, dass die 5-Steiner als Shredderbases mehr bringen. Man hat dort schließlich sehr schnellen Zugriff auf den perfekten Wert für alle Stellungen mit 5 oder weniger Figuren.
Meine Einstellung zurzeit ist, dass die Endspiel-Datenbanken für das praktische Spiel sicher nicht schaden, und irgendwann wird es sicher was bringen. Wenn die 6-Steiner nicht helfen, dann vielleicht die 7-Steiner. Wenn die nicht, dann die 8-Steiner… Spätestens bei 32 ist Schluss, und die bringen garantiert was…
GM: Wie weit wird die Computertechnik und die Wissenschaft in nächster Zeit fortschreiten bezüglich der Berechenbarkeit des Schachspiels?

Im Mai 1997 schlug die Super-Machine Deep Blue den amtierenden Weltmeister, das russische Schach-Genie Garry Kasparow, in einem Match mit 3,5:2,5. Seitdem ist der Computer in ständigem Vormarsch, und inzwischen haben (auch gegen simple PC-Software) nur noch wenige Spitzen-Großmeister eine Chance.
MK: Das Schachspiel wird in absehbarer Zeit sicher nicht gelöst werden, dafür ist es einfach zu komplex. Es wurde schon oft vorhergesagt, dass die Engines irgend wann nicht mehr weiter kommen, oder dass dem Schachspiel der Remistod droht. Wenn man sich die letzten zwei, drei Jahre anschaut, dann geht es so schnell voran wie schon lange nicht mehr. Dabei wurden die Programme nicht nur besser, weil die Rechner viel schneller und massiver parallel wurden, sondern auch die Algorithmen wurden ganz eindeutig verbessert. Wenn man sich die auch noch vorhandenen klaren Schwächen der Programme ansieht, dann wird auch klar, dass es noch sehr viel Raum für weitere Verbesserungen gibt.
Ich bin also sehr zuversichtlich, dass es mit dem Computerschach noch eine ganze Weile voran geht.
GM: Wohin geht die «Artificial Intelligence» Ihrer Meinung nach überhaupt, was sind die Speerspitzen heute, nachdem im Schach kaum ein menschlicher Spieler unter üblichen Turnierbedingungen gegen die Maschine mehr echte Gewinnchancen hat? Und wird Shredder sprachgesteuert werden (wie z.B. beim IBM-Projekt Jeopardy), völlig ohne Brettansicht, ohne Tastatur und Maus bedienbar?
MK: Mit KI oder künstlicher Intelligenz ist es so eine Sache. Wenn man sich anschaut, auf welche Art Programme Schach und Dame spielen, dann ist das sicher nicht intelligent. Wenn man sich nur das Ergebnis anschaut, also dass z.B. ein Schachprogramm stärker als alle Menschen Schach spielen kann, dann hat das sicher etwas von Intelligenz. Es ist also eine Frage der Definition.
Bei Ankündigungen von großen Firmen muss man immer aufpassen, nicht auf Marketing-Aktionen reinzufallen. Gerade bei IBM hab ich noch gut im Kopf, was Deep Blue alles Gutes für die Menschheit tun sollte, nachdem er das Schach drangegeben hat. Eine Maschine, die Jeopardy spielt, wäre aber sicher nicht schlecht.
Ein Shredder, der nur mit Sprachsteuerung gesteuert wird, ist heute schon möglich. Für ein Schachprogramm gibt es ja nicht so viele Sachen, die es verstehen muss. ■
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Die 32-Steiner
Lars Bremer
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Sämtliche Schachstellungen in einer 32-Steiner-Tablebase-Datenbank zu erfassen gilt als unmöglich. Aber warum eigentlich? Geht es vielleicht doch? Und wenn ja, wie geht es – und vor allem: wann? –
Im Schachklub trifft man die seltsamsten Leute. Komischerweise trinken alle gern Bier, und so saßen neulich ein paar Schachfreunde mit mir um einen Kneipentisch herum. Einer, von Beruf Philosoph an der Uni, dozierte: «Na gut, der Kramnik mag verloren haben, aber die Rechner werden niemals perfekt spielen, wir werden immer die Möglichkeit haben, sie zu besiegen, denn das Schachspiel ist unerschöpflich und nur ein kreativer Geist kann versuchen, es zu ergründen. Er wird keinen Erfolg haben, aber der Weg ist das Ziel! Die Computer jedoch werden auf ewig daran scheitern und sich in den endlosen Varianten verlaufen!»
Zufrieden griff er zu seinem Bierglas, da meldete sich ein Mathematiker: «Unerschöpflich würde ich eigentlich nicht sagen. Die längste mögliche Schachpartie dauert schließlich 5899 Züge, und dabei schon müssen beide Seiten sorgfältig kooperieren. Normale Partien, in denen jeder den besten Zug macht, dauern bei weitem nicht so lange.»
Der Philosoph konterte: «Das ist egal, es gibt mehr Schachpartien als Atome im Universum. Niemals wird man die berechnen können!»
«Das stimmt schon», sagte der Mathematiker. «Aber Stellungen gibt es viel weniger, nämlich nur etwa 2,28*10ˆ46. Die Sechssteiner gibt es schon, warum sollte es nicht irgendwann die 32-Steiner geben?»
Ich mischte mich ins Gespräch: «Das ist ganz einfach. Die Endspiel-Datenbanken berechnen aus der Stellung die Speicher-Adresse. An der steht dann, wie viele Züge zum Gewinn nötig sind. Bei 5899 Zügen braucht man pro Stellung also zwei Byte. Macht für alle Stellungen 4,56*10ˆ46 Byte. Nächstes Jahr wird es eine Festplatte geben, die ein Terabyte speichert, also 1024 GByte oder 1.048.576 MByte und so weiter. Die einfache Rechnung ist: Du wirst ewa 4,15*10ˆ34 von diesen Terabyte-Festplatten brauchen.»
«Klingt doch beherrschbar», sagte der Mathematiker und grinste.
«Beherrschbar?», fragte ich. «Wir können ja mal weiterrechnen. Eine Festplatte hat die Maße 14,5x10x2,5 Zentimeter, also ein Volumen von 0,0003625 Kubikmetern. Zusammen ergäbe das ein Volumen von 15 Trilliarden Kubikkilometern, das entspricht einem Würfel von fast 25 Millionen Kilometern Kantenlänge. Nur aus Festplatten! Die Erde hat dagegen nur einen mageren Rauminhalt von etwas mehr als einer Billion Kubikkilometern, sie würde fast 14 Milliarden Mal da reinpassen. Auch mit der Sonne sieht es nicht besser aus, der Festplattenwürfel würde so groß sein wie zehntausend Sonnen! Du müsstest alle Sterne in 30 Lichtjahren Umkreis abreißen und zu Festplatten verarbeiten!»
Ein Elektro-Techniker hatte auch zugehört und warf ein: «Wenn der Zentralrechner in der Mitte des Würfels säße, würde jede Anfrage zu den in den Ecken befindlichen Festplatten trotz Lichtgeschwindigkeit 71 Sekunden unterwegs sein! Und zurück natürlich dieselbe Zeit brauchen.»
«Was nicht wichtig wäre, weil euer Würfel ohnehin unter seiner eigenen Gravitation kollabieren und zu einem schwarzen Loch zusammenstürzen würde», meinte ein Physiker.
Der Philosoph nahm zufrieden sein Bierglas zur Hand, der Mathematiker aber sagte: «Ja, das sind sehr große Zahlen. Aber warum sollen die Potenzen nur immer gegen uns arbeiten? Die Festplatten fassen doch jedes Jahr mehr! Wie lange hat es bis jetzt immer gedauert, bis die Kapazität sich verdoppelt hat?»
«Im Mittel drei Jahre, eher weniger», schätzte ich.
«Aha, drei Jahre.» Der Mathematiker rieb sich die Hände. «Mal angenommen, das geht so weiter. Dann haben wir 2010 eine Platte mit zwei Terabyte …», er wurde still und bewegte die Lippen. «… und im Jahre 2352 eine Festplatte mit der nötigen Speicherkapazität für den 32-Steiner.»
Er kicherte, und am Tisch wurde es still. Nach einer Weile meldete sich der Philosoph: «Na gut, vielleicht kann man die Daten speichern, aber ausrechnen kann man sie nicht!»
Ich mischte mich auch wieder ein: «Genau! Mal angenommen, ein Tablebase-Generator könnte eine Miliarde Stellungen pro Sekunde erzeugen und bewerten. Das ist extrem optimistisch, aber mit großem Aufwand könnte man so eine Maschine vielleicht bauen heutzutage. Dann bräuchte der für 2,28*10ˆ46 Stellungen 2,28*10ˆ37 Sekunden. Das wären 7,2*10ˆ29 Jahre. Das Universum ist 13,77 Milliarden Jahre alt, und du willst sieben Quadrilliarden Jahre an den 32-Steinern rechnen? Das wäre 52 Trillionen mal so lange, wie das Universum existiert. Da windest du dich nicht raus!»
Der Mathematiker lachte. «Wenn es um große Zahlen geht, seid ihr alle Anfänger. Ihr lasst sie ja gegen euch arbeiten, dabei geht es auch umgekehrt! Moores Gesetz kenne sogar ich, alle 18 Monate verdoppelt sich die Rechnergeschwindigkeit. Wollen mal sehen, was von euren Quadrilliarden noch bleibt. Wir bauen jetzt einen Computer, der eine Milliarde Stellungen pro Sekunde erzeugt. Hm, dann sind das, dumdidum, hm, zack, hey, das geht ja noch schneller als mit dem Festplatten! Also, wir werden im Jahre 2195 einen Computer haben, der die 32-Steiner ratzfatz hastdunichtgesehen ausrechnen kann. Ich fasse zusammen, meine Herren: wenn der Fortschritt fortschreitet wie bisher, dann werden wir im Jahr 2195 die Rechenleistung haben, um die 32-Steiner theoretisch zu erzeugen, und im Jahre 2352 geht es dann auch praktisch, weil wir dann Datenträger haben werden, die groß genug sind. Noch Fragen?»
«Ja!», rief der Philosoph empört. «Die Steigerung der Rechenleistung und der Speicherkapazität wird sich doch sicher verlangsamen!»
«Vielleicht», antwortete der Mathematiker, «aber selbst wenn, was ändert das? Wenn sich die Kapazität der Platten nicht alle drei Jahre verdoppelt, sondern bloß alle 30, was soll‘s? Dann hätten wir trotzdem in dreieinhalbtausend Jahren so eine Platte. Das gilt auch für die Rechenleistung. Wenn wir die nicht in 200 Jahren haben, dann eben in 2000 Jahren. Ich gebe zu, dass das eine lange Zeit ist, viel zu lang für uns, aber historisch vollkommen unbedeutend, und jedenfalls viel zu kurz, um von ‚unmöglich‘ oder ‚niemals‘ zu sprechen, wie du es getan hast. Die Pyramiden von Gizeh wurden vor 5000 Jahren erbaut. Kannst du dir vorstellen, was in 5000 Jahren sein wird? Oder in 50.000 Jahren? Abgesehen mal davon, dass es eine Datenbank geben wird, die sämtliche Schachstellungen enthält, denn das müssen wir uns nicht vorstellen – ich habe es ja gerade bewiesen!»
Der Mathematiker grinste sardonisch und bestellte noch ein Bier. Die Tischgesellschaft beschloß, lieber über Schnittblumen zu reden. Dennoch treibt mich seitdem die Frage, ob der Mathematiker recht hatte oder ob er sich geirrt hat. Und wenn ja, wo er sich geirrt hat? ■
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Geb. 1968, Software-Entwickler und Journalist, Ex-Chefredakteur der Computerschach-Zeitschrift CSS-Online, lebt in Langenhagen/BRD
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Computer-Forscher wollen das Königliche Spiel lösen
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Ist im Jahr 2035 Schluss mit Schach?
Eric van Reem
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Kanadische Forscher haben ein unbesiegbares Computerprogramm für das Brettspiel Dame geschaffen. Kein Gegner könne mehr als ein Unentschieden gegen das Programm namens Chinook erreichen, berichteten Jonathan Schaeffer und Kollegen von der Universität von Alberta in Edmonton im April 2007. In mehr als 18 Jahren haben die Informatiker über 39 Billionen Spielstellungen durchgerechnet und bewiesen, dass Dame immer auf ein Remis hinausläuft, wenn beide Seiten fehlerfrei spielen. Tag und Nacht waren dafür im Schnitt rund 50 Computer im Einsatz. Mit diesem Ergebnis sei das Brettspiel gelöst, erläuterten Schaeffer und Kollegen im US-Fachjournal «Science».
Während der Schach-Olympiade 2008 in Dresden organisierte die Technische Universität Dresden am 21. und 22. 11. 2008 einen Schach- und Mathematik-Workshop. In einem visionären Vortrag behauptete der niederländische Informatiker und Professor für Computerwissenschaften Jaap van den Herik (61) von der Universität Tilburg, dass das Schachspiel im Jahr 2035 komplett ausgerechnet und gelöst sein wird.
Es ist im Moment noch unvorstellbar, dass man jede Stellung komplett lösen kann. Schach ist ja bekanntlich eines der komplexesten Brettspiele der Welt. Die Zahl der möglichen Schachstellungen übersteigt die Zahl der Atome im Universum um ein Vielfaches. Bereits nach zwei Zügen können 72’084 verschiedene Stellungen entstehen. Die Zahl der möglichen Spielverläufe ist noch einmal um ein Vielfaches größer. Schon für die ersten 40 Züge belaufen sich die Schätzungen auf etwa 10’115 bis 10’120 verschiedene Spielverläufe. Es scheint also unmöglich zu sein das Spiel zu lösen.
Anhand der sich immer noch rasant entwickelnden Computer-Hardware und den Forschungsergebnissen aus Checkers, Go und Schach prognostizierte Van den Herik allerdings, dass es nur noch ein Frage der Zeit ist, bis auch Schach gelöst sein wird. Der niederländische Professor, der sich bereits seit Jahrzehnten mit intelligenten Brettspielen und künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt, zeigte in Dresden, dass der Termin für die fehlerfreie Schachpartie näher ist, als wir alle vermuten.
Und wie geht das perfekte Spiel dann aus, wollen Sie noch gerne wissen, gewinnt Weiß oder Schwarz? «Ich vermute, dass das Spiel, genauso wie bei Dame, dann Unentschieden ausgehen wird», beendete Van den Herik sein Referat. ■
Link-Sammlung zum Thema Geschichte des Computerschachs und KI-Forschung
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Eric van Reem
Geb. 1967 in Deventer/NL; Englisch-, Philosophie- und Literatur-Studium an der Hogeschool Holland (Amsterdam); seit 2000 umfangreiche schachjournalistische Tätigkeit; lebt als Star Alliance Controller der Lufthansa in Dietzenbach/Frankfurt
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Neues Test-Verfahren für Schach-Programme
Der «Barometer»-Engine-Test (B-E-T)
Walter Eigenmann
Schon seit Jahren besteht die Hauptbeschäftigung der weltweit zahlreichen PC-Schach-Anwender darin, auf ihren heimischen Rechnern die mittlerweile hunderte von Schach-Engines mehr oder weniger systematisch gegeneinander antreten zu lassen, um aufgrund der Partien-Ergebnisse Rankings zu generieren. Denn in der internationalen (Computer-)Schach-Szene galt und gilt es bis heute als ausgemacht, dass die Spielstärke eines Schach-Programmes allein mit Hilfe von entsprechenden Turnieren zuverläßig zu ermitteln sei. Andere Verfahren der Rangierung wurden/werden praktisch einhellig als «zufällig», als «partikulär» oder gar als «subjektiv» kritisiert.
In vielwöchiger Arbeit – verteilt auf zwei Jahre – hat der Autor nun einen Stellungstest für Schach-Programme entwickelt, welcher die Rangliste der Engines genau so zuverläßig generiert wie die beiden Referenz-Turnier-Rankings der aktuellen Computerschach-Szene (nämlich CEGT und CCRL).
Die neue Test-Suite heißt B-E-T («Barometer Engine Test») und umfasst exakt 400 Schach-Aufgaben, die je innerhalb einer Minute zu lösen sind. Der «Barometer» benötigt also nur knapp sieben Stunden, um die definitive Spielstärke eines neuen Programmes zu eruieren. Das u.U. wochen- und monatelange zeitaufwändige Austragen abertausender Turnier-Partien allein zwecks Ermittlung der Engine-Performances ist damit Vergangenheit.
Positiv formuliert: Der B-E-T setzt Rechner- wie Human-Time-Ressourcen frei, welche inskünftig sinnvolleren Computerschach-Beschäftigungen als der (statistisch relevanten, aber schachlich meist völlig ignorierten Blitz-) Partien-«Produktion auf Halde» zugute kommen (könnten).
Unnötig zu erwähnen, dass selbstverständlich die Generierung von Engine-Engine-Partien, sofern sie mit langen Bedenkzeiten (=mind. 30Min/Engine) auf schneller Hardware gespielt werden und damit qualitativ hochstehendes Schach produzieren, nach wie vor wichtig ist, ja immer wichtiger wird. Denn je länger die Software-Entwicklung des Computerschachs andauert, umso klarer wird der gesamten Schach-Welt, dass mittlerweile das ganz «hohe Schach» nicht mehr in den Säälen der Großmeister-Turniere, sondern in den Veranstaltungen des virtuellen «Freestyle-Chess» stattfindet – oder in absehbarer Zeit überhaupt nur noch auf den privaten 8-Cores-Maschinen.
Exkurs1: Die «Spielstärke»
Ein ewiger definitorischer Streitpunkt nicht in der weltweiten Schach-Community, aber in den Computerschach-Foren ist der Begriff der «Spielstärke». Die vorliegende Untersuchung verwendet diesen Terminus in einem pragmatischen Sinne – wie das in der gesamten Schach-Welt der Fall ist. Demnach nennt man beispielsweise Ex-Weltmeister-Kasparow (zurecht) deshalb den «stärksten Spieler» seiner Epoche, weil er mehr Turnier-Partien gegen seinesgleichen gewann als die anderen. Er war also nicht zwingend gleichzeitig der «stärkste Blitzer», der «stärkste Problemlöser», der «stärkste Kommentator», der «stärkste Eröffnungstheoretiker», etc. – aber er war der stärkste Turnier-Spieler, weltweit anerkannt als die Nummer Eins, und als solche mathematisch dokumentiert im internationalen Elo-System.
Die Dominanz Kasparows hat im aktuellen Computerschach ihr Analogon: Das Programm «Rybka» beherrscht zurzeit die Turnier-Szene unangefochten; es ist das also «spielstärkste» Programm. (Dabei ist es beispielsweise allenfalls Image-schädigend, aber ihre Performance nicht wirklich beeinflussend, dass diese «stärkste» Engine bis heute auch durchaus Peinlichkeiten produzieren kann, wie sie andere Spitzen-Programme nicht aufweisen (beispielsweise mangelhafte Unterverwandlung, oder spezifische Zugzwang-Probleme, oder ziemliche Defizite im Königsangriff, u.a.)
Eine wesentliche Komponente von «Spielstärke» ist zweitens – gerade, aber nicht nur im Zusammenhang mit Computerschach – die Schnelligkeit. Bereits Vidmar (in seinen legendären «Goldenen Schachzeiten») wies explizit darauf hin, dass «die Geschwindigkeit des Denkapparates» für den Erfolg in dem Zeit-Sport Schach entscheidend ist. Für den B-E-T heißt das, dass das schnellste Programm in einer bestimmten Stellung auch dann das «stärkste» heißt, wenn alle anderen (langsameren) Programme die Aufgabe genauso lösen. (Pointiert formuliert: Irgendwann findet auch die «dümmste» unter den Engines die Lösung…) Der «Barometer» relativiert allerdings diesbezüglich nicht weiter (im Gegensatz etwa zu differenzierteren, aber mit anderen Fehlern behafteten Auswertungsverfahren wie z.B. «EloStatTS» des Statistikers Frank Schubert), sondern addiert schlicht die richtigen Lösungen; Der B-E-T gibt ein Zeit-Fenster vor, und das vermag ein Programm einzuhalten – oder eben nicht einzuhalten.
Exkurs2: Der «beste Zug»
Für gehörige Begriffsverwirrung, und diesmal nicht nur in der Computerschach-Szene, sorgt eine zweite, ebenso häufig wie nebulös benützte Vokabel: jene des sog. besten Zuges. Der Grundsatz-Streit, ob – wie z.B. Tarrasch proklamierte – jede Schach-Stellung (auch die vordergründig völlig «ausgeglichene») einen objektiv «einzigen besten» Zug aufweise, den es zu finden gelte, ist alt. Nun kann für den menschlichen Turnier-Kämpfer die Maxime, nach diesem «Einzigen» zu fahnden, nur schon aus Zeit-Gründen nicht gelten. Vielmehr beziehen bekanntlich moderne Großmeister nicht nur ihr theoretisches, sondern konsequent ebenso ihr Wissen über die spezifischen (auch psychologischen) Stärken und Schwächen der Gegnerschaft mit in die Zug-Auswahl ein.
Anders beim computerisierten Schach – zumal im Zusammenhang mit einer Aufgaben-Sammlung: Hier ist die Forderung nach dem «Einzigen Besten» nicht nur legitim, sondern sogar zwingend. Denn es gilt (ohnehin jenseits aller Psychologie) die Zufälligkeiten der Engine-typischen Zug-Generierung, resultierend aus meist «vager» Bewertung nach Bauerneinheiten, dergestalt zu umgehen, dass sich der gesuchte von den Kandidaten-Zügen «deutlich» abhebt, damit die Test-Stellung aussagekräftig wird.
«Praktisch gleich gute Züge» können schachlich interessant oder amüsant sein (und z.B. im Fernschach durchaus zur Plan-Findung durch den Menschen beitragen), sind aber als Test-Grundlage für Schach-Programme völlig ungeeignet, weil sie die «Entscheidung», den «Willen», das «wahre» Rechen-Ergebnis einer Engine nicht unmissverständlich und definitiv dokumentieren, sondern der präferierte Zug zum Zufalls-Produkt auch außerschachlicher Prozesse (Hardware-technische «Unebenheiten», Hintergrund-Aktivitäten, Memory-Nutzung u.a.) werden kann.
Dieses Problem der Nichtreproduzierbarkeit von Test-Ergebnissen wird noch verschärft durch die modernen Multi-CPU-fähigen Engines; schon bald nach Erscheinen der ersten Dual- und Quad-Geräte wurde klar, dass manchmal Partie-Züge in gleichen Stellungen bei manchen Programmen unter sonst gleichen Bedingungen unterschiedlich ausfallen (Siehe dazu auch einen im technischen Kern richtigen, aber in seinen Schlussfolgerungen irrational übertriebenen Artikel von Lars Bremer: Chaos-System Deep Engine, CSS-Online 2007).
Das Phänomen kann jedenfalls (von einem Stellungstest-Autor) grundsätzlich ignoriert werden. Denn erstens sind die angesprochenen Verwerfungen sehr selten (sprich auf ein paar hundert Stellungen und hundert Engines schätzungsweise in 15-20 Fällen vorkommend, wie entspr. Meldungen in einschlägigen Foren sowie eigene Stichproben nahelegen), und zweitens kann es durch die (schon oben angesprochene) sorgfältige Selektion «deutlich bester» Züge praktisch eliminiert werden. Drittens fängt allein schon ein je großzügig bemessenes Zeitfenster – in unserem Falle: 60 Sek./Zug – solche Verwerfungen in der Zug-Suche auf. Denn auch MP-Schach-Engines sind mitnichten Chaoten mit zufälligen Produkten: Eine MP-Engine wird, wie jede praktische Erfahrung beweist, immer stärker Schach spielen als ihr Single-Pendant, sofern sie hardwareseits gut adaptiert wurde.
(Sobald die 400 Aufgaben-Stellungen allgemein verfügbar sind, wird es für interessierte Tester ein Leichtes sein, das Ausmaß dieser «Nicht-Reproduzierbarkeit» im Experiment nachzuprüfen, indem die fraglichen MP-Engines je drei Mal (besser 5-7 Mal) den B-E-T zu durchlaufen haben. Dabei dürfte es jedesmal zu leicht abweichenden Gesamt-Lösungszahlen kommen, aber unterm Strich (= im Durchschnitt) werden sich die Ergebnisse die Waage halten, wie der Autor überzeugt ist. Dass also schließlich eine ganz andere Rangliste als die untenstehende resultiert, ist zwar theoretisch nicht unmöglich – aber extrem unwahrscheinlich.)
Kurzum: Erfolgreiches Spielen heißt grundsätzlich, einerseits gute Züge zu finden und andererseits schlechte Züge zu vermeiden – in diesem Grundsatz unterscheiden sich Mensch und Maschine nicht; Das bessere Programm findet insgesamt mehr beste Züge, und das insgesamt schneller, als das schlechtere – und genau dies zu dokumentieren ist Aufgabe eines sorgfältig konzipierten Computerschach-Stellungstests.
Genesis eines Stellungstests
Ausgangspunkt meiner Beschäftigung mit dem B-E-T war die Frage, welchen Grad an (computer-)schachlicher Repräsentanz ein paar hundert Aufgaben-Stellungen aufweisen müssen/können, damit die jeweilige Summe der von einem Programm erzielten Lösungen stark mit jenem Rang korreliert, den dieses Programm im durchschnittlichen Turnier-Betrieb innehat. Dieser «durchschnittliche» Rang wird ausgewiesen in den «Elo»-Ergebnissen, welche die beiden weltweit meistkonsultierten und zuverläßigsten, weil statistisch abgesicherten und dabei sowohl personell wie organisatorisch unabhängig voneinander agierenden Engine-Test-Organisationen CEGT und CCRL liefern. Die Zielsetzung war also, dass die Engine-Ergebnisse des B-E-T in keinem Falle einen höheren Abweichungsgrad aufweisen, als ihn eine Engine im direkten durchschnittlichen Vergleich dieser beiden Referenz-Ranglisten aufweist.
Nun war dem Problem mit mehr oder weniger wahllosem Engine-«Ausprobieren» von ein paar hundert Schachstellungen grundsätzlich nicht beizukommen. Angesichts so hochkomplexer Wirkungsketten, wie sie Schachpartien-Züge darstellen, würde einen Sterblichen das schiere Material erschlagen, und stünden ihm auch zwanzig Hochleistungs-Computer gleichzeitig zur Verfügung.
Die Lösung lag vielmehr da, wo sie auch jeder Großmeister sehr erfolgreich findet: in der Typisierung. Es galt, die insbesondere computer-schachlich relevanten Stellungs-Muster so systematisch wie möglich zu katalogisieren: Taktisch bereinigte, analoge Zug- bzw. Züge-Elemente wurden zu übergeordneten Motiven zusammengefasst; diese miteinander verwandten Motiv-Bündel wiederum ergaben ein neuerlich übergeordnetes Paradigma. Das heißt also, dass jede Aufgabe des B-E-T quasi als Paradigma fungiert, welches seinerseits eine Reihe von taktisch verschiedenen, aber «im Kern» analogen, also von ihrer schachlichen «Idee» her grundsätzlich austauschbaren Motive subsumiert. Dies Verfahren ist stark an das vielgerühmte «Muster-Denken» aller Meisterspieler angelehnt. Auf diese Weise lassen sich noch am ehesten die Miriaden von Schach-Zugmöglichkeiten bändigen bzw. durch ein paar hundert Stellungen repräsentieren.
Hierzu waren selbstverständlich eine Menge Recherchen vonnöten. Neben vielerlei moderner Schach-Lektüre war mir hier insbesondere der große Systematiker Max Euwe mit seinem 750-seitigen »Mittelspiel» hilfreich; die methodische Akribie in diesem Wälzer ist m.E. immer noch unerreicht. Rein vom Katalogisieren her konsultierte ich sodann ein zweites einschlägiges Kompendium, nämlich die Polgar-Enzyklopädie «ChessMiddleGames» (siehe deren Inhaltsverzeichnis unten) – obschon daraus kaum eine der rund 4’000 Positionen in meinem Test auftaucht, weil erstens eine Suite mit vorwiegend erstmals von mir veröffentlichten Aufgaben entstehen sollte, zweitens der grössere Teil der Test-Stellungen aus spezifischen Computerschach-Partien stammen musste, und drittens viele dieser Polgar-Aufgaben (gemäß zahlreichen Stichproben) nicht 100%ig korrekt sind.
Was wiederum das Computerschach-Material betrifft, nutzte ich sehr ausgedehnt die sog. COMP2007, deren (bei fast 700’000 Partien) umfassende Sammlung von ausschließlich Games mit längeren und langen Bedenkzeiten auf sehr langsamer bis sehr schneller Hardware ideal für meine Stellungs-Recherchearbeit war. Hinsichtlich des Endspiels durchforstete ich – neben zahlreichen Computer- und Fernschach-Partien – schließlich die große Studien-Datenbank von H. Van Der Heijden; deren Kompositionen präsentieren, wo sie auf technisch hohem Niveau daherkommen, die «Idee», den thematischen Kern eines Endspieles oft in besonders «reiner», unverschnörkelter Form, womit sie sehr geeignet sind für Computerschach-Tests. Dabei wurde allerdings auf größtmögliche Realitätsnähe geachtet; bis auf wenige Ausnahmen hätten die fraglichen Stellungen problemlos auch in tatsächlich gespielten Computer- oder Menschen-Partien entstanden sein können. Die «Ausnahmen» betreffen v.a. spezifisch Computerschach-Technisches wie beispielsweise «Zugzwang»-, «Horizont»- oder «Nullmove»-Probleme, welche gerade mit Studien hervorragend untersucht werden können.
Bedenkzeit: 60 Sekunden pro Stellung
Für eine Computerschach-Testsuite ist die Dauer der Bedenkzeit pro Aufgabe von wesentlicher Bedeutung – zumal dann, wenn mehrere hundert Stellungen von möglicherweise mehreren hundert Programmen getestet werden sollen… Hier verfolgte ich einen pragmatischen bzw. praktikablen Ansatz, denn zum einen soll der «Barometer» ein «Über-Nacht-Test» sein, der Resultate nach wenigen Stunden liefert; andererseits muss pro Aufgabe eine hohe Stabilität der Zug-Generierung gewährleistet sein; drittens soll die Bedenkzeit einigermaßen mit jener zu tun haben, die im durchschnittlichen Engine-Turnier-Betrieb der internationalen Computerschach-Community – namentlich der beiden erwähnten CEGT- und CCRL-Tester-Gruppierungen – favoritisiert wird; und schließlich war die aktuelle Hardware bzw. deren Entwicklung zu berücksichtigen.
Um allen diesen vier Punkten zu genügen, wurde der B-E-T – mittels recht ausgedehntem Stichproben-Experimentieren mit ein paar sehr starken wie sehr schwachen Engines auf einem (eher gemütlichen) «Athlon64/3000+» – auf eine Bedenkzeit von 60 Sekunden pro Stellung «geeicht». (Übrigens enthält der «Barometer» auch ca. zwei Dutzend extrem schwierige, vornehmlich strategische Aufgaben, die wahrscheinlich in absehbarer Zukunft von keinem Schachprogramm gelöst werden dürften).
Der Einfluss der Partie-Bedenkzeiten auf die Turnier-Ränge eines Schach-Programmes wird im übrigen immer wieder überschätzt. Hierzu sei eine eigene kleine Untersuchung zitiert (siehe hier ), welche das Fazit hat, dass sogar der Unterschied zwischen langer Turnier- und kurzer Blitz-Bedenkzeit nur in Ausnahmefällen relevant auf die Ranglisten durchschlägt. Mehr noch: Bei einer statistisch ausreichenden Anzahl Partien sind überhaupt Match-Details wie Rechner-Typen, Programm-Parameter, Pondering-Einstellungen, Eröffnungsbücher, Endspiel-Datenbanken oder die Hash-Größen von sekundärer Bedeutung.
Der B-E-T in der Praxis
Dem Autor steht seit kurzem (anfangs Mai 2008) ein No-Name-Dual-Core6400-Gerät (mit Vista-Home/32bit, 128Mb Hash, 3-6 Nalimov-, Shredder- & EGBB-Bases, «Arena»-, «Fritz»- & «Shredder»-GUIs) zur Verfügung, und inzwischen hat er mit der Test-Arbeit bzw. der Generierung der entspr. Rangliste begonnen (siehe unten). (Ich behalte mir allerdings vor, nicht absolut jede kommerzielle Engine-Neuheit zu kaufen… :-)
Diese Rangliste wird über einen längeren Zeitraum hinweg ständig aktualisiert werden; für interessierte Computerschach-Freunde und Programmierer dürfte es sich also lohnen, hier regelmäßig reinzuschauen. Die 400 Aufgaben sind zurzeit nur privat, da die (in der Vergangenheit immer wieder bestätigte) «Gefahr» besteht, dass manche Programmierer der Verlockung nicht widerstehen können (= ihre Engines gezielt auf die bekannten Stellungstests zu tunen pflegen…) Zu gegebenem Zeitpunkt wird aber der B-E-T selbstverständlich (inklusive Analysen sowie PGN-&EPD-Files) zum Gratis-Download angeboten werden.
Wie ist das nachstehende Ranking grundsätzlich zu interpretieren?
Der B-E-T kann (und will) seine Rangierungen nicht so differenzieren wie z.B. Listen, die nach Arpad Elos berühmter Formel berechnet wurden (siehe u.a. die oben erwähnten CEGT- und CCRL-Ranglisten). Der «Barometer»-Test erlaubt aber Aussagen wie: «Engine A ist ungefähr gleich stark wie Engine B», «Engine C ist deutlich schwächer als Engine C», «Engine D ist etwas stärker als Engine E». Dabei entsprechen ca. 0-5 BET-Punkte der Charakterisierung «ungefähr gleich stark», 6-10 BET-Punkte «etwas stärker/schwächer» und 11-n BET-Punkte «deutlich stärker/schwächer».
Der B-E-T zeigt also das relative Spielstärke-«Umfeld» eines Programmes an, ohne absolute Vergleiche anzustellen; dementsprechend sind auch die Abstände der Engines cum grano salis zu nehmen. Aber selbstverständlich kann dort von einem massiven Spielstärke-Unterschied ausgegangen werden, wo eine BET-Differenz mehr als 40 Punkte beträgt.
Die Computerschach-Rangliste gemäß B-E-T
Programm Lösungen 001 Rybka 2.3.2a x32 2CPU 273 002 Rybka 2.3.2a x32 1CPU 263 003 Zappa Mexico II x32 2CPU 249 004 Naum 3 x32 2CPU 248 005 Zappa Mexico x32 2CPU 244 006 Deep Shredder 11 x32 2CPU 244 007 Toga II 1.4.2JD x32 2CPU 240 008 Fritz 11 CB x32 1CPU 237 009 Glaurung 2.1 x32 2CPU 237 010 Hiarcs 11.2 x32 1CPU 230 011 Deep Shredder 11 x32 1CPU 229 012 Fritz 10 CB x32 1CPU 229 013 Loop 13.6 x32 2CPU 228 014 Toga II 1.3.1 x32 1CPU 224 015 Fruit 05/11/03 x32 1CPU 224 016 Bright 0.3a x32 2CPU 224 017 Spike 1.2 Turin x32 2CPU 223 018 Zappa Mexico x32 1CPU 222 019 Shredder 10 x32 1CPU 222 020 Rybka WinFinder 2.2 x32 1CPU 221 021 Fritz 9 x32 1CPU 219 022 Deep Sjeng 2.7 x32 2CPU 218 023 Bright 0.2c x32 2CPU 218 024 Glaurung2 eps/5 x32 2CPU 217 025 Hiarcs 10.0 x32 1CPU 216 026 Spike 1.2 Turin x32 1CPU 201 027 Deep Sjeng 2.7 x32 1CPU 201 028 Chessmaster11000 x32 2CPU 201 029 Junior 10.1 CB x32 1CPU 196 030 Ktulu 8.0 x32 1CPU 194 031 Bright 0.2c x32 1CPU 194 032 Glaurung2 eps/5 x32 1CPU 192 033 Naum 2.0 x32 1CPU 191 034 Chess Tiger 2007.1 x32 1CPU 190 035 Frenzee Feb08 x32 1CPU 190 036 SmarThink 1.00 x32 1CPU 189 037 Junior 9 CB x32 1CPU 183 038 Alaric 707 x32 1CPU 181 039 Pharaon 3.5.1 x32 2CPU 181 040 Movei 0.08.438 x32 1CPU 179 041 Gandalf 6.0 x32 1CPU 178 042 Chessmaster10000 x32 1CPU 173 043 WildCat 8 x32 1CPU 171 044 Ruffian 2.1.0 x32 1CPU 164 045 SlowChessBlitzWV2.1 x32 1CPU 162 046 Pharaon 3.5.1 x32 1CPU 160 047 Pro Deo 1.2 x32 1CPU 153 048 WildCat 7 x32 1CPU 153 049 Aristarch 4.50 x32 1CPU 153 050 The Baron 1.8.1 x32 1CPU 153 051 Crafty 20.14 CB x32 2CPU 150 052 Anaconda 2.0.1 CB x32 1CPU 150 053 SOS 5.1 x32 1CPU 150 054 Colossus 2007a x32 1CPU 146 055 Alfil 8.11 x32 1CPU 140 056 Hermann 2.3 x32 2CPU 136 057 Crafty 20.14 CB x32 1CPU 136 058 Nimzo 8 CB x32 1CPU 134 059 Yace 0.99.87 x32 1CPU 130 060 Quark 2.35 x32 1CPU 129 061 Amyan 1.597 x32 1CPU 125 062 Gaia 3.5 x32 1CPU 125 063 AnMon 5.60 x32 1CPU 124 064 Delphil 1.9 x32 1CPU 117 065 Twisted Logic 20080404x/32/1 112 066 Cyrano 0.4 x32 1CPU 112 067 Comet B68 CB x32 1CPU 109 068 Djinn 0.925x x32 1CPU 105 069 NanoSzachy 3.3 x32 1CPU 104 070 Cheese 1.2 x32 1CPU 102 071 Homer 2.0 x32 1CPU 099 072 Caligula 0.3b x32 1CPU 093 073 Doctor? 3.0 CB x32 1CPU 090 074 ZCT 0.3.2447 x32 1CPU 082 075 Arion 1.7 x32 1CPU 081 076 Resp 0.19 x32 1CPU 081 077 FireFly 2.5 x32 1CPU 081 078 BikJump 1.7 x32 1CPU 081 079 Uralochka 1.1b x32 1CPU 079 080 GreKo 5.7 x32 1CPU 070 081 BSC 0.3 x32 1CPU 068 082 Bambam CB x32 1CPU 066 083 Wing 2.0a x32 1CPU 065 084 Mint 2.3 x32 1CPU 063 085 Ifrit B2.1 x32 1CPU 062 086 ECE 0.3 x32 1CPU 061
(Stand: 14.Juni 2008 - Die Testarbeit am B-E-T wurde bis auf weiteres eingestellt)
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Schach-Satire
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Das h6-Syndrom
Walter Eigenmann
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wie lautet noch gleich eines der 10 Gebote, das wir unseren Schach-lernenden Zöglingen in Schulen und Vereinen stets mit größtmöglich erhobenem Zeigefinger auf den Turnier-Lebensweg mitgeben?
Richtig: «Du sollst nicht unnötig bewegen deiner Rochade Bauern!»
Immer und immer wieder predigen wir’s ihnen – doch was machen die Kids?! Sie gehen nach Hause, werfen ihre Computer mit den großen Datenbanken an, scrollen neu- und wissbe-gierig durch die Großmeister-Partien – und werden dabei mit einem Massen-Phänomen konfrontiert, das alle pädagogischen Bemühungen zunichte zu machen droht. Dieses Phänomen manifestiert sich beispielsweise in Stellungen wie der folgenden:
h6-Syndrom Nr.1
Griesmann-Nicot 1953
r2q1rk1/ppn3bp/2pp1np1/6B1/2PP2B1/2N4R/PP1Q1P2/2KR4 b – – 0 18
Wir haben es hier mit einem extrem verbreiteten, nicht kontrollier-, aber meist voraussehbaren, reflexartigen Fingerzucken zu tun, das jede und jeden, ob Anfänger oder Großmeister, ob dick oder dünn, ob Mensch oder Maschine, ob blöd oder genial befallen kann. Nämlich das unwillkürliche, sofort-ruckartige, kognitiv nicht mehr gesteuerte Aufziehen des schwarzen h7-Bauern um einen Schritt, sobald auf g5 ein weiβer Läufer aufgetaucht ist. (Wobei dieser Reflex natürlich nicht auf die Führer der schwarzen Steine beschränkt ist, sondern mit umgekehrten Vorzeichen genauso häufig die Weißen mit ihrem geliebten h2-h3 befällt…) Jedenfalls hat diese h7-h6-Zuckung enormes Suchtpotential – bei häufigem Befall führt es unweigerlich in den totalen Elo-Ruin.
Die Rede ist vom sogenannten h6-Syndrom.
Was gemeint ist, sieht man sogleich, wenn man in obiger Stellung (immerhin gespielt in Frankreichs Fernschach-Meisterschaft 1953) so beobachtet, was nun die Herren Meisterspieler – Vorbilder unseres Nachwuchses! – weiter treiben:
18…h6? 19.Lxh6 Sxg4 [19…Tf7 20.Lxg7 Txg7 21.Tg1+-] 20.Lxg7 Kxg7 [20…Txf2 21.Th8+-] 21.Tdh1 Se8 [21…Sf6 22.Dh6 Kf7 23.Se4 Se6 (23…Sxe4 24.Tf3 Ke6 25.Dxg6+-) 24.Tg1+-; 21…Se6 22.Th7 Kg8 (22…Kf6 23.Se4 Kf5 24.f3+-) 23.f3+-] 22.Th7+- und die Droge h7-h6 hat ein neues Opfer gefordert. – –
Das ganze Syndrom lässt sich psychologisch in zwei spezifische Krankheitsbilder unterteilen. Da wäre als das eine Motiv
1. Die Ablenkung
Vorstehendes Diagramm illustrierte deutlich den entspr. Krankheitsverlauf – hier ein weiteres Beispiel:
h6-Syndrom Nr.2
Miles-Fedorowicz 1981
r2qrbk1/1p3p1p/p1bp1np1/n1p3B1/4P3/1PN3PP/P1PQNPBK/3R1R2 b – – 0 16
Eben ist auf g5 der weiße Läufer erschienen, und sofort verfällt der Patient der wahnhaften Vorstellung, er müsse mittels h7-h6 den Eindringling ablenken, um so den Punkt f6 zu entlasten, wonach man sich vielleicht an einem gegnerischen Bauern schadlos halten könne. Ein folgenschwerer Irrtum, der fast zwangsläufig zum Kollaps des gesamten schwarzen Beziehungsnetzes führt – ein kleiner Schritt für den Bauern, aber ein großes Problem für den König:
16…h6? 17.Lxh6 Lxh6 [17…Lxe4 18.Lxf8 Lxg2 (18…Kxf8 19.Dh6 Kg8 (19…Ke7 20.De3 +-) 20.Sxe4+-; 19.Kxg2 Kxf8 (19…Txf8 20.Dxd6+-) 20.Dh6 Kg8 21.f4+-] 18.Dxh6 Sxe4 19.Sxe4 Lxe4 20.Sf4+-
Das andere, noch weit häufigere Sucht-Motiv, welches dem h6-Syndrom zugrunde liegt, ist
2. Die Vertreibung
Die Vertreibung hat ebenfalls eine krankhafte Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Grundlage, nämlich den begreiflichen Wunsch, dass sich der Gegner zurückziehen möge. Was dieser natürlich nicht tut – im Gegenteil: Der Syndrom-Bauer wird als gefundenes Fressen interpretiert, gewaltsam aus dem feindlichen Bauernkörper extrahiert – wodurch unweigerlich die gesamte Rochade-Bauernphalanx mit in den Abgrund gerissen wird.
Hierzu erneut ein paar instruktive Fall-Beispiele, um zu zeigen, welch tragisches Ende dieses zwanghafte Fingerzucken nehmen kann. Denn die Folgeschäden sind in den meisten Fällen irreparabel. Dabei bedürfen die medizinischen Indikationen der untenstehenden Patienten-Schicksale eigentlich keiner weiteren Kommentierung. Man beachte jeweils die Schnelligkeit, mit welcher das Opfer Zug um Zug der Agonie anheimfällt. Denn die Krankheit verläuft immer in den gleichen drei Stadien: 1.Bauernzug – 2.Läufer-Befall – 3.Exitus.
h6-Syndrom Nr.3
Kotkov-Razinkin 1960
2r2rk1/1bq1bppp/p4n2/np1P2B1/3p4/5N1P/PP3PP1/RB1QRNK1 b – – 0 17
17…h6? 18.Lxh6 Sxd5 [18…gxh6 19.Dd2 Tfd8 (19…d3 20.Dxh6 mit Angriff) 20.Dxh6 Txd5 21.Sg3 Lf8 (21…Sc4 22.Sf5 +-; 21…d3 22.Lxd3 Txd3 23.Sf5 Lf8 24.Dg5+-) 22.Dxf6 mit Angriff; 18…Lxd5 19.Lg5 Sc6 (19…Tfe8 20.Sxd4 mit Angriff; 19…Lxf3 20.Dxf3 mit Angriff) 20.Sxd4 mit Angriff] 19.Lxg7 Kxg7 [19…Tfe8 20.Dd3 Sf6 21.Df5+-; 19…Tfd8 20.Sxd4 +-; 19…Sf6 20.Sxd4+-; 19…Lb4 20.Le5+-] 20.Dxd4+-
h6-Syndrom Nr.04
Vasiukov-Vasilchuk 1961
2r1r1k1/1bq1bppp/p2p1n2/1p2pNB1/1n1PP3/3B1N1P/PP3PP1/R2QR1K1 b – – 0 18
18…h6? 19.Lxh6 Lf8 [19…Sxd3 20.Dxd3 gxh6 21.Sxh6 Kf8 (21…Kh7 22.Sxf7 Kg7 (22…Kg6 23.S3g5 mit Angriff) 23.S3g5 mit starkem Angriff) 22.Sf5 mit starkem Angriff; 19…gxh6 20.Dd2 Sxd3 (20…Lf8 21.Dxb4+-) 21.Dxh6 mit starkem Angriff] 20.Lg5 Sxd3 [20…Sh7 21.Tc1 Dd7 (21…Db8 22.Lb1+-) 22.Lb1 mit starkem Angriff] 21.Dxd3 mit starkem Angriff.
h6-Syndrom Nr.5
Levy-Bonner 1967
r3r1k1/p3bppp/2q1pn2/1pn3B1/7Q/2P3N1/PPB2PPP/3R1RK1 b – – 0 18
18…h6? 19.Lxh6 Sd5 [19…gxh6 20.Dxh6 Sfe4 21.Sxe4 Sxe4 22.Td4 +-] 20.Dg4 +-
h6-Syndrom Nr.6
Diemer-Markus 1974
r2q1rk1/pp1n1ppp/2pbpn2/6B1/3P3Q/2NB3P/PPP3P1/R4RK1 b – – 0 12
12…h6? 13.Lxh6 gxh6 (Var): 14.Se4 Le7 15.Dxh6 Sxe4 16.Lxe4 f5 17.Dxe6 Kg7 18.Lxf5 (mit starkem Angriff)
Auch du, Maschine?
Soweit zum h6-Syndrom im Zusammenhang mit menschlichen Opfern, wobei sich hinter diesen wenigen Beispielen natürlich eine riesige Dunkelziffer verbirgt. Der geneigte Leser sei auf die groβen aktuellen Datenbanken verwiesen, in denen abertausende solcher h6-Opfer ihr elendes Dasein fristen.
Maschinen wenigstens, so hört man zuweilen hoffen, seien doch aber gegen den h6-Virus immun, da sie mit ihrem eher emotionslosen Naturell für eine kognitive Bewältigung lebensbedrohlicher Situationen besser gerüstet seien als Menschen?
Weit gefehlt! Auch Silikanten reagieren wie Humanoide auf Extremstress (beispielsweise Gegner-Läufer) mit dem totalen Verlust jeglicher Rationalität. Als Beweis in realiter lege man experimentell die obigen Fall-Studien einer kleinen Runde von Software zur «Begutachtung» vor – quasi als Rorschach-Test. Man wird verblüfft sein, wie schnell auch bei Programmen der fatale h6-Reflex spielt: Ein gegnerischer Läufer hat die Mittellinie überschritten; die Pawlov’sche Lampe im Programmierer leuchtet auf; der h-Bauer fährt blitzschnell nach vorne – und der Teufelskreis ist perfekt!
Zwei abschließende, instruktive Illustrationen des h6-Syndroms bei Schachprogrammen beleuchte nochmals die ganze Tragweite dieser Volkskrankheit:
h6-Syndrom Nr.7
Amateur 2.82 – Abrok 5 (Internet 2005)
r2r2k1/p4pbp/n1pp1np1/4p1B1/Pq2P3/1P3B1P/2PQ1PP1/1N1R1RK1 b – – 0 17
17…h6? 18.Lxh6 Lxh6 19.Dxh6 Sxe4 [ 19…Sc5 20.Tfe1 mit Angriff] (Var.): 20.Tfe1 Sac5 21.Lxe4 Sxe4 22.Dh4 mit Angriff
h6-Syndrom Nr.8
ProDeo 1 – ElChinito 3.4c (Internet 2005)
r2q1rk1/1p1bbppp/p1n1pn2/6B1/P1BP3Q/2N2N2/1P3PPP/R2R2K1 b – – 0 14
14…h6? 15.Lxh6 gxh6 [ 15…Sa5 16.Ld3+-] 16.Dxh6 Dc7 [ 16…Te8 17.d5+-; 16…Sb4 17.Sg5+-; 16…Da5 17.Se5+-; 16…Sg4 17.Df4 f5 18.h3+-; 16…Sd5 17.Td3 Lf6 18.Sg5 Lxg5 19.Tg3+-] 17.Ld3 Sb4 [ 17…Tac8 18.Te1+-; 17…Tad8 18.d5 Se5 19.Dg5+ Sg6 20.Lxg6 fxg6 21.Dxg6++-] 18.Se5+-
Wie man sieht, bedarf es noch Jahre des geduldigen Suchens und Forschens, bis man die Programmierer endgültig heilen kann. Für normale Menschen hingegen, befürchte ich, kommt alle Hilfe zu spät.
Denn ein medizinhistorischer Rückblick auf 500 Jahre Schachgeschichte belehrt jeden Optimisten eines besseren: Gegen solch zwanghafte Verführungen wie h7-h6 (oder h2-h3) erwies sich der Mensch seit je her als nicht-resistent. «Kein Gegner-Läufer auf g5/g4!» scheint Ausdruck eines Ur-Instinktes zu sein, ja scheint auf atavistische, der Spezies gleichsam genetisch verwurzelte Schichten des Daseins zu verweisen.
Kurzum: das h6-Syndrom ist weder ein schachliches noch ein medizinisches, es ist ein metaphysisches, ja existentielles Problem. Dieses können wir nicht lösen. Aber wir können lernen, mit ihm zu leben. Wir müssen es nur wollen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Prof. Dr.Dr.schach.med.hist W. Eigenmann
Computer-Schach-Rankings
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Der Ranglisten-Vergleich
Walter Eigenmann
Die ultimative Computerschach-Rangliste gibt es bekanntlich nicht. Zu unterschiedlich sind die Rahmenbedingungen, unter denen die vielen internationalen Tester(-Gruppen) ihre Engine-Turniere und -Matches ausspielen lassen. Die verwendeten Rechner-Typen, die Bedenkzeiten, die Programm-Parameter und Pondering-Einstellungen, die Eröffnungsbücher und Endspiel-Datenbanken, die Gegner-Anzahl und -Qualität, die Festlegung der div. Hash-Größen – dies alles scheint eine jede der zahlreichen Computer-Ranglisten unverwechsel-, ja unver-gleichbar zu machen.
Oder vielleicht doch nicht?
Zitieren wir mal vier der von der internationalen Programmierer- und Anwenderschaft meistkonsultierten Rankings im Hinblick auf jenes Dutzend ihrer besten Programme (32bit/1CPU), welches allen vier Listen gemeinsam ist:
Das sich ergebende Bild ist verblüffend:
…… | CEGT (40Z/20M) | CCRL (40Z/40M) | COMP2007 (30-120M) | CEGT-Blitz (40Z/4M) |
01. | Rybka 2.2 | Rybka 2.2 | Rybka 2.2 | Rybka 2.2 |
02. | Hiarcs 11.1 | Hiarcs 11.1 | Hiarcs 11.1 | Hiarcs 11.1 |
03. | Fritz 10 | Fritz 10 | Fritz 10 | Fritz 10 |
04. | Loop 10.32f | Shredder 10 | Loop 10.32f | Loop 10.32f |
05. | Shredder 10 | Loop 10.32f | Shredder 10 | Shredder 10 |
06. | Toga II 1.2.1a | Toga II 1.2.1a | Toga II 1.2.1a | Toga II 1.2.1a |
07. | Junior 10.1 | Spike 1.2 Turin | Fruit 2.2.1 | Spike 1.2 Turin |
08. | Fruit 2.2.1 | Fruit 2.2.1 | Spike 1.2 Turin | Fruit 2.2.1 |
09. | Spike 1.2 Turin | Junior 10.1 | Junior 10.1 | Junior 10.1 |
10. | Ktulu 8.0 | Ktulu 8.0 | Ktulu 8.0 | Ktulu 8 |
11. | Chess Tiger 2007.1 | Naum 2.0 | Chess Tiger 2007.1 | Chess Tiger 2007.1 |
12. | Naum 2.0 | Chess Tiger 2007.1 | Naum 2.0 | Naum 2.0 |
(40Z/20M = Partien mit 40 Zügen in 20 Minuten pro Engine)
Die Ranglisten sind, so unterschiedlich sie auch generiert wurden, praktisch identisch, die Abweichungen marginal – inklusive «Blitz»-Ranking!
Dieser Befund lässt nur eine Folgerung zu: Nicht die «Verpackung» (=Books&Bases) und auch nicht der «Transport» (=Hardware), sondern v.a. der «Inhalt» (=Codes&Algorithmen) ist’s, der über die relative Turnier-Performance einer Schach-Engine entscheidet.
Andersrum gesagt, und keineswegs trivial: Gute Programmierung ist durch nichts – auch nicht durch schnelle Hardware und Datenbanken – zu ersetzen.
Nochmals pointiert formuliert: Genügend statistisches Material vorausgesetzt ist’s egal, unter welchen Voraussetzungen getestet wird…
Das Fischer-Random-Schach
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«Chess960» und die Schach-Programme
Walter Eigenmann
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Mehr und mehr sorgt in der Schach-Szene eine neue Spiel-Art für Gesprächsstoff: das sog. Chess960 (auch «Fischer-Random-Chess / FRC» oder «FullChess»). Und es war nur eine Frage der Zeit, bis in den einschlägigen Computerschach-Foren die Anregung auftauchte, diese «Schach-Variante» auch in die Entwicklung kommender Software einfließen zu lassen. Ist Chess960 im Zusammenhang mit Computerschach tatsächlich nicht bloß modisches «Modern Talking», sondern ein ernstzunehmender neuer Sound?
Die nachfolgende kleine Untersuchung – geschrieben im Januar 2003 – resultierte aus dem sehr interessanten Ansatz des deutschen Programmierers und FullChess-Experten Reinhard Scharnagl FRC&Smirf, welcher im ehemaligen Fach-Forum «Computerschach Extra» anregte, das Fischer-Random-Chess inskünftig verstärkt bei neuer Schachsoftware zu integrieren. Dabei wurde auch kontrovers die Frage diskutiert, ob mit einer programm-spieltechnischen Berücksichtigung dieses Chess960 nicht überhaupt eine spürbare Spielstärke-Steigerung herkömmlicher Engines zu erreichen wäre.
I. Praeludium
Im Laufe einer fast 450-jährigen, öffentlich zugänglichen Spiel-Praxis (Rom 1560, R.Lopez-G.Leonardo: 1.e4 e5 2.f4 d6 3.Lc4 c6 4.Sf3 Lg4 5.fxe5 dxe5 6.Lxf7 Kxf7 7.Sxe5 Ke8 8.Dxg4 Sf6 9.De6 De7 10.Dc8 Dd8 11.Dxd8 Kxd8 12.Sf7 1-0) sowie aufgrund der seit über 500 Jahren andauernden theoretisch-systematischen Forschung (Spanien 1497: Lucena-Lehrbuch) hat die abendländische Schachgeschichte so einiges zu Tage gefördert über die folgende, nicht ganz unbekannte Position:
Beispielsweise meint die klassische Eröffnungslehre zu dieser Stellung u.a:
1. Die Figuren sind baldmöglichst in die Schlacht zu werfen; Zeit-Nachteile pflegen sich in positionelle Nachteile, diese wiederum sich in materielle Nachteile zu verwandeln.
2. Die entscheidenden Konfrontationen gehen erfahrungsgemäß in der Brett-Mitte vonstatten; dies bei der anfänglichen Figuren-Postierung zu berücksichtigen ist von größter Wichtigkeit.
3. Einer schnellen bwz. vollständigen Figuren-Entwicklung, aber auch einer Zentrum-besetzenden und gleichzeitig Raum-greifenden Wirkung des Aufmarsches leisten die Bauernzüge 1.e2-e4 e7-e5 (allenfalls noch 1.d4-d4 d7-d5) den besten Dienst.
Dass die sog. hypermodernde Schule teils entgegengesetzte Prinzipien vertrat, bleibe hier unerörtert. Sicher ist jedenfalls: nach diesen drei Eröffnungs-Forderungen funktionierte (und funktioniert noch) der Partie-Anfang auf hohem und höchstem Niveau – seit Greco (Greco-N.N., Rom 1619: 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 etc. 1-0) bis in unsere Tage hinein (Movsesian-Morozevich, WCT 2002: 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 etc. 0-1).
Nun liegt es «in Sachen Computerschach» nahe, mal die neueste Schach-Software im Hinblick auf ihre Partie-Anfänge zu befragen. (In etwas anderem Zusammenhang hat das der Autor bereits früher in einem Artikel des Fachmagazins «Computer-Schach & -Spiele» getan; vergl. Nr.5/2002, oder hier: Strategie 2.)
Wir lassen also (mit einer Bedenkzeit von 60Min/Engine auf einem P3/866Mhz/128Mb-Hash/PB off) einige der aktuell stärksten Programme die ersten paar Züge ab Grundstellung (selbstverständlich ohne Opening-Books) spielen, um herauszufinden, ob die besten Programmierer das vom Menschen erarbeitete Eröffnungs-Knowhow tradieren.
Das Ergebnis mag den einen oder anderen überraschen…
CM9000/Kleinert – Hiarcs 8
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3 Sf6
Chess Tiger 14.0 – Junior 7
1.e4 e5 2.Lc4 Sf6 3.d3 c6 4.Sf3 d5
Aristarch 4.4 – Pharaon 2.62
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3 Sf6 4.d4 exd4 5.Sxd4 Lb4
SOS.3 f.A. – Pepito 1.55
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6
List 5.04 – Ruffian 1.0.1
1.e4 e6 2.d4 d5 3.exd5 exd5 4.Ld3 Sc6
Comet B54 – Yace 0.99.56
1.Sf3 d5 2.d4 e6 3.e3 Sf6
Crafty 19.01 – Gandalf 4.32h
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sf6
LambChop 10.88 – Nimzo 8
1.e4 d6 2.d4 Sf6 3.Sc3 Sbd7 4.Sf3 e5
…aber es besteht kein Zweifel: im Jahre 2003 vermögen Maschinen die «humanoid» entwickelten Grundsätze des als erfolgreich bestätigten Partie-Beginnens selbstständig zu reproduzieren. (In wie weit dann die Software auch im Mittelspiel den «Geist» eines gewählten Eröffnungssystems realisieren kann, ist wieder eine ganz andere Frage…)
Quasi in Reinkultur wird die Klassik «kopiert» von zwei erst seit kurzem auf dem Markt befindlichen (und von vielen Testern inzwischen als die beiden stärksten Engines gehandelten) Programmen:
Fritz 8 – Shredder 7
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.Sc3 Sf6 5.d3 d6
Ob von Menschen oder von Maschinen: Besser lässt sich eine Partie Schach nicht eröffnen. Wohl origineller, sicher innovativer, bestimmt auch attraktiver – aber nicht besser!
II. Punctus contra punctum
Szenenwechsel. Mainz, im Sommer 2002: Neben zahlreichen Amateuren treffen sich über 50 internationale Titelträger, darunter 14 sog. Super-Großmeister (= >2600 ELO) zu einem ganz besonderen Rapidschach-Spektakel: dem «Chess960-Open». (Sieger: GM Peter Svidler mit fulminanten 9 aus 11).
Hochkarätig besetzte Open gibt’s inzwischen wie Sand am Meer, doch dieses im Rahmen der «Chess Classic Mainz» organisierte «Chess960» zeichnete eine exquisite Spezialität aus: gespielt wurde nach den Regeln des sog. «Full Chess» (auch bekannt als «Fischer Random Chess»/FRC oder eben «Chess960»).
Zum Regelwerk (siehe auch hier:) dieses «Vollschachs» darf ich hier den Programmierer und FRC-Spezialisten Reinhard Scharnagl zitieren, der ein eifriger Verfechter dieser «Schach-Variante» ist und auf seiner instruktiven Homepage erläutert:
«Das FullChess unterscheidet sich nur unwesentlich vom traditionellen Schach:
a) die Anfangsstellung der Offiziere wird nach bestimmten Regeln ausgelost: der König steht immer irgendwo zwischen zwei Türmen, es gibt sowohl einen schwarzfeldrigen wie auch einen weissfeldrigen Läufer;
b) man hat spezielle Regeln für eine allgemeiner gefasste Rochade.»
Jedenfalls hatten sich in Mainz die Herren Großmeister (darunter so illustre Namen wie Jussupov, Vaganjan, Hort, Portisch, Lobron, Epishin oder Gallagher) also mit Anfangsstellungen wie z.B. der folgenden herumzuschlagen:
Eine der 960 FRC-Positionen
Bevor wir auf diese Anfangsposition im Zusammenhang mit Computerschach näher eingehen, mögen einige Zitate von Spitzenspielern die Verwirrung umschreiben, mit der auf diese (von Bobby Fischer 1996 in Buenos Aires proklamierte) Schach-Novität quer über alle Leistungsklassen hinweg reagiert wird:
– Alexandra Kostenjuk: «Für mich ist das nichts. Das ist zu kompliziert»
– Anand Viswanathan: «Chess960 ist wie eine Stadt ohne Stadtplan zu durchstreifen»
– Vadim Milov: «Nur Improvisation und Phantasie spielen eine Rolle»
– Dimitri Komarow: «Zu anstrengend. Man muss vom ersten Zug an kämpfen»
– Kiril Georgiew: «Ich habe Probleme mit der Eröffnung»
– Michael Adams: «Es ist sehr schwierig, eine schlechte Fischer-Random-Stellung zu verteidigen»
– Peter Svidler: «Schwarz sollte vielleicht häufiger symmetrische Stellungen anstreben»
– Krishnan Sasikiran: «Manchmal mache ich Züge, die ich im normalen Schach nie ausführen würde»
– Arthur Jussupow: «Probier’s einfach mal!»
Solche Äußerungen treffen genau die ungeheure Herausforderung, welche diese Erfindung des Jahrhundert-Genies Fischer an eine historisch gewachsene bzw. geschulte Schach-Denkweise stellt: Das prinzipielle Wirkungsgefüge der Figuren, auch die grundlegenden Strategeme des herkömmlichen Schach (dessen Grundstellung übrigens auch eine «Variante» des FRC ist!) bleiben erhalten, aber sie sind in total unkonventionellen, ja bizarren Konstellationen zu realisieren, und die «klassischen» Verhaltensweisen aller «Richtungen» und «Schulen» (inkl. die so erfolgreich-vielgerühmte Mustererkennung des traditionellen Großmeister-Schachs) werden völlig außer Kraft gesetzt. Definitiv ausgehebelt ist jegliches Memorieren von «Datenbank-Wissen», und sei es noch so enzyklopädisch. Die altehrwürdig-historische (und allzuoft historisierende) «Theorie» hat ausgespielt, auf schachliche Erfahrungswerte kann nur noch sehr rudimentär zurückgegriffen werden.
III. Fuga
Kehren wir nun wieder zu unserer obigen «VollSchach»-Grundstellung zurück, um zu überlegen, welche Anforderungen sie an die «Eröffnungsstrategie» stellt. Anschließend werde dieses zu absolutem Anti-Schablonen-Denken zwingende Figuren-Arrangement sechs der besten aktuellen Engines als Turnier-Grundlage vorgesetzt.
Zuvor ist allerdings noch ein kleiner Rochade-Exkurs vonnöten – denn leider ist ausgerechnet dieser interessante, das Spielgeschehen oft blitzartig verändernde Zug des Fischer-Random-Chess in gegenwärtiger Schach-Software meines Wissens noch nirgends implentiert. Wohl beginnen die ersten GUI’s die Option «Fischer-Schach» bereitzustellen – das dem FullChess vorausgegangene Shuffle-Chess ist schon seit längerem Menue-Punkt verschiedener Oberflächen -, doch mit dem spezifischen «Fischer-Rochieren» können die Programme (noch) nicht umgehen.
Die Chess960-Rochade funktioniert nach den folgenden Regeln (ich zitiere nochmals die oben erwähnte Homepage von Reinhard Scharnagl):
1. Rochieren ist nur zwischen jeweils noch unbewegtem König und Turm auf deren Grundreihe möglich.
2. Nach einer Rochade mit dem rechten Turm steht der König auf der g-Linie und der rochierte Turm auf der f-Linie, nach einer Rochade mit dem linken Turm steht der König auf der c-Linie und der rochierte Turm auf der d-Linie (es ist bei einigen Varianten sogar möglich, dass nur eine der Figuren ihre Position ändert).
3. Eine Rochade ist nur statthaft, falls zwischen dem König und seinem Zielfeld höchstens der beteiligte Turm steht, und wenn zwischen dem Turm und dessen Zielfeld höchstens der beteiligte König steht (daraus folgt insbesondere, dass die Felder zwischen beiden Figuren frei sein müssen).
4. Keines der Felder vom König bis zu seinem Zielfeld (beide inklusive) darf von Schach bedroht sein (speziell nach Schachgebot bleibt ein Rochieren also untersagt).
Berücksichtigend, dass für ein herkömmliches Programm ab obiger FRC-Stellung keine Rochaden mehr möglich sind, könnte sich eine erste oberflächliche Stellungseinschätzung folgendermaßen präsentieren:
1. Die Position ist – für FRC-Verhältnisse – relativ «einfach»: Die Damen können recht schnell entwickelt werden; die h-Läufer sind bereits aggressiv «fianchettiert»; die Springer werden schnell zentralisiert;
2. Ein Problem ist die Entwicklung der a-Türme, die nur umständlich durch die beiden Manöver a4/a5 & Ta3/Ta6 (schneller, aber schwächend) oder a3/a6 & Kh2/Kh6 (langsamer, aber sicher) in Position zu bringen sind;
3. Gute Bauernzüge könnten sein: 1.d3/d6 (d4/d5!?), g3/g6, f4/f5;
4. Ein extrem kombinatives Spiel (wie in zahlreichen anderen FRC-Startstellungen) ist nicht zu erwarten;
5. Die Eröffnungswahl ist entschieden eine Frage des Temperaments…
Um einen kleinen Vergleich Mensch-Maschine anstellen zu können, entnahm ich die fragliche Position dem Mainzer Turnier. Zur Illustration also einige «großmeisterlichen» Partie-Anfänge:
Teske-Dautov:
1.f4 g6 2.g4 d6 3.e4 c5 4.d3 Sc6 5.Lc3 Sd4 etc. ½-½
Svidler-Bologan:
1.f4 g6 2.e4 c5 3.Lf2 d6 4.d3 Lc6 5.Sde3 f5 6.g3 etc. 1-0
Lobron-Motylev:
1.g3 c5 2.c4 Sc6 3.d3 g5 4.Lc3 Lxc3 5.Sxc3 d6 etc. 0-1
Milov/V-Bischoff:
1.d4 g6 2.d5 e6 3.e4 exd5 4.exd5 d6 5.Lc3 Lxc3 etc. ½-½
Wie wir oben gesehen haben, sind Schachprogramme eindeutig im Hinblick auf das klassische Schach optimiert. Für die Bewertungsfunktionen einer Engine muss das FRC-Spiel also eine ebenso große Desorientierung sein, wie es Irritation ist für die Mustererkennung des Menschen.
Die folgende Partie zeigt das (60Min/Engine, P3/866Mhz, 128Mb Hash, PB off, 3-&4-Nalimov’s):
Fritz 8 – Hiarcs 8
1.d4?! Fritz war neben Shredder das zweite Programm, welches diesen zweischneidigen, wenn auch raumgreifenden Bauernvorstoß spielte. Denn nach 1…g5 ist der Bauer praktisch nur mit dem verpflichtenden 2.d5 vernünftig zu halten: c3 nähme dem d-Springer sein bestes Entwicklungsfeld, und e3 beengte unnötig die Dame. 2…g4? Völlige Orientierungslosigkeit! Der Zug schränkt weder die gegnerische Entwicklung ein, noch fördert er die eigene; und er ist weder drohend noch verteidigend. Ein Rückfall in die Zeiten der ersten Kaufhaus-Schachdinger vor über 20 Jahren… 3.Lc3 Lxc3 4.Sxc3 d6 Dass es gut ist, einen unentwickelten gegen einen bereits bedrohlich postierten Läufer abzutauschen, hat ein Fritz zwar intus, aber in frühestem Stadium seine Dame mit 5.Dh6? motivlos im Trüben fischen zu lassen straft die oben erwähnte, bewiesene Fähigkeit zum schnellen Entwickeln Lügen. 5…f5 6.h3 Sf7 7.Dh4 e5 8.hxg4 Txg4 9.Dh2 Tg6 10.g3 Th6 11.Dg2 FRC-Stellungen demonstrieren deprimierend, wie «un-menschlich» Schachprogramme spielen (können)… 11…Sg6 12.Sd2 Ld7 13.Df1 a6 14.Lg2 Ta7 Vielleicht der «interessanteste» Zug der ganzen Partie… Die «Haltlosigkeit» der Engines ist offensichtlich. Es scheint, als lasse Bobby Fischer jeglichen Programm-Code einfach ins Leere laufen. (Eher zufällig kam es in der Folge zu einem weißen gedeckten f-Freibauern, der Fritz schließlich im 54. Zug einen Endspiel-Sieg «bescherte»). 1-0
In obiger Partie kommt der Betrachter keinen Augenblick auf die Idee, dass das Ziel jeder Schachpartie das Mattsetzen des gegnerischen Königs ist. Ganz anders im nächsten Game: hier sucht der Weiße schon bald die Konfrontation am «Königsflügel». Auffallend ist, welch hohe Priorität Shredder der schnellen Entwicklung seines eingesperrten Turmes einräumt.
Es scheint überhaupt ein nützliches Strategem im FRC- bzw. Shuffle-Chess zu sein, sich grundsätzlich sofort der Entfaltung der problematischsten Figur/en zu widmen, da später, bedingt durch die unvermeidlichen kombinativen Scharmützel, dazu oft nicht mehr die Zeit bleibt. Denn viele Chess960-Start-Konfigurationen neigen entweder dazu, taktisch sehr schnell zu explodieren, oder dann wird per Abtausch-Serien das Mittelspiel gleich ganz umgangen. In beiden Fällen ist natürlich fatal, wenn eine oder mehrere Figur/en deutlich «lahmen».
Shredder 7 – CM9000/Kleinert
1.d4 e6 2.g4 g5 3.e3 d6 4.Dd2 Lc6 5.Lxc6 Sxc6 6.a4 f5 7.gxf5 exf5 8.Ta3 Se6 9.Tb3 g4 10.Sg3 Sg5 11.Dd3 Sf3 12.Th1 Tf8 13.Lc3 a6 14.h3 f4 15.Se2 fxe3 16.hxg4 exf2 17.Sxf2 Sg5 18.d5 Se5 19.De3 Tf3 20.Dxg5 Txf2 21.Sd4 De8 22.Tb4 Tf7 23.Te1 Df8 24.Sc6 Sxc6 25.dxc6 Lxc3 26.Txb7 Kc8 27.bxc3 Tf1 28.Txf1 Dxf1 29.Kb2 Df7 30.Tb4 h6 31.De3 1-0
Wieder völlig anders präsentiert sich das «Naturell» der Programme in dem folgenden Blitzkrieg. Er demonstriert das Aufeinandertreffen zweier total heterogener Engines: der Chessmaster als aggressiver «Bilderstürmer» (seine Königssicherheit tendiert oft gegen Null) zertrümmert den mit traditionellem Schachwissen hervorragend bestückten Fritz in nur 26 Zügen:
CM9000/Kleinert – Fritz 8
1.g4 g6 2.Sc3 c6 3.e3 Dc7 4.d4 d5 5.f4 Man beachte nun das folgende, an sich positionell höchst bemerkenswerte Fritz’sche Springer-Manöver: Über d7, b6 und c8 wird der c-Hüpfer auf das aussichtsreiche Feld d6 entwickelt. Solches Schach kann dazu führen, dass Programme wie Fritz inzwischen GM-Turniere gewinnen – im unerschlossenen Dschungel einer FRC-Stellung ist es einfach doof. 5…Sd7 6.Sd2 Sb6 7.a4 Sc8 8.Se2 Sd6 9.c4 dxc4 10.Sxc4 Ld7 11.e4 Rohe Gewalt gegen abwartendes Lavieren – und ein Stellungsbild für die Götter… 11…Lc8 12.Se3 f6 13.e5 Se8 14.Ta3 g5 15.Dc2 h6 16.Lg3 fxe5 17.fxe5 Während die aktuelle Number One der Schweden-Liste ihre Figuren auf der Grundreihe versammelt hat, stehen fast alle weißen Kämpfer zum finalen Punch bereit. Die Situation verdient ein Foto:
Der Rest ist Schweigen: 17…e6 18.Tc1 Dg7 19.d5 Sc7 20.dxc6 b6 21.a5 b5 22.Sc3 La6 23.Se4 Dg6 24.Sc5 Dxc2 25.Sxc2 Lc8 26.Sb4 1-0
IV. Postludium
Die Antwort auf die Frage, wie es möglich ist, dass eines der stärksten und erfolgreichsten Programme der Computerschach-Geschichte – erinnert sei nur an das unlängst beeindruckende 4:4 zwischen Fritz und BGN-Weltmeister Vladimir Kramnik in Bahrein – einen derart suizidalen Masochismus an den Tag legt, kann nur lauten: Je genauer bzw. erfolgreicher eine Software auf die Gesetze des traditionellen Schach abgestimmt ist, desto größere Schwierigkeiten hat sie in derart unorthodoxen Figurenkonstellationen.
Diese Feststellung ist bloß auf den ersten Blick trivial. Denn dem widerspricht die offensichtliche Performance; die beiden (wahrscheinlich) besten Programme im «Klassik»-Schach gewannen auch mein kleines Shuffle-Turnier.(Übrigens blieb die Hierarchie mehrheitlich auch im Mainzer «Chess960» gewahrt: die GM vor den IM, die IM vor den FM, Sieger wurde mit Svidler der gleichzeitig ELO-Stärkste).
Turnier «Chess960»
Programm 1 2 3 4 5 6
1 Shredder 7 ** ½1 10 1½ 1½ 01 6.5/10
2 Fritz 8 ½0 ** 1½ 00 11 11 6.0/10
3 Chess Tiger 14 01 0½ ** 11 ½½ 01 5.5/10
4 CM9000 Klein. 0½ 11 00 ** ½½ 10 4.5/10 22.75
5 Hiarcs 8 0½ 00 ½½ ½½ ** 11 4.5/10 19.25
6 Junior 7 10 00 10 01 00 ** 3.0/10
(60Min/Engine – P3/866Mhz 2003)
Natürlich ist dieses 30-Partien-Ranking statistisch irrelevant und obendrein mit dem erwähnten Rochade-Schönheitsfehler behaftet – zufällig aber, glaube ich, ist es nicht; das Ergebnis sähe ziemlich sicher auch nach 300 Partien sehr ähnlich aus. Denn da jede Engine hinsichtlich des Fischer-Schach vergleichbare Schwierigkeiten hat, sind insgesamt (wie im «richtigen Leben») halt doch wieder die am wenigsten schlechten die besten…
Mein vorläufiges Fazit:
Spielen Menschen «Fischer» oder «Shuffle», steht v.a. die allgemeine Spiel-Intelligenz auf dem Prüfstand. «Intelligentes Spiel» in diesem Falle meint zuvorderst einfach mal, die je bunt zusammengewürfelte Grundreihen-Schar in ein einigermaßen vernünftig koordiniertes Figurenspiel zu zwingen. Denn dieses ist die vielleicht größte Schwierigkeit beim Fischer-Random-Chess: die Organisation eines zielgerichteten Zusammenspiels des eigenen Heeres, dessen Kräfte in je total anderem Kontext als bisher agieren müssen.
Dieser letzten Forderung kann das dynamische Denken des Menschen weit eher entsprechen als das statische Evaluieren der Schach-Software. Ich kann jedenfalls nicht sehen, inwiefern bei Programmen das Studium des FRC-Verhaltens zu einer Verbesserung eben dieser Programme führen könnte. Es sei denn, man schriebe sie kräftig um, was aber wiederum mindestens eine der 960 möglichen Positionen ausklammerte – abgesehen davon, dass hier die Grenze zwischen «ändern» und «neu» sehr fließend wäre… Anders gesagt: «Chess960» ist für die momentanen Schachprogramme einfach 959 Mal ein völlig anderes Spiel. ■
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Schach-Glosse von Reinhard Scharnagl
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Elo- oder Computer-Schach?
Reinhard Scharnagl
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In den Anfängen einer Computerschach-Euphorie, als es noch in Kaufhäusern bestaunte Schachcomputer gab (Bild: Der «Chess Chellenger» von Fidelity, eines der ersten Tischgeräte überhaupt), investierten faszinierte Fans kleine Vermögen in solche Geräte und ließen sie Gladiatoren gleich gegeneinander antreten – im sicheren Wissen, dass sie danach stets wieder unverletzt für eine nächste Partie bereit stünden.
Wie haben sich die Zeiten geändert! Eigentlich beachtet man heute nur noch gerätelose Programme. Bei denen fällt ein Beiseite-Schieben auch nicht mehr so auf, wie wenn ausgemusterte Tischgeräte in eine Ecke gestellt wurden. Mühevoll von Hand durchgeführte Tests gegen Mitbewerber tut man sich nun nicht mehr an. Man lässt in automatisierten Turnieren die Engines (= der rechnende, «denkende» Teil eines Schachprogrammes) gegeneinander antreten. Es interessiert allein nur noch das Elo-Ranking und die Anzahl dazu gespielter Partien, am besten also Blitz (= max. 5 Min./Spieler). Wozu sich die Partien überhaupt anschauen?
In Maschinenräumen von Online-Servern werden Top-Computer aufeinander losgelassen wie arabische Rennkamele. Dass zwei Drittel dort identische Programme verwenden, ist ohne Belang. Man kennt sich aber dafür aus mit Hardwaretuning, Wenigsteiner-Tabellen und optimalen Betriebssystemen. Das Antwortzeitverhalten einer DSL-Verbindung wird optimiert, die dann trotzdem beim drohenden Verlust der Remis-Breite mitunter rechtzeitig zum Zusammenbrechen «motiviert» wird. Ich habe so meine Vorstellungen, was solche Stellvertreterkriege kompensieren sollen, aber etwas Positives scheint es nicht zu sein.
ScreenShot einer typischen 3-Minuten-Blitz-Partie(…) im «Maschinenraum»
eines bekannten Online-Schach-Servers (mit zwei identischen Gegnern und
völlig irreführenden Elo-Zahlen…)
Die wirklichen Interessenten an der Entwicklung des Computerschachs sind zwischenzeitlich sehr rar geworden. Sich Partien zwischen Engines näher zu betrachten, welche nicht unter den Top 25 residieren, scheint völlig aus der Mode zu kommen. Gab es früher einmal Tester, die qualifiziert auf bestimmte Schwächen und Stärken entstehender Programme eingingen, so wird heute allein schon das Fehlen einer Standard-Protokoll Unterstützung wie des UCI zum K.o.-Kriterium. Man ist bequem geworden.
Eigengewächse an Schachprogrammen mit eigener GUI oder gar der Unterstützung von Varianten (z.B. Chess960) und anderen Brettgeometrien haben es so heute schwer, überhaupt noch auf Interesse zu stoßen. Doch wo sonst als jenseits ausgetretener Trampelpfade sind Neuerungen zu erwarten? Und: wer hofft überhaupt noch auf etwas Derartiges?
Nichts erscheint so interessant wie eine neue CPU, intelligenteres Caching, kompaktere Table-Bases oder der Erwerb einer aktuellen Nummer Eins der Ranking-Liste. Und all das hat mit Computerschach nicht das Mindeste zu tun… ■
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